Wirtschaft zu Schengen-Veto: "Dümmlich" und "massiver Schaden"
In Rumänien sorgt die Blockade des Schengen-Beitritts durch das Veto Österreichs für Verärgerung. In den sozialen Netzwerken kursieren Boykottaufrufe gegen Austro-Firmen. Rumänien und Bulgarien, das ebenfalls vom Veto betroffen ist, sind für Österreich zwei bedeutende Wirtschaftspartner. Österreich ist in beiden Ländern der zweitgrößte Auslandsinvestor, in Rumänien mit zehn Milliarden Euro hinter Deutschland und vor Frankreich, in Bulgarien mit rund fünf Milliarden Euro hinter den Niederlanden und vor Deutschland. Alleine in Rumänien gibt es 3.900 Austro-Unternehmen, die rund 100.000 Leute beschäftigen. In Bulgarien sind es 350 Niederlassungen mit 30.000 Beschäftigten.
Wenig Verständnis
Die wichtigsten Player in Rumänien sind etwa die OMV, die Erste Group, Raiffeisen, Pfanner, Baumit, in Bulgarien Magna Steyr, Siemens, ebenfalls die OMV oder Alcatel Austria. Und was sagen die Firmenches? Wenig Verständnis kann Robert Schmid, Chef der Schmid Industrieholding, der Veto-Politik Österreichs entgegenbringen. Aus seiner Unternehmensgruppe hat Baumit in Rumänien und Bulgarien Niederlassungen. Nach eigenen Angaben ist man Marktführer. "Dass die österreichische Regierung, wo Österreichs Wirtschaft so eine Osteuropa-Abhängigkeit hat, so dümmlich agieren kann, hätte ich nicht für möglich gehalten", sagt Schmid dem KURIER.
Daraus könne seinem Unternehmen vor Ort ein großer Schaden entstehen. Bei der heimischen Politik intervenieren wolle er aber nicht. Das sei "sinnlos". Schmids Hoffnung ist, dass sich bis zum Frühjahr die Diskussion um das Veto beruhigt hat, jetzt stehe ja ohnehin die Wintersaison am Bau bevor.
Gegen "Mitgliedsländer zweiter Klasse"
Bei der Erste Group, die 5.000 Beschäftigte und 2,8 Millionen Kundinnen und Kunden in Rumänien hat, hat sich CEO Willi Cernko via LinkedIn geäußert. Man bedauere die Abstimmung im Rat, so Cernko. "Es gibt keine Mitgliedsländer zweiter Klasse. Das Ziel muss daher sein, dass alle Bürger:innen in gleichem Ausmaß von den Freiheiten der Union profitieren. Dazu gehört auch die Teilnahme am Schengen-Raum."
Für die OMV ist Rumänien einer der wichtigsten Märkte, der heimische Öl- und Gaskonzern hält 51 Prozent an OMV-Petrom. Das Veto sieht man bei der OMV kritisch, formuliert aber diplomatisch. "Der Erfolg von OMV-Petrom beruht auf der guten Zusammenarbeit der Teams von Wien und Bukarest. Uns ist jede Situation willkommen, durch die dieser Austausch erleichtert wird", sagt OMV-Sprecher Alexander Rinofner. Petrom hat 8.000 Beschäftigte und fuhr im Vorjahr einen operativen Gewinn von knapp 930 Millionen Euro ein.
In Rumänien fordern Politiker quer durch die Parteien eine Re-Verstaatlichung der Petrom, die 2004 privatisiert wurde. Was aber ziemlich unrealistisch ist, der Staat könnte dies nie bezahlen. OMV-Petrom hat gemeinsam mit der staatlichen Romgas die Lizenz für die Erschließung eines riesigen Gasfeldes im Schwarzen Meer ("Neptun Deep"). OMV-Petrom würde zwei Milliarden Euro investieren, die rumänische Regierung macht Druck für eine raschere Entscheidung.
"Massiver Image-Schaden"
Der Vorarlberger Fruchtsaftmacher Peter Pfanner spricht von "einem massiven Schaden für das Image Österreichs in Rumänien" und kritisiert vor allem die "katastrophale mediale Kommunikation" der österreichischen Politik. Pfanner: "Man hat nicht verstanden zu kommunizieren, dