Bitter: Zweite Millionenpleite der Textilkette Charles Vögele Austria

Bitter: Zweite Millionenpleite der Textilkette Charles Vögele Austria
Die Charles Vögele Austria stellte einen Konkursantrag. Das Unternehmen soll liquidiert werden. 394 Mitarbeiter verlieren ihre Jobs.

Diese Rechnung dieses namhaften internationalen Sanierers ist am Ende überhaupt nicht aufgegangen. Über das Vermögen von Charles Vögele Austria GmbH (CVA) wurde bereits am 31. Juli 2018 ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet, welches mit gerichtlichem Beschluss vom 7. November 2018 durch einen rechtskräftig bestätigten Sanierungsplan aufgehoben wurde. Die Textilkette war von der niederländischen GAEBB Groupe BV, einem auf Sanierungen von Handelsketten spezialisierten Investor, samt 500 Mitarbeitern übernommen worden. Die GAEBB gehört zum Münchner Division GA Europe des Sanierungsfonds Great American Group.

Im Zuge dieses Sanierungsverfahrens wurde das Filialnetz "unter Ausnutzung der insolvenzrechtlichen Auflösungsprivilegien" auf 57 Standorte reduziert. Ursprünglich hatte Vögele laut Gerhard Weinhofer vom Gläubigerschutzverband Creditreform hierzulande 711 Mitarbeiter in 127 Filialen.

Bitter: Zweite Millionenpleite der Textilkette Charles Vögele Austria

Aussendung des Investors zum Vögele-Kauf

Querelen mit dem strategischen Investor

"Ziel war es, das Unternehmen mit Unterstützung des neuen Gesellschafters, der u.a. die Warenversorgung im Umfang von 15 Millionen Euro sichergestellt hat, zu restrukturieren und für einen strategischen Partner, mit einem langfristigen Interesse attraktiv zu machen", heißt es aus dem Unternehmen. Tatsächlich konnte GAEBB einen Kaufvertrag mit einem strategischen Investor abschließen. 30 Filialen sollten unter einer neuen Marke fortgeführt werden. Ab 23. April 2019 sollte der Investor die Filialen mit Waren bestücken. Ende April soll nun der Investor mitgeteilt haben, dass 27 Filialen nicht mit Waren ausstattet "ohne dass GAEBB Group BV weitere finanzielle Mittel zur Verfügung stellt".

Bitter: Zweite Millionenpleite der Textilkette Charles Vögele Austria

Screenshot/Homepage

Vom Kauf- und Abtretungsvertrag zurücktreten

GAEBB konnte diese Forderungen nicht erfüllen und musste vom Kauf- und Abtretungsvertrag zurücktreten. Die Filialen können seitdem nicht mehr mit Waren versorgt werden. Zugleich können aber auch keine ausreichenden Deckungsbeiträge erzielt werden, um die Fixkosten, sprich Mieten und Personal, zu bedienen. Somit fehlt auch eine positive Fortbestehungsprognose.

"Eine Fortführung des schuldnerischen Unternehmens ist nicht angedacht", heißt es dazu vom KSV1870. Das Unternehmen schlitterte unter den Händen der Sanierer erneut in die Pleite.

Schließung beschlossen

"Leider sind die Verkaufsverhandlungen trotz intensivster Bemühungen nunmehr gescheitert, womit die kurz- und mittelfristige Warenversorgung für die verbleibenden 57 Filialen nicht mehr im erforderlichen Ausmaß sichergestellt werden konnte", teilt das Unternehmen Charles Vögele Austria heute, Freitag, mit. "Das Unternehmen soll nun im Zuge des Insolvenzverfahrens abgewickelt werden. Betroffen sind 394 Mitarbeiter, davon 30 in der Zentrale. Vorrangiges Ziel ist es, für die 394 Dienstnehmer durch die rasche Übertragung geschlossener bzw. zu schließender Filialen einen neuen Arbeitgeber zu finden. Der Liquidationsprozess wird nunmehr mit dem zu bestellenden Masseverwalter abzustimmen sein."

