BA.2 schon diese Woche dominant: Was das für Österreich bedeutet
Schon diese Woche, so prognostizierte es unter anderem der Virologe Andreas Bergthaler, wird die Variante BA.2 in Österreich dominant werden. BA.2 ist dann für mehr als 50 Prozent aller Neuinfektionen verantwortlich. Was bedeutet das für Österreich? Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen.
Ist durch BA.2 mit mehr Neuinfektionen zu rechnen?
BA.2 ist deutlich ansteckender als BA.1. Eine kürzlich als Preprint, also noch nicht von Fachkollegen begutachtete, veröffentlichte japanische Studie zeigt, dass BA.2 1,4 Mal ansteckender ist als BA.1. Laut einer dänischen Studie ist das Infektionsrisiko für BA.2 doppelt so hoch wie bei BA.1. BA.2 verbreitet sich also schneller als BA.1 und wird daher voraussichtlich in Österreich zu einem Ansteigen der Fälle bzw. einer Verlängerung der aktuellen Omikron-Welle führen. Ein ähnlicher Effekt wird in Deutschland erwartet - das deutsche Robert-Koch-Institut (RKI) geht davon aus, dass durch die voranschreitende Ausbreitung und leichtere Übertragbarkeit von BA.2 "eine langsamere Abnahme oder eine erneute Zunahme der Fallzahlen nicht auszuschließen" sei. Der österreichische Mikrobiologe Ullrich Elling beschreibt es auf Twitter so: "BA.2 wird also die 2. Omikron Raketenstufe zünden."
Kommt es bei BA.2 zu schweren Verläufen?
Erste Berichte aus Dänemark deuteten darauf hin, dass BA.2 zu ähnlichen Krankheitsverläufen führt wie BA.1. In Dänemark zeigte sich kein Unterschied hinsichtlich Spitalsaufenthalten, wie das Staten-Serum-Institut (SSI), das in Dänemark für das Corona-Monitoring zuständig ist, bekannt gab. Der deutsche Virologe Christian Drosten griff zu einem bildhaften Vergleich: "Der eine Mercedes sieht irgendwie ganz spießig aus und der andere Mercedes hat so Spoiler dran. Aber es ist immer noch ein Mercedes und auch immer noch das gleiche Modell.“ Aber BA.2 habe "schon ein paar PS mehr", so Drosten.
Einen Unterschied in der Pathogenität, wie also die Krankheit verläuft, entdeckten hingegen die japanischen Wissenschaftler. Sie untersuchten Hamstermodelle und fanden heraus, dass die Tiere bei BA.1 keine Probleme mit der Sauerstoff-Sättigung hatten. Bei BA.2 war dies jedoch der Fall. Die Viruslast im Lungenbereich war erheblich größer als bei früheren Varianten. Zwar ist dies nicht unbedingt auf Menschen übertragbar, kann aber ein Hinweis sein.
Eric Topol, US-Molekularmediziner in Kalifornien, twitterte indes eine südafrikanische Studie, die darauf hinweist, dass BA.2 nicht mit einer Zunahme des klinischen Schweregrades verbunden ist. Allerdings ist die Immunität in Südafrika durch starke frühere Wellen stärker ausgeprägt als in vielen europäischen Ländern.
Erste, einzelne Berichte aus Österreich geben Hinweise, dass es Unterschiede geben könnte. Die oberösterreichische Allgemeinmedizinerin Lisa-Maria Kellermayr twitterte etwa, dass sie mehr Spitalseinweisungen als bei BA.1 beobachte.
Noch fehlen also ausreichend klinische Daten, um endgültig beantworten zu können, ob BA.2 zu schwereren Verläufen führt.
In Dänemark sind die Todesfälle seit dem Aufheben der Maßnahmen deutlich gestiegen. Wie ist das zu erklären?
Die Antwort darauf ist laut dem Statens Serum Institut simpel: Als Covid-Tote gelten in Dänemark all jene, die innerhalb von 30 Tagen nach einer Infektion versterben. Erfasst werden in der Statistik daher also nicht nur jene, die tatsächlich wegen einer Covid-19-Infektion verstorben sind, sondern auch jene, die zwar infiziert waren, aber eigentlich eine andere Todesursache aufweisen, etwa einen Autounfall. Veranschaulicht wird dies in einer Grafik des Statens Serum Institut, die auf Twitter veröffentlicht wurde. Darin macht die Unterscheidung zwischen jenen, die "mit" Covid gestorben sind und jenen, die "an" Covid gestorben sind, deutlich, dass die Todesfälle, die durch Covid verursacht wurden, in den vergangenen Wochen nicht gestiegen, sondern in etwa gleichgeblieben sind.
In der kürzlich veröffentlichten japanischen Studie (Preprint) wurden vier Charakteristika von BA.2 identifiziert:
- Höhere Reproduktionszahl – 1,4 Mal höher als bei BA.1. Die Reproduktionszahl gibt an, wie viele Personen eine infizierte Person im Schnitt ansteckt
- Entzieht sich mehr den Abwehrmechanismen des Immunsystems durch Impfung oder Genesung
- Erneute Infektion nach einer BA.1-Infektion möglich
- Höhere Pathogenität – zumindest bei Hamstern erfolgte eine schnellere und umfangreichere Lungenschädigung als durch BA
Kann man sich erneut anstecken, wenn man bereits mit Omikron BA.1 infiziert war?
