Nicht bei jedem scheint der Pandemiebeginn den Schlaf gehemmt zu haben. "Im Gegenteil", sagt Holzinger: "Unmittelbar nach Start des Lockdowns haben viele ihren Schlaf als besser, tiefer, regelmäßiger und erholsamer empfunden." Holzingers Theorie: "Der Otto Normalverbraucher ist chronisch überlastet und leidet an Schlafmangel. Anfang März fielen bei einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung berufliche und private Verpflichtungen weg. Verlorene Schlafstunden wurden nachgeholt."
Mit anhaltendem Krisenzustand wendete sich das Blatt. Sozioökonomische Sorgen und Zukunftsängste strapazieren nun den Schlaf. Auch der Trend zum Homeoffice scheint geruhsamen Nachstunden nicht zuträglich. Forscher aus Italien berichten in einer Studie von einer massiven Beeinträchtigung der Schlafqualität in der Corona-gebeutelten Nation. Ausgeprägt sei der Effekt bei jenen, die ihren Beruf derzeit von daheim ausüben.
Schlummerhygiene
Holzinger zeigt sich kaum verwundert: "Die meisten leben in einem engen Zeitkorsett. Wir sind es gewöhnt, zu einer gewissen Uhrzeit ins Bett zu gehen und aufzustehen, die Kinder in die Schule oder den Kindergarten zu bringen, zum Arbeitsplatz zu fahren."
Corona brachte den durchgetakteten Alltag zum Stillstand, die Zeitstruktur ging flöten. "Plötzlich saß man morgens ungeduscht und im Pyjama vorm Laptop, klappte diesen nicht mehr pünktlich zu Feierabend zu, arbeitete bis spät nachts."
Um zu verstehen, warum ein durcheinandergewirbelter Rhythmus den Nachtschlaf beeinträchtigt, muss man sein biologisches Fundament kennen: "Es speist sich aus zwei Systemen: der körperlich bedingten Schläfrigkeit und der inneren Uhr, die unseren Schlaf/Wachrhythmus steuert."
Für das Gros der Menschen (Ausnahmen sind extreme Frühaufsteher oder Nachteulen) ist der ideale Zubettgeh-Zeitpunkt um etwa 22 bis 23 Uhr. "Der Ermüdungsfaktor kann sich optimal entfalten." Wer seinen Rhythmus dauernd missachtet, bekommt das zu spüren: "Man ist unrund – gerät in ein Stimmungstief."
Schlafmuster entdecken
Holzinger sieht in der Krise einen "Anlass für eine Schlafrevolution". Auf der Website des Institutes für Bewusstseins- und Traumforschung (schlafcoaching.org und traum.ac.at) kann der individuelle Schlafrhythmus per Fragebogen erforscht werden. Abendliche Rituale – etwa das Zubereiten einer Honigmilch – fördern das Einschlafen. Im Gegensatz zu übermäßigem Alkoholkonsum.
Im Winter rät Holzinger zu Saunabesuchen, die den Wärmestoffwechsel begünstigen, Sport sollte bei Tageslicht ausgeübt werden. "Natürliches Licht fördert später die Melatoninproduktion." Nicht zuletzt gelte es, sich Zeit fürs Schlafen zu nehmen – "und dem eigenen Schlafgefühl zu vertrauen".
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