Abnehmmittel "Wegovy": Wann wird es in Österreich erhältlich sein?
In den USA sorgte es für einen Hype - zumal der Tech-Milliardär Elon Musk und auch andere Promis ihre Abnehmerfolge auch darauf zurückgeführt haben: Das appetitzügelnde Medikament "Wegovy" des dänischen Herstellers Novo Nordisk. Ab heute, Montag, ist es auch in Deutschland von Ärztinnen und Ärzten verschreibbar. In den Apotheken wird es dann in den kommenden Tagen erhältlich sein. Für Österreich ist hingegen noch offen, ab wann das Präparat verfügbar sein wird.
"Wir arbeiten daran, Wegovy auch für Österreich so schnell wie nur möglich verfügbar zu machen, aber einen genauen Zeitplan gibt es noch nicht", hieß es am Montag auf KURIER-Anfrage bei der Österreich-Niederlassung von Novo Nordisk in Wien. Die Nachfrage sei weltweit sehr hoch, "wir können nur Schritt für Schritt vorgehen". In Fachkreisen geht man davon aus, dass in diesem Jahr nicht mehr mit einer Markteinführung in Österreich zu rechnen ist.
Auch in einer dem KURIER übermittelten schriftlichen Stellungnahme heißt es: "Wir arbeiten daran, das Medikament auch in Österreich auf den Markt zu bringen und bauen unsere Produktionskapazitäten weiter aus, können zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch keine Informationen zu Markteinführungen in weiteren Ländern geben."
Das erste europäische Land, in dem Wegovy verfügbar war, war Dänemark - dort hat Novo Nordisk seinen Hauptsitz. Danach folgten Norwegen und jetzt eben Deutschland. Als nächstes Land wird Großbritannien folgen. Auch in den USA ist Wegovy erhältlich.
Wegovy ist von der Europäischen Arzneimittelagentur EMA "als Ergänzung zu einer kalorienreduzierten Ernährung und verstärkter körperlicher Aktivität zur Gewichtsregulierung, einschließlich Gewichtsabnahme und Gewichtserhaltung" unter folgenden Voraussetzungen zugelassen:
- Ein Body-Mass-Index von 30 oder mehr - dabei handelt es sich um Adipositas, also sehr starkem Übergewicht.
- Ein Body-Mass-Index von 27 oder mehr, also Übergewicht, wenn mindestens eine durch das Gewicht bedingte Begleiterkrankung vorliegt (Prädiabetes, Diabetes mellitus Typ 2, Bluthochdruck, erhöhte Blutfette, obstruktive Schlafapnoe oder eine Herz-Kreislauf-Erkrankung).
Wegovy enthält den Wirkstoff Semaglutid, der die Wirkung des körpereigenen Hormons GLP-1 nachahmt. Er senkt den Blutzuckerspiegel und erhöht das Sättigungsgefühl. Das Hungergefühl wird reduziert, die Magenentleerung verlangsamt. Verabreicht wird es als Injektionslösung in einem Fertigpen und muss einmal in der Woche unter die Haut gespritzt werden.
In einer Studie, die im New England Journal of Medicine publiziert wurde, zeigte sich, dass die Probanden, die Wegovy eingenommen hatten, nach 68 Wochen ihr Gewicht im Schnitt um 15 Prozent reduzieren konnten. Allerdings in Kombination mit einer Lebensstilintervention, das heißt einer Ernährungsumstellung und mehr körperlicher Bewegung. In der Vergleichsgruppe, die ein Placebo (ein wirkungsloses Scheinpräparat) erhielt, waren es nur zwei Prozent Gewichtsabnahme.
Als "sehr häufige Nebenwirkungen" (kann mehr als einen von zehn Behandelten betreffen) werden in der Gebrauchsinformation Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Verstopfung, Bauchschmerzen sowie Schwächegefühl oder Müdigkeit angegeben. "Diese werden hauptsächlich während der Dosissteigerung beobachet und verschwinden normalerweise mit der Zeit."
In Deutschland gab Novo Nordisk den Apothekenabgabepreis einer 4-Wochen-Ration für die höchste Dosis (2,4 mg) Wegovy mit gut 300 Euro an.
Was Wegovy und Ozempic unterscheidet
Semaglutid ist auch der Wirkstoff in dem Präparat Ozempic, allerdings in geringerer Dosis. Ozempic hat ausschließlich eine Zulassung als Diabetes-Medikament, "das zusätzlich zu Diät und Bewegung zur Behandlung von Erwachsenen angewendet wird, deren Typ-2-Diabetes nicht hinreichend eingestellt ist", wie es in der Zulassung heißt. Ozempic ist chefarztpflichtig, die Kosten werden bei Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 unter bestimmten Voraussetzungen von der Sozialversicherung übernommen.
