Diese hätte den Vorteil, dass man ihren Effekt besser beurteilen könnte: „Habe ich hingegen regional unterschiedliche Bestimmungen, ist es bei einem neuerlichen Anstieg der Infektionszahlen viel schwieriger zu sagen, was jetzt dafür verantwortlich ist. Das macht dann aber auch die Eindämmung schwieriger.“ Generell halte er aber Lockerungen in vielen Bundesländern mittlerweile für vertretbar: „Es muss aber auch Klarheit herrschen. Ändert man etwa in den Schulen einen Monat vor Schulschluss die Regeln und das auch noch lokal unterschiedlich, kennt sich keiner mehr aus.“ Da sei es vernünftiger, die derzeitigen Maßnahmen noch mitzutragen und dann im Herbst mit einheitlichen gelockerten Bestimmungen in der Schule zu starten, betont Krause.
„Ich kann den Wunsch mancher Länder nach Lockerungen schon nachvollziehen“, sagt auch die Epidemiologin Eva Schernhammer von der MedUni Wien. „Aber es gibt Risiken: Wie stellt man sicher, dass es etwa durch Touristen zu keinen neuen Ausbrüchen kommt, wenn die Regeln lockerer sind?“
Zurückhaltend ist Schernhammer, was ein rasches Ende der Maskenpflicht in Geschäften und Verkehrsmitteln sowie das Aufheben der 23-Uhr-Sperrstunde betrifft: „Hier muss man darauf achten, dass es zu keinen Ansteckungsketten kommt, wenn dann auch die Vorsicht der Menschen weniger werden sollte.“ Andererseits sei Österreich heute besser aufgestellt als noch vor einigen Monaten: „Voraussetzung ist ein gutes Testkonzept, um Infektionsketten rasch aufspüren zu können. Und man muss auf Risikopersonen aufpassen: Es muss garantiert sein, dass nicht das Risiko von Infektionseinschleppungen in Alters- oder Pflegeheime steigt. Letztlich bleibt es ein Experiment.“
Rostock war Ende April die erste Stadt Deutschlands, die einige Tage keine Neuinfektionen verzeichnete. „Wir hatten sehr früh mit den PCR-Tests begonnen und 17 Abstrichzentren im ganzen Land aufgebaut. Eingeschleppte Infektionen, etwa von heimkehrenden Skifahrern, konnten wir so rasch entdecken“, sagt der Oberösterreicher Emil Reisinger, Infektiologe und Dekan der Medizinischen Fakultät der Uni Rostock. „Das war unser Glück.“ Reisinger berät auch die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern.
Umfangreiches Testen werde auch mit Beginn des Ostsee-Tourismus entscheidend sein. „Lokale Kleinepidemien durch importierte Fälle schließe ich nicht aus, aber dafür haben wir Notfallkonzepte. Wir werden alles tun, um sie rasch einzudämmen. Mit einer zweiten Welle, die gleichmäßig große Gebiete überzieht, rechne ich nicht.“
Die Abstandsregeln (eineinhalb Meter in Deutschland) und Hygienemaßnahmen sollten auf jeden Fall noch länger eingehalten werden. „Ich glaube auch, dass man die Maskenpflicht noch eine Zeit lang aufrechterhalten sollte – zumindest so lange, bis man sicher sein kann, dass durch die bisherigen Lockerungen und den Start des Tourismus nicht mehr Fälle aufgetreten sind. Wir beobachten das jetzt sehr genau.“ Bleibt es bei niedrigen Infektionszahlen, könnte ab Anfang Juli auf freiwilliges Maskentragen umgestellt werden. Aber Reisinger betont: „Alleine mit Abstandhalten, Händehygiene und dem Mund-Nasen-Schutz werden 30 bis 40 Prozent der Neuinfektionen verhindert.“
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