Zinsskandal betrifft auch Abertausende Österreicher

Die Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt am Main.
Hoffnung, zu viel bezahlte Zinsen zurückzubekommen, dürften sich Kreditnehmer laut VKI aber nicht machen.

Von den jahrelangen Zinsmanipulationen durch mehrere Großbanken in Europa, die dafür 1,7 Mrd. Euro Mega-Strafe ausgefasst haben, dürften auch österreichische Kreditnehmer betroffen sein. Um Klagen zu können, müssten sie aber ihren daraus erwachsenen Nachteil kennen. Das ist aber kaum möglich, weil die EU-Kommission faktisch Akteneinsicht verwehrt, sagt VKI-Rechtsexperte Peter Kolba.

Nach Einschätzung von Kolba sind wahrscheinlich jedenfalls all jene heimischen Kreditnehmer betroffen, die endfällige Fremdwährungskredite abgeschlossen haben, deren variabler Zinssatz an den Libor gebunden war, erläuterte der VKI-Rechtsexperte am Donnerstag im Ö1-Mittagsjournal. "Wenn der Libor so manipuliert wurde, dass er höher als der Marktzins war, sind sie natürlich betroffen", so Kolba.

Zinsskandal betrifft auch Abertausende Österreicher
Insgesamt gehe es dabei um eine potenziell betroffene Anzahl von rund 200.000 österreichischen Haushalten. Allzugroße Hoffnung, zu viel bezahlte Zinsen zurückzubekommen, dürften sie sich aber nicht machen: „Das Grundproblem ist der kaum zu führende Nachweis, wie hoch der nicht manipulierte Zinssatz hätte sein müssen“, sagte Kolba zurKleinen Zeitung.

Aus der Vergangenheit - vom Lombard-Kartell - wisse man nämlich, dass "von der Europäischen Kommission in absehbarer Zeit und mit absehbarem Aufwand keine Akteneinsicht zu bekommen" sei, so Kolba im ORF-Radio. Deshalb könnten diese wesentlichen Fragen nicht geklärt.

"Sammelklage fehlt in Europa"

Dass in den USA bereits Klagen von Pensions- und Hedgefonds laufen, liege an dem dort anderen Rechtssystem. "Da gibt es eine Sammelklage, wo ich auch einen Ausforschungsbeweis führen kann", erläutert der VKI-Rechtsexperte: "Das fehlt in Europa und in Österreich, daher können Verbraucher nicht wirksam Rechte geltend machen."

Für die Verwendung der 1,7 Mrd. Euro aus der Mega-Strafe, die die betroffenen Geldinstitute zahlen müssen, hat Kolba schon einen Vorschlag. Wenn eine solche Rekordstrafe an die EU-Kommission gezahlt werde, fließe sie dort ins Budget, "diese Gelder sollten Verbraucherorganisationen zufließen".

Bei der Manipulation von Zinssätzen haben die beteiligten Großbanken nach Informationen der spanischen Zeitung El País Absprachen getroffen, die allein den eigenen Interessen dienten. Dies gehe aus den Chats zwischen Händlern hervor, die von den Ermittlern abgefangen worden seien, berichtete das Madrider Blatt am Donnerstag.

Nach den im Wortlaut dokumentierten Absprachen fragte der Händler einer - namentlich nicht genannten - Bank seinen Kollegen bei einem anderen Geldinstitut: "Kannst Du mir den Gefallen tun und den Sechs-Monate-Zinssatz senken?". Antwort: "Ist schon geschehen." Daraufhin sagte der erste Händler: "Ich werde mich für den Gefallen revanchieren, sobald es geht."

In einem anderen Chat entschuldigt sich ein Banker bei seinem Kollegen mit den Worten: "Mit dem üblichen Zinssatz kann ich diesmal leider nicht dienen, denn heute kümmert sich unser Praktikant darum. Aber Du weißt, dass Du Dich normalerweise auf uns verlassen kannst." Der Kollege erwiderte laut El País: "Mach Dir keine Sorgen. Wenn Du den Zinssatz ab Montag anheben könntest, wäre das genial."

Die EU-Kommission hatte am Mittwoch wegen der Zins-Manipulationen für die Deutsche Bank und fünf weitere internationale Geldhäuser eine Rekordstrafe von insgesamt 1,7 Mrd. Euro verhängt. Der spanische EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia nannte das Ausmaß der Bankentricksereien schockierend und kündigte weitere Schritte an.

Der Libor (London Interbank Offered Rate) wird seit den 1980er Jahren jeden Vormittag von der British Bankers' Association (BBA) als Referenzzinssatz in London festgelegt. An ihm orientieren sich weltweit die kurzfristigen Zinsen für eine ganze Reihe von Finanzmarktgeschäften.

Für die Berechnung melden die nach Marktaktivitäten wichtigsten Banken weltweit die Zinsen, die sie aktuell für Kredite ihrer Konkurrenten zahlen müssten. Daraus wird ein Mittelwert errechnet. Der Libor ist über Jahre von Mitarbeitern mehrerer Großbanken manipuliert worden. Einige Geldhäuser mussten im Libor-Skandal bereits hohe Strafen zahlen, darunter die Rabobank.

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