Affenpocken-Superspreader-Event: Was auf Gran Canaria passierte
Die Ausbreitung der Affenpocken könnte im Mai durch eine Veranstaltung auf der Insel Gran Canaria gefördert worden sein.
17.07.22, 12:36
Die erste Infektion betraf am 7. Mai in London einen Reiserückkehrer aus Nigeria: Wahrscheinlich hatte er das Affenpocken-Virus aus dem westafrikanischen Land eingeschleppt. Patient Null war er jedoch nicht: Laut dem Deutschen Ärzteblatt weisen Untersuchungen der spanischen und deutschen Behörden eher auf ein Superspreader-Ereignis im Mai auf der spanischen Urlauberinsel Gran Canaria hin.
Erst diese Woche stieg die Anzahl der weltweit bestätigten Affenpockenfälle auf mehr als 10.000, auch in Österreich erhöhte sich die Anzahl der bestätigten Fälle von 62 in der Vorwoche auf 83 Fälle diese Woche. Das Gesundheitsministerium veröffentlichte die Empfehlungen des Nationalen Impfgremiums (NIG): Eine Impfung gegen die Virus-Erkrankung wird derzeit nur bestimmten Risikogruppen wie Labormitarbeitern sowie Menschen, die direkt mit dem Virus in Kontakt gekommen sind, empfohlen.
Die Übertragung verläuft über Berührung der Pusteln, über Tröpfchen aus der Atemluft bei engem Kontakt und durch kontaminierte Materialien wie z. B. Bettwäsche. Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung galt vor dem Ausbruch als selten.
Die Ausbrüche betreffen vor allem Männer, die Sex mit Männern haben (Anm: Men who have Sex with Men, MSM) und in letzter Zeit mit neuen oder mehreren Partnern Sex hatten, wie zwei Berichte in Eurosurveillance (hier der zweiten Bericht auf Englisch) vermuten lassen. Die Infektionen lassen sich häufig nicht zurückverfolgen, was die Eindämmung der Epidemie erschweren dürfte. Um homosexuelle Männer nicht zu stigmatisieren, wird in der Wissenschaft ausschließlich von Männern gesprochen, die Sex mit Männern haben. Da es sich um ein Verhalten handelt und dem Virus die sexuelle Orientierung egal ist. Auch Frauen können erkranken.
Warum Affenpocken oft Männer betreffen, die Sex mit Männern haben: Das Virus konnte sich in der Vergangenheit nicht gut zwischen Menschen verbreiten, hat aber vielleicht eine Nische in sexuellen Netzwerken gefunden. Hinzu kommen eine lange Inkubationszeit sowie eine mögliche Übertragung von asymptomatischen Fällen.
Was passierte auf Gran Canaria? Das Deutsche Ärzteblatt zeichnet die Geschehnisse nach.
direkter Kontakt mit dem Ausschlag von Affenpocken-Infizierten (z.B. Bläschen, Schorf)
direkter Kontakt mit Körperflüssigkeiten von Affenpocken-Infizierten
direkter Kontakt mit Schleimhäuten von Affenpocken-Infizierten
Tröpfcheninfektion bei direktem engen Kontakt von längerer Dauer
direkter Kontakt mit Virus-kontaminierten Objekten (z.B. Bettwäsche, Kleidung)
vermutlich über die Plazenta (von der Mutter auf den Fötus)
vermutlich über den Geburtsvorgang (von der Mutter auf den Fötus)
Nach aktuellem Wissensstand findet die Übertragung von Mensch zu Mensch nur statt, während Symptome vorliegen, jedoch nicht in der Inkubationszeit.
Quelle: Österreichisches Gesundheitsministerium
Auf der Mittelmeer-Insel fand vom 5. bis 15. Mai die "Gay Pride Maspalomas" statt: Im dritten Jahr der Pandemie war die Feierlaune groß, denn das Event musste 2020 und 2021 abgesagt werden. Besucher der Mega-Party waren später sowohl in Madrid (27 Patienten) als auch in Berlin und anderen deutschen Städten (15 Patienten) unter den Infizierten. Der Anteil an den Infizierten (Stichtag 22. Juni: 508 in Madrid, 521 in Deutschland) war jedoch gering.
In Madrid hatte es mit 34 Besuchern einer Sauna zudem ein zweites Superspreader-Ereignis gegeben. In Spanien entfielen 99 Prozent der Infektionen auf die Risikogruppe der MSM. Die Infizierten waren zwischen 16 und 67 Jahre alt - 84,1 Prozent hatten ungeschützten Sex in den drei Wochen vor Auftreten der ersten Symptome.
Laut Befragungen des spanischen Gesundheitsministeriums infizierten sich die meisten Personen in Privatwohnungen: Von den etwa 1.100 Sexualkontakten, die die Epidemiologen recherchieren konnten, entfielen 48,7 Prozent auf unbekannte Sexualpartner. Massenveranstaltungen hatten nur 14,4 Prozent der Befragten besucht, dort kam es dann jedoch häufiger zu ungeschütztem Sex mit wechselnden Partnern.
Anfangs teilweise unspezifische Symptome:
Fieber
Schüttelfrost
Kopf-, Rücken und Muskelschmerzen
geschwollene Lymphknoten
Erschöpfung
Hautveränderungen nach 1 bis 3 Tagen:
Ausschlag:
ausgehend von der Stelle der Infektion über den Körper
ausgehend vom Gesicht über den Körper
im Gesicht, an den Händen und Unterarmen
im Mund und Rachenraum
im Genitalbereich
auf den Augen
teilweise stark juckend oder schmerzhaft
durchläuft die typischen Stadien: Flecken, Bläschen, Pusteln und Krusten
Im weiteren Verlauf:
Bildung von Krusten
Abfallen der Krusten
Der Inhalt der Bläschen ist hochinfektiös. Ansteckungsfähigkeit besteht, so lange Krusten vorhanden sind. Im Durchschnitt sind dies drei Wochen.
Quelle: Österreichisches Gesundheitsministerium
Bei den deutschen Fällen mit Stichtag 22. Juni handelte es sich ausnahmslos um Männer im Alter von 20 bis 67 Jahren: Bei jenen Fälle, wo eine Klärung möglich war, erfolgte die Ansteckung durch Sexualkontakte mit anderen Männern.
Auffallend ist, dass in den ersten drei Wochen (2. bis 22. Mai) die Hälfte der Infizierten ins Ausland gereist war, die meisten davon nach Spanien und dort nach Gran Canaria. Dies lässt vermuten, dass die Viren von dort eingeschleppt wurden, so das medizinische Fachportal. Allerdings gab es bei den ersten beiden Infizierten aus Deutschland keine Reisetätigkeit.
Anders als in Österreich rät die deutsche Ständige Impfkommission MSM zu einer Impfung mit dem Pockenimpfstoff Imvanex.
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