Deutschland gegen Österreich: Wer gewinnt das wirtschaftliche Kräftemessen?
Das "beste Außenhandelsergebnis in der Geschichte der deutsch-österreichischen Handelsbeziehungen", verkündete der Präsident der Deutschen Handelskammer in Österreich, Hans Dieter Pötsch, am Dienstag. So stieg das Gesamthandelsvolumen um 22,3 Prozent auf 146,6 Mrd. Euro. Für heuer rechnet Wifo-Direktor Gabriel Felbermayr mit einem weiteren Wachstum von rund zehn Prozent. Zeit also für ein Wirtschaftsmatch der beiden Nachbarn, das natürlich nie ganz vollständig sein kann.
57,7 Milliarden Euro
machten die österreichischen Exporte im Vorjahr nach Deutschland aus. Das ist ein Plus von 21,5 Prozent. Österreich ist damit das zehntwichtigste Importland Deutschlands.
88,8 Milliarden Euro
betrugen im Vorjahr die deutschen Exporte nach Österreich. Das ist ein Plus von 22,7 Prozent. Österreich ist für die Deutschen der sechstwichtigste Exportmarkt.
23 Prozentpunkte
beträgt die Wachstumsdifferenz zwischen der deutschen und der österreichischen Industrie seit dem Jahr 2017.
4,5 Prozentpunkte
ist Österreichs Wirtschaft insgesamt seit dem Jahr 2017 schneller gewachsen als die deutsche.
Inflation
Beginnen wir bei einem Thema, das mittlerweile Wahlen entscheidet: die Inflation. Die liegt in Deutschland aktuell viel niedriger als in Österreich. 1:0 für Deutschland. Auch längerfristig gesehen gab es in den vergangenen Jahren stets einen Unterschied, der vor allem durch den höheren Tourismus-Anteil in Österreich zu erklären ist, sagt Bank-Austria-Chefökonom Stefan Bruckbauer. Grund: Ausgaben in der Gastronomie sind hierzulande im Warenkorb viel stärker gewichtet, weil Österreicher viel öfter Gasthäuser und Restaurants besuchen als Deutsche. Gleichzeitig sind hier die Preise überproportional gestiegen. Beides zusammen erklärt einen Großteil des Inflationsunterschiedes.
Strompreis
Beim Strompreisvorteil erhöht Deutschland auf 2:0. In Österreich sind die Strompreise um zehn bis 25 Prozent höher als in Deutschland. Davon können Haushalte wie Betriebe ein Lied singen. Beim Frucht-, Stärke- und Zuckerkonzern Agrana haben sich die gesamten Energiekosten mit 240 Mio. Euro im Vorjahr gegenüber der Zeit vor Covid verdreifacht, berichtet CEO Markus Mühleisen.
Verantwortlich dafür ist nicht nur der Krieg. Bis 2018 gab es ja eine gemeinsame Strompreiszone. Aber wegen drohender Netzunterbrechungen wurde die Zone abgeschafft. Seither kommt es aber immer wieder zu einer Verknappung der Übertragung an der österreichisch-deutschen Stromgrenze.
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Lebensmittelpreise
Eine neue Studie zeigt, dass Lebensmittel in Österreich im Schnitt um rund 13 Prozent teurer sind als in Deutschland. Der ÖGB gibt dem Handel die Schuld. Rainer Will, Chef von Handelsverband, widerspricht. Höhere Kosten für Energie, Löhne und landwirtschaftliche Produkte seien für die höheren Preise verantwortlich. Da das Phänomen alt ist, hat Felbermayr eine andere Erklärung: „In Deutschland gibt es im Handel mehr Wettbewerb. In Österreich ist die Marktkonzentration zu hoch.“ 3:0 für Deutschland also.
Industrie
Bevor uns jetzt die Deutschen davonziehen, betrachten wir die Industrie. Hier kann Österreich auf 1:3 stellen. Schon seit vielen Jahren gehe es der heimischen Industrie deutlich besser als der deutschen, so Bruckbauer. Das zeigt auch der Produktionsindex.
Einer der Gründe ist: Die Abhängigkeit der deutschen Konzerne von asiatischen Halbleitern ist beispielsweise viel stärker ausgeprägt als hierzulande – auch Liefer- und Materialengpässe schlagen da voll durch, weil Deutschland insgesamt viel stärker von China abhängig ist.
Arbeitslosigkeit
Hier ziehen uns die Deutschen wieder auf 4:1 davon. Der deutsche Arbeitsmarkt hält sich sehr robust in der Krise. Vorbildhaft ist Deutschland bei der Job-Integration Jugendlicher. Bei der Jugendarbeitslosigkeit hält sich der Nachbar seit Monaten unangefochten an der Spitze in der EU. Im Februar (aktuellster Wert) betrug die harmonisierte Quote 5,7 Prozent. Österreich lag mit einer Jugendarbeitslosenquote von 9,8 Prozent zuletzt nur auf dem 10. Platz im EU-Vergleich.
Bei der Gesamtarbeitslosigkeit belegte Deutschland mit 2,9 Prozent im Februar den dritten Platz hinter Tschechien und Polen. Österreich belegte mit fünf Prozent Rang 11. Im Gesamtjahr 2022 lag die harmonisierte Gesamt-Arbeitslosenquote in Deutschland bei 3,4 Prozent. Das bedeutet im EU-Vergleich den guten dritten Rang. Österreich kam mit 4,6 Prozent nur auf Rang 10.
Wirtschaftswachstum
Die befürchtete Winterrezession ist ausgeblieben, die deutsche Wirtschaft dürfte laut ersten Prognosen von Jänner bis März um 0,2 Prozent gewachsen sein. Die Prognosen für das Gesamtjahr zeigen leicht nach oben. Die führenden Wirtschaftsinstitute rechnen jetzt mit einem realen BIP-Plus von 0,3 Prozent. 2024 sollte es dann 1,5 Prozent sein. Im Vorjahr lag das deutsche BIP-Wachstum bei 1,9 Prozent.
Das Wachstum in Österreich soll laut Frühjahrsprognose von Wifo und IHS bei real plus 0,3 bzw. plus 0,5 Prozent liegen. Im kommenden Jahr erwarten die Ökonomen ein Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent (IHS) und 1,8 Prozent (Wifo). Im Vorjahr lag das BIP bei fünf Prozent. Tor für Österreich. Das Spiel endet demnach 4:2 für Deutschland.
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