Wie Bobby Fischer im Kalten Krieg die Sowjetunion besiegte

Boris Spasski und Bobby Fischer bei ihrer letzten Partie der Schach-Weltmeisterschaft am 31. August 1972
Vor 50 Jahren wurde das Schach-WM-Duell Spasski – Fischer zum weltweit beachteten Politikum

Als Bobby Fischer am Vormittag des 1. September 1972 in Reykjavik erwachte, war er im Schlaf Schach-Weltmeister und ein US-Nationalheld geworden. Sein Gegner Boris Spasski hatte kurz zuvor dem Schiedsrichter telefonisch seine Aufgabe verkündet. Fischer hatte eine Nebenfront des Kalten Krieges für sich, für die USA, für den gesamten Westen, entschieden.

Die Öffentlichkeit hatte das Brettspielduell zum „Kampf der Systeme“ hochstilisiert. Dabei waren die beiden Protagonisten keineswegs politische Player. Fischer mochte die Sowjets aus verschiedenen Gründen nicht – so war seine Mutter Regina, zu der er ein schwieriges Verhältnis hatte, Kommunistin –, interessierte sich aber in erster Linie für Schach, für sich selbst und für Geld. Und Spasski war beileibe kein kommunistischer Finsterling, ja nicht einmal Mitglied der KPdSU. Aber die Umstände waren ideal für diese Inszenierung.

 

Stellvertreterkrieg

Der Denksport Schach war für die Kommunisten seit Lenin („Schach ist Gymnastik des Verstandes“) ein Mittel gewesen, das Proletariat für den Klassenkampf geistig zu schulen und die Überlegenheit ihres Systems zu beweisen. Sie hatten ihn gefördert und zum Volkssport gemacht: Mehr als 4 Millionen registrierte Schachspieler gab es in der UdSSR, nur etwas mehr als 30.000 in den USA. Der Verlust der Krone des Königlichen Spiels bedeutete also eine enorme Demütigung: Seit 1948 war sie in sowjetischer Hand gewesen, und nach Fischer würde sie bis zum Zerfall des Riesenreiches auch wieder dorthin wandern.

Obwohl im Kalten Krieg die Zeichen gerade eher auf Entspannung standen, war es eine Prestigesache, in die ein Amerikaner eindringen konnte, ohne dass die USA dabei viel riskieren mussten. Denn Fischer war ein Eigenbrötler und nahm ohnehin keine Unterstützung an. Oberflächlich betrachtet verkörperte er den amerikanischen Traum: Aus schwierigen Verhältnissen kommend, hatte der 29-Jährige seinen Erfolg allein aus eigener Kraft erreicht, trat selbstbewusst und gut gekleidet auf, ließ sich nichts gefallen.

Ihm gegenüber saß mit dem um sechs Jahre älteren Titelverteidiger Spasski jemand, der von Kind auf durch die „Sowjetische Schachschule“ gefördert worden und dem eine Riege an Weltklassespielern zur Seite gestellt worden war. Fischer musste es also mit dem ganzen sowjetischen System aufnehmen (dessen Akteure freilich teilweise heillos zerstritten waren). Er hatte sogar Russisch gelernt, um der Schachliteratur folgen zu können.

Kommentare