Schulden und Vermögen

Die Aktiva werden laut Creditreform mit 3,39 Millionen Euro beziffert, die Passiva mit rund 21,051 Millionen Euro. Die Aktiva sind aber mit Pfandrechten in Höhe von 2,196 Millionen Euro belastet. Die Betriebsaustattung wurde auf ein Zehntel des Buchwertes (346.000 Euro) abgewertet, die Waren von 800.000 Euro auf 75.000 Euro, die Forderungen (Buchwert: 795.000 Euro) auf 143.000 Euro und vom Bankguthaben in Höhe von 1,723 Millionen Euro bleibt bloß ein freies Vermögen in Höhe von 328.000. Euro Das heißt, das freie Vermögen beträgt insgesamt knapp 1,194 Millionen Euro.

Die Passiva (21,051 Millionen Euro) setzen sich aus Rückstellungen für Abfertigungen (5,5 Millionen Euro), sonstigen Rückstellungen (2,2 Millionen Euro), Beendigungskosten (1,5 Millionen Euro), Abgaben-Rückstellungen (2,5 Millionen Euro) und Liquidationskosten (3,5 Millionen Euro) zusammen; dazu kommen noch Schulden bei Lieferanten (2,62 Millionen Euro), Verbindlichkeiten bei verbundenen Firmen (2,2 Millionen Euro) und sonstige Verbindlichkeiten in Höhe von 1,169 Millionen Euro. Laut KSV1870 sollen 250 Gläubiger von der Pleite betroffen sein.

Weitere Maßnahmen

Die Charles Vögele Austria plant laut Creditreform keinen neunen Sanierungsplan, aber die GAEBB Group will das Unternehmen im Rahmen des Konkursverfahrens mit Waren versorgen. "Nach Einschätzung des Managements der CVA reicht die zur Verfügung stehende Ware aber nicht aus, um einen für Kunden attraktiven Füllgrad für alle 57 Filialen zu gewähren", heißt es weiter.

Das Landesgericht für ZRS Graz hat das Konkursverfahren über Charles Vögele (Austria) GmbH unter Geschäftszahl 27 S 36/19z bereits eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde der renommierte Anwalt und Sanierungsexperte Norbert Scherbaum ernannt. Er war schon in ersten Verfahren der Insolvenzverwalter.
 

Das Unternehmen

Der Unternehmensgegenstand der Charles Vögele Austria GmbH liegt im Einzelhandel von Modeartikeln. Das Sortiment umfasst Damen-, Herren- und Kindermode, sowie Schuhe und Accessoires. Aktuell wird über Österreich verteilt ein Netz von 57 Filialen betrieben. Die Filialen befinden sich vorwiegend in Fachmarkt- und Einkaufszentren sowie in Stadtlagen. Die Zentrale befindet sich in Kalsdorf bei Graz.

Die Schweizer Charles Vögele Gruppe

"Die Charles Vögele-Gruppe war einer der größten Bekleidungs-Einzelhändler in Europa und das Sortiment umfasste den Handel von Oberkleidung für Damen, Herren und Kinder. Seit 2010 war die Charles Vögele-Gruppe mit massiven Umsatzverlusten konfrontiert und im Zuge einer eingeleiteten Sanierung wurde die Muttergesellschaft in der Schweiz im Jahr 2016 vom italienischen Modekonzern OVS samt Investoren übernommen", heißt es dazu vom AKV. "Die Sanierung und Neugestaltung des Filialnetzes der Schweizer Muttergesellschaft scheiterte jedoch, sodass die ehemalige Alleingesellschafterin Sempione Fashion AG am 30.05.2018 beim Bezirksgericht Höfe in der Schweiz ein Gesuch um provisorische Nachlassstundung eingereicht hatte, um eine sofortige Schließung des Unternehmens zu vermeiden. Ziel war ein geordneter Liquidationsverkauf der Waren sowie die Ermöglichung eines Investorenprozesses hinsichtlich der Beteiligungen. Letztlich kam es jedoch zur Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Sempione Fashion AG."