Ozempic hat im Gegensatz zu Wegovy keine Zulassung für eine Adipositas-Therapie, ein entsprechender Einsatz ist also ein Off-Label-Use, heißt es bei Novo Nordisk, eine Verordnung außerhalb des durch die Arzneimittelbehörden zugelassenen Gebrauchs. Generell sind die Kosten für eine reine Behandlung zur Gewichtsreduktion (ohne Typ 2 Diabetes) selbst zu tragen.
Bedarf mit Ozempic kann nicht gedeckt werden
Laut dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) kann derzeit "der Bedarf der Patientinnen und Patienten im Inland mit dieser Arzneispezialität nicht gedeckt werden, obwohl nach Angaben des Zulassungsinhabers keine Einschränkung der Vertriebsfähigkeit vorliegt", heißt es auf der BASG-Homepage. Der Grund sei ein "erhöhter Mehrbedarf".Das bestätigt auch Andreas Windischbauer, Vorstandsvorsitzender des Arzneimittelgroßhändlers Herba Chemosan Apotheker AG und Präsident des Verbands der Österreichischen Arzneimittelvollgrosshändler (Phago): "Wir haben viel zu wenig Ware. Wir verteilen nur das, was da ist, damit wir eine halbwegs flächendeckend gleiche Verteilung in Österreich haben, aber der Bedarf ist riesengroß, und die Menge ist viel zu klein dafür, das ist die derzeitige Situation." Die Nachfrage sei viel zu hoch für die Menge, die zur Verfügung stehe.
In einer Stellungnahme von Novo Nordisk gegenüber dem KURIER heißt es: "Die unerwartet hohe weltweite Nachfrage nach Produkten der GLP-1-Rezeptoragonisten überschreitet die derzeitigen Produktionskapazitäten. Dies hat Lieferengpässe zur Folge, die dazu führen können, dass die Medikamente Ozempic und Saxenda (ebenfalls ein Abnehmmedikament, mit dem Wirkstoff Liraglutid, Anm.) in verschiedenen Dosierungen in einigen Apotheken zeitweise nicht verfügbar sind. Patient:innen, die ihr Rezept in der Apotheke nicht einlösen können, sollten sich an ihre:n behandelnde:n Ärzt:in wenden. Wir erhalten weiterhin Lieferungen nach Österreich und haben unsere Produktionsanlagen nun rund um die Uhr in Betrieb. Zusätzlich bauen wir unsere Produktionskapazitäten weiter aus."
Beide Medikamente stehen unter Beobachtung
Die beiden Medikamente Wegovy und Ozempic stehen derzeit unter "additional monitoring" - zusätzlicher Beobachtung - durch die Europäische Arzneimittelagentur EMA. Sie werden damit "noch intensiver überwacht als andere Arzneimittel", heißt es auf der EMA-Homepage.
So prüft die EMA gerade Daten über das Risiko von Selbstmordgedanken und Gedanken an Selbstverletzungen - der KURIER berichtete. Allerdings ist laut EMA noch nicht klar, ob die gemeldeten Fälle mit den Arzneimitteln, mit den Grunderkrankungen der Patienten oder mit anderen Faktoren zusammenhängen.
In einer Stellungnahme von Novo Nordisk hieß es, die eigene Sicherheitsüberwachung habe bislang keinen "kausalen Zusammenhang" zwischen den selbstverletzenden Gedanken und den Medikamenten festgestellt.
Fachgesellschaften wie die Österreichische Adipositas Gesellschaft warnen generell davor, diese Medikamente als "Abnehm- und Diät-Wundermittel" zu sehen. Dadurch würden falsche und übertriebene Erwartungen geweckt. Es handle sich um keine Lifestyle-Präparate.
Im Zuge der Markteinführung von Wegovy in Deutschland betonen Expertinnen und Experten auch, dass diese Präparate nicht dafür gedacht sind, rasch vor einem Strandurlaub einige Kilos abzunehmen. In solchen Fällen stimme das Nutzen/Risiko nicht mehr. Gleichzeitig werde dadurch die Problematik verstärkt, dass wirklich kranke Menschen nicht oder nur sehr schwer die Präparate erhalten können.
Auf diese Problematik weist auch die Herstellerfirma hin: "Novo Nordisk spricht sich klar für einen verantwortungsvollen Umgang mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln aus, um eine bestmögliche Versorgung für Patient:innen sicherzustellen, die aus medizinischen Gründen auf das Medikament angewiesen sind."
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