Corona, Grippe, RSV: Was mit der dreifachen Virenwelle auf uns zukommt
Ungewöhnlich früh hat heuer die MedUni Wien den Start der Grippewelle verkündet. Meistens ist das erst im Jänner oder Anfang Februar der Fall. Die Stadt Wien meldete Mittwoch für die Vorwoche 17.850 Neuerkrankungen an Grippe und grippalen Infekten, vor zwei Wochen waren es 16.250.Gleichzeitig gibt es viele Infektionen mit dem Atemwegsvirus RSV, das besonders für Kleinkinder problematisch werden kann, und nach wie vor auch Corona-Infektionen. Was bedeutet diese "Tripledemie" jetzt für die kommenden Wochen?
Gab es schon jemals eine so frühe Grippewelle?
„So ein früher Beginn ist selten, aber schon vorgekommen“, sagt die Virologin Monika Redlberger-Fritz, MedUni Wien. 2016 startete die Grippewelle Anfang Dezember, nur eine Kalenderwoche später als heuer und damit um zirka 4 bis 6 Wochen früher als gewohnt. Und auch die pandemische Influenza 2009 (Schweinegrippe) führte bereits im November zu hohen Erkrankungszahlen.
Wieso wird es heuer offenbar eine starke Welle? Wieso sind heuer so viele Viren aktiv?
Lockdowns und Corona-Maßnahmen wie Maskentragen führten dazu, dass viele Viren, darunter auch Influenza, sich in den vergangenen zwei Saisonen kaum verbreiten konnten. Diese Maßnahmen sind nun großteils aufgehoben – die Viren verbreiten sich wieder. Auch die Zahl der Infektionen mit RSV (Respiratorisches Synzytial-Virus) steigt. In vielen Ländern, darunter Frankreich, Irland, Spanien, Schweden und die USA nimmt laut aktuellem Bericht der Europäischen Gesundheitsbehörde ECDC die Zahl der Krankenhauseinweisungen, besonders bei Kleinkindern bis vier Jahre, stark zu. Das gilt auch für Österreich. "Es ist anzunehmen, dass der Trend der ansteigenden RSV-Aktivität weiter anhält und zeitversetzt auch die Influenzaaktivität weiter zunehmen wird", heißt es dazu im aktuellen Gecko-Bericht. Das gilt nicht nur für Kinder, sondern uch für ältere Erwachsene, für die RS-Viren ebenso problematisch werden können.
Wie war die Grippewelle in Australien?
In Australien gab es heuer ebenfalls ungewöhnlich früh einen steilen Anstieg, aber die starke Welle ist rasch abgeflaut. Sie war heftig, aber kurz, und hat vor allem Kinder und Jugendliche betroffen. Da die Zahlen relativ schnell wieder rückläufig waren und bei Kindern und Jugendlichen schwere Krankheitsverläufe selten sind, haben die australischen Behörden die Grippewelle insgesamt als gering bis moderat eingestuft.
Kann man selbst erkennen, ob man Influenza oder Covid hat?
Ohne Labordiagnose ist das nicht möglich. „Die Symptomatik von Covid-19-Patienten ist unspezifisch und ähnelt der vieler anderer respiratorischer Erkrankungen“, schreibt das Robert-Koch-Institut (RKI). Covid kann fieberfrei verlaufen, mit einer verstopften Nase einer Erkältung ähneln oder mit hohem Fieber und Husten an eine Grippe erinnern. Bei kleinen Kindern sind Trinkprobleme, beschleunigte Atmung, Husten und generell Atembeschwerden Anzeichen für eine RSV-Infektion.
Wie gut wirkt dieses Jahr der Grippeimpfstoff?
Da eine Vielzahl an Grippevirenstämmen zirkulieren, die sich in ihrer Zusammensetzung ändern, muss der Impfstoff jedes Jahr an die dominierenden Stämme angepasst werden. Nicht immer kann gut vorhergesagt werden, welche Stämme dies sein werden. Heuer gelang aber eine gute Passung, wie sich auch in Österreich zeigt: Der dominierende Stamm des Influenza-Virus A/H3N2 ist von den Impfstoffen abgedeckt. „In so einem Fall werden 50 bis 60 % der A/H3N2-Infektionen verhindert, schwere Verläufe mit Komplikationen in noch größerem Ausmaß“, so Redlberger-Fritz.
Sollen Kleinkinder gegen Grippe geimpft werden?
Die Influenza-Impfung wird ab dem vollendeten 6. Lebensmonat allgemein empfohlen. „Impft man die Kinder, kann damit die Wahrscheinlichkeit von Infektionen in der Allgemeinbevölkerung um 40 bis 50 Prozent gesenkt werden“, sagt Redlberger-Fritz. Für die Altersgruppe der Zwei- bis 15-Jährigen steht zudem ein nasaler Impfstoff zur Verfügung, der in die Nase gesprüht wird. „Viele kleine Kinder hatten noch gar keinen Kontakt mit Influenza, das macht die Impfung heuer besonders wichtig“, sagt Infektiologe Herwig Kollaritsch.- „Man muss es ganz deutlich sagen: Es werden auch im kommenden Winter wieder Kinder an Influenza sterben. Jetzt können wir etwas dagegen tun“, sagt der Wiener Kinderarzt Peter Voitl.
Noch ist es für eine Grippe-Impfung nicht zu spät: Eine Influenza-Welle dauert im Schnittt acht bis zwölf Wochen, bis der Schutz durch die Impfung aufgebaut ist, dauert es fünf bis maximal zehn Tage.
Und wie ist das mit der Covid-Impfung?
Für die Covid-Impfung gibt es für Kinder unter fünf Jahren keine allgemeine Empfehlung. Das Nationale Impfgremium rät in diesem Alter nur Risikokindern zur Coronaschutzimpfung. Laut Gecko-Bericht ist „beim überwiegenden Teil der Kinder damit zu rechnen, dass ein Kontakt mit dem Virus schon mindestens einmal stattgefunden hat und im Falle einer neuerlichen Infektion durch die bestehende erworbene Immunität zumindest ein guter Schutz vor schweren Erkrankungen besteht.“
Welche Varianten sind derzeit in Österreich verbreitet? Wie gut schützen die Impfstoffe?
Der Anteil neuer Varianten hat in den letzten Wochen kontinuierlich zugenommen. Die bisher dominante Variante BA.4/BA.5 ist rückläufig – etwa 44 Prozent der Infektionen gehen laut AGES darauf zurück. Die Variante BF.7, dabei handelt es sich um BA.5 mit einer bestimmten Mutation, nämlich R346T, kommt bereits auf 28 Prozent, BQ.1/BQ.1.1 auf 21 Prozent. Die Europäische Gesundheitsagentur ECDC erwartet auf Grundlage von Modellrechnungen, dass bis Anfang Dezember 2022 mehr als 50 Prozent der SARS-CoV-2-Infektionen auf BQ.1/BQ.1.1 zurückzuführen werden. Bis Anfang 2023 soll dieser Anteil auf mehr als 80 Prozent ansteigen. Wie bei früheren Subvarianten ist der Wachstumsvorteil von BQ.1 wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass sich die Variante besser dem Immunschutz entziehen kann.Laut Gecko-Bericht gibt es Hinweise darauf, dass die an BA.4/BA.5 angepassten Impfstoffe, die sogenannten bivalenten Impfstoffe, auch gegen die aktuell neu aufkommende Untervarianten wirken, etwa gegen BQ.1.1.
Wann soll ich mich impfen lassen? Gilt das auch für Genesene?
Aktuelle Studien zeigen, dass die Impfeffektivität mit dem Abstand zur letzten Impfdosis (nicht angepasster Impfstoff) steigt. Lag die letzte Impfung mehr als acht Monate zurück, stieg die Effektivität auf 48 bis 56 Prozent. Betrug der Abstand nur zwei bis drei Monate lag die Impfeffektivität je nach Altersgruppe zwischen 28 und 31 Prozent.
Eine neue Studie aus Dänemark zeigt zudem, dass bei Personen mit durchgemachter Covid-Erkrankung eine nachfolgende Impfung beträchtlich vor einer erneuten Infektion schützt. „Je nach Virusvariante liegt dieser zwischen 60 Prozent (Omikron) und über 90 Prozent (Delta)“, heißt es dazu im Gecko-Bericht. Genesene profitieren demnach deutlich von einer Impfung.
Ist jetzt also eine gute Zeit für die 4. Covid-Impfung?
„Neue Daten zeigen, dass in den ersten Wochen danach das Infektionsrisiko deutlich reduziert ist“, sagt Kollaritsch: „Deshalb ist es sinnvoll, vor den Weihnachsfeiern aufzufrischen, auch dann, wenn man noch nicht ganz das Sechs-Monate–Intervall erreicht hat. Unter vier Monate sollte man aber nicht gehen.“
Und: „Die Maske schützt vor all diesen Viren. Das wird leider viel zu häufig vergessen.“
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