Die erste Pleite

Der KURIER berichtete im August 2018 über Charles Vögele Austria und die erste Pleite:

Zwei Interessenten haben im August 2018 ihre Anbote zur Übernahme der insolventen Textilkette Charles Vögele Austria (711 Mitarbeiter, 102 Filialen) den Gläubigervertreter und der Konkursrichterin vorgestellt und dabei einen guten Eindruck gemacht. An der Ernsthaftigkeit ihres Interesses gibt es keinerlei Zweifel. Sie nehmen zum Teil für die Vorarbeiten viel Geld in die Hand.

Beide Bieter hatten bzw. haben geschäftliche Aktivitäten in den Niederlanden. Der eine Bieter, der Europa-Ableger einer US-Investmentbank, hat derzeit die Nase vorn, weil er schon vor der Pleite Vögele Österreich kaufen wollte und deren Bücher prüfen konnte. Dessen ursprünglicher Plan war, 30 der 102 Vögele-Filialen nicht fortzuführen. Außerdem unterstützten die „Amerikaner“ laut eigenen Angaben schon den "Schließungsprozess" von Charles Vögele in den Niederlanden. Außerdem haben sie laut eigenen Angaben „Vermögenswerte einer anderen niederländischen Modekette aus der Insolvenz übernommen, um das Geschäft neu zu strukturieren und gesunde Geschäftsbereiche an den ehemaligen Eigentümer zu übertragen“.

Investor aus den Niederlanden

Der zweite Interessent, ein Textilketten-Betreiber aus den Niederlanden, hat schon 70 Vögele-Filialen in den Niederlanden und 200 Standorte in Deutschland übernommen. Die Niederländer haben nur ein, zwei Wochen Zeit, die Bücher von Vögele Österreich zu prüfen.

Beide Interessenten wollen die Charles Vögele Austria GmbH in Form eines Share-Deals übernehmen und die Gesellschaft durch einen Sanierungsplan entschulden. Für die 20-prozentige Quote, die einer der Bieter auf einen Schlag zahlen will, werden zumindest sechs bis sieben Millionen Euro plus die Verfahrenskosten aufzubringen sein. Unklar ist noch, ob auch das Warenlager, auf das die solvente italienische Vögele-Großmutter OVS angeblich Eigentumsansprüche stellt, abgelöst bzw. mitverkauft wird. Denn das Eigentümerverhältnis ist noch strittig.

OVS, einer der größten Textil-Filialisten in Italien, wird auch Interesse an der weiteren Belieferung der Nachfolge-Kette von Vögele Österreich nachgesagt. Indes können die Niederländer angeblich auf ein eigenes Waren-Sortiment zurückgreifen.

Damals 711 Mitarbeiter

Indes arbeitet der Grazer Vögele-Insolvenzverwalter Norbert Scherbaum intensiv daran, die rechtlichen Hürden für den Verkauf zu eliminieren. So will er mit der Schweizer Bank UBS eine Einigung erzielen, an die die Schweizer Vögele-Mutter die Marken verpfändet hat. Die Bank soll für die Freigabe der Marken einen bestimmten Geldbetrag erhalten. Zugleich bemüht er sich darum, dass ihm die Gesellschaftsanteile an der Charles Vögele Austria GmbH übertragen werden – für einen symbolischen Betrag. Dann stehen dem Verkauf nur noch die millionenschweren Konzernforderungen der Schweizer Vögele-Mutter im Wege. Doch hier dürfte das Eigenkapitalersatz-Gesetz greifen. Dort ist geregelt, dass eine solche Kapital-Rückforderung erst dann zulässig ist, wenn das betroffene Unternehmen saniert ist.

Die 711 Vögele-Mitarbeiter sollen in Kürze vom Insolvenzentgeltfonds IEF die ausstehenden Juli-Gehälter und das Urlaubsgeld erhalten. Letzteres hatten sie dem Unternehmen bis 31. Juli gestundet. Allein für das Juli-Gehalt dürften rund 1,5 Millionen Euro fällig werden. Die September-Gehälter soll zumindest bereits rechnerisch der potenzielle Käufer bezahlen, die August-Gehälter hat Scherbaum den Mitarbeitern bereits bevorschusst.

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