Noch ist allerdings unklar, wie genau das neue Testsystem abgewickelt wird – Rauch gab lediglich bekannt, dass die Bundesländer stark eingebunden sein sollen. "Alles gurgelt" meldete bereits mehr als 1.000 Mitarbeiter zur Kündigung an.
Wichtige Säule
Für Public Health Experten Hans-Peter Hutter sind fünf PCR-Tests zwar besser als nichts, er hätte das flächendeckende Testen aber gerne beibehalten. "Nach den Lockerungen, dem Erliegen der Impfungen und des Contact Tracing war das Testsystem noch eine wichtige Säule. Auch wenn es Schwachstellen hat, etwa dass man 24 Stunden auf sein Ergebnis warten muss, hilft es uns, einen gewissen Anteil an Menschen, die infektiös sind, frühzeitig aus den Infektionsketten zu nehmen", sagt Hutter. Für den Mediziner wäre Testen etwa in der Nachtgastronomie wichtig, etwa im Sinn einer 1-G-Regel, um Infektionen zu reduzieren.
Berechnungen der Wirtschaftskammer Wien zeigen, dass das breitflächige PCR-Testen in WIen 20.000 Infektionen pro Monat verhindert habe. Die 'Alles Gurgelt'-PCR-Tests in Wien seien bereits ab 2.400 verhinderten Infektionen monatlich wirtschaftlich – das heißt laut Wirtschaftskammer Wien der Nutzen aufgrund weniger Quarantäne- bzw. Krankenstandstagen, weniger Krankenhauskosten und weniger Therapiekosten für Long-Covid übersteigt die Kosten deutlich.
"Jeder PCR-Test bedeutet weniger Ansteckungsgefahr, kürzere Quarantäne und mehr Sicherheit für die Wienerinnen und Wiener. Es ist wirtschaftlich nicht nachvollziehbar, dass jetzt die Anzahl der Tests pro Person limitiert wird und nicht die Höhe der Kosten. Das Wiener 'Alles gurgelt'-Testmodell ist bezogen auf einen Test um ein Vielfaches billiger als alternative Verfahren“, verweist Walter Ruck, Präsident der Wirtschaftskammer Wien, in einer Aussendung auf die Kosten von rund 7 Euro je PCR-Test in Wien im Vergleich zu 25 Euro für Apothekentests.
Aus epidemiologischer Sicht sei das Testen laut Hans-Peter Hutter auch ein wichtiger Eckpfeiler, um das Infektionsgeschehen zu beobachten. "Oft werden die Kosten als Argument angeführt, aber man muss auch gegenrechnen, was das Testen an Kosten erspart. Personen, die aufgrund einer Infektion ins Krankenhaus müssen, kosten auch etwas", so Hutter. In den Gesprächen, an denen er beteiligt war, hat sich Hutter für einen Solidaritätsbeitrag für Ungeimpfte ausgesprochen. "Weil es sich beim Testen um eine Serviceleistung handelt, die wir alle bezahlen und Ungeimpfte einen geringeren Beitrag leisten, dass wir aus der Pandemie herauskommen."
Fünf Tests gar nicht nötig?
Eine Berechnung des emeritierten Universitätsprofessors Erich Neuwirth zeigt wiederum, dass fünf PCR-Tests und fünf Antigentests pro Person statistisch gesehen mehr wären als derzeit in Anspruch genommen wird. "In den vergangenen vier Wochen wurden (ohne Schul- und Apothekentests) in ganz Österreich 11.998.543 PCR- und 3.388.670 (Anm.: Antigentests) offiziell durchgeführt. Umgerechnet auf die Gesamtzahl der Einwohner sind das 1,3 PCR- und 0,35 AG-Tests pro Person (in 4 Wochen)", twitterte Neuwirth.
Die Unterschiede zwischen den Bundesländern seien dabei enorm: In Kärnten waren es etwa 0,27 PCR-Tests und 0,14 Antigen-Tests pro Person, in Wien 3,5 PCR- und 0,038 Antigentests pro Person. "Nähme jeweils die Hälfte der Einwohner die 5 Tests pro Monat in Anspruch, dann kämen wir bei PCR auf etwas weniger als das doppelte der Zahl der vergangenen 4 Wochen und bei den AG-Tests 6,5-fache."
Das liegt daran, dass die Tests derzeit sehr unterschiedlich genutzt werden. In Wien hat sich aktuellen Zahlen zufolge in der Vorwoche ein knappes Drittel mittels "Alles gurgelt" testen lassen (619.000 von 1,9 Millionen Menschen). Die meisten, mehr als die Hälfte hat nur einen Test abgegeben, ein weiteres gutes Viertel hat zwei Tests auswerten lassen, zwölf Prozent haben drei Tests abgegeben, fünf Prozent vier und 3,5 Prozent fünf oder mehr Tests. Die unterschiedliche Verteilung liegt auch daran, dass in manchen Berufsgruppen regelmäßige Tests vorgeschrieben sind, etwa bei Betreuungspersonal im Kindergarten oder im Gesundheitswesen.
Noch länger hohe Zahlen
Für Hutter fällt nach den Lockerungen der Maßnahmen, dem Stagnieren bei Impfungen und dem Erliegen des Contact Tracings mit dem flächendeckenden Testen eine weitere Säule zur Bekämpfung der Epidemie weg. Er geht davon aus, dass uns die aktuell hohen Infektionszahlen noch länger begleiten werden und rechnet erst Anfang Mai mit einem stabilen Niveau. "Es wird zu einem Absinken bis Mai kommen, aber Neuinfektionen um die 50.000 pro Tag werden uns bis dahin noch länger begleiten."
Auch Kollaritsch rechnet damit, dass die hohen Zahlen andauern werden. "Ich gehe davon aus, dass die Osterfeiertage zum Infektionsgeschehen weiter beitragen werden. Man darf nicht vergessen, dass wir jetzt in der Bevölkerung durch die Lockerungen das Gefühl hervorrufen, alles wäre vorbei. Sehr sehr viele haben verständlicherweise keine Lust mehr, sich eigenverantwortlich zu schützen", so Kollaritsch.
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