In den japanischen Versuchen mit Hamstern und Mäusen schützte eine überstandene BA.1-Infektion nicht vor einer weiteren Infektion mit BA.2. Schon frühere Studien lieferten Hinweise, dass wer BA.1 hatte, besser vor einer neuerlichen BA.1-Infektion geschützt ist, als vor einer Infektion mit BA.2. Laut WHO ist allerdings noch nicht eindeutig geklärt, ob eine neuerliche Infektion mit BA.2 nach einer Infektion mit BA.1 wahrscheinlich ist. Mehrere Hinweise gibt es hingegen, dass BA.1-Genesene - außer sie sind zusätzlich geimpft - kaum gegen frühere Varianten geschützt sind.
Schützen die bisher zugelassenen Impfungen vor BA.2?
Ja. Der Schutz vor symptomatischen Infektionen ist nach der Boosterimpfung bei BA.1 und BA.2 ersten Daten zufolge vergleichbar, twitterte etwa der Infektiologe und Impfstoffforscher der Berliner Charité, Leif-Erik Sander. Er bezieht sich auf britische Daten der UK Health Security Agency (UKHSA), die die Wirksamkeit des Impfstoffs von Biontech/Pfizer belegen. Demnach schütze der Impfstoff gegen symptomatische Infektionen durch BA.2 mindestens 25 Wochen nach zwei Dosen mit 13 Prozent (gegenüber neun Prozent für BA.1). Zwei Wochen nach einer dritten Auffrischungsdosis stieg die Wirksamkeit auf 70 Prozent (63 Prozent bei BA.1). Dies zeigt die Wichtigkeit des Boosters und sei "beruhigend", wie der deutsche Immunologe Carsten Watzl kommentierte.
Wirken bisherige Medikamente gegen BA.2?
Kaum. Untersuchungen zeigen, dass bisher erfolgreiche Medikamente in ihrer Wirksamkeit herabgesetzt sind. Dies war bereits bei BA.1 der Fall, außer beim Medikament Sotrovimab. Dieses, vertrieben unter dem Handelsnahmen Xevudy des deutschen Pharmaunternehmens GSK, wirkte auch gegen BA.1 gut, wenn auch dreimal schlechter als gegen Delta. Gegen BA.2 wirkt die monoklonale Antikörpertherapie jedoch nicht ausreichend. Sotrovimab hatte eine um das 27-fache geringere Wirksamkeit gegen BA.2.
Soll BA.2 als eigene Variante anerkannt werden?
Einige Wissenschaftler fordern einen griechischen Buchstaben für BA.2, sodass klar wird, dass es sich um eine eigene Variante handelt und nicht um einen Ableger von Omikron. Das globale Risiko sei laut den japanischen Forschern höher als bei BA.1: "Unsere Daten zeigen, dass BA.2 sich virologisch von BA.1 unterscheidet und untermauern, dass BA.1 einen eigenen Buchstaben des griechischen Alphabets erhalten sollte, um es vom BA.1, der als Omikron bekannten Variante, zu unterscheiden." Zustimmung erhalten sie von internationalen Experten. Die WHO, die über die Vergabe der griechischen Buchstaben entscheidet, hat sich bisher nicht dazu geäußert.
Griechische Buchstaben
Die WHO unterscheidet besorgniserregende Varianten (variants of concern) sowie solche unter besonderer Beobachtung (variants of interest). Zunächst wurden die Varianten danach benannt, wo sie als Erstes auftraten, etwa die "britische" Variante. Dies sei jedoch stigmatisierend und diskriminierend, weshalb sich die WHO für neutrale Namen aus dem griechischen Alphabet entschied.
Bereits vergeben
Bisher vergeben wurden Alpha, Beta, Gamma, Delta und Omikron für besorgniserregende Varianten sowie Lambda und My für solche unter besonderer Beobachtung. Die Buchstaben Ny und Xi wurden nicht vergeben – Xi, da die WHO angeblich den chinesischen Staatspräsidenten nicht brüskieren wollte und Ny, weil es dem englischen Wort "new" zu nahe ist.
Wie ist BA.2 entstanden?
Dazu gibt es bisher nur Vermutungen. Insgesamt gibt es drei BA-Stämme von Omikron, BA.1, BA.2 und BA.3. Alle drei wurden in der Provinz Gauteng in Südafrika entdeckt, sodass vermutet wird, dass sie zu einem ähnlichen Zeitpunkt entstanden. Möglich wäre, dass Omikron von einem tierischen Wirt auf den Menschen übergegangen ist. Mittlerweile konnten Covid-Infektionen etwa bei Katzen, Löwen, Rehen und anderen Tieren nachgewiesen werden. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass Omikron durch ein Verschmelzen von zwei verschiedenen Coronaviren entstanden ist. Das kann passieren, wenn jemand zur gleichen Zeit mit beiden Viren infiziert ist. Es kann aber genauso gut sein, dass Omikron durch spontane Mutation entstanden ist – dies passiert am ehesten, wenn das Virus lange im Körper zirkulieren kann, also bei langer Infektionszeit. Das ist eher bei Ungeimpften, schlecht geschützten Personen, weniger bei Geimpften der Fall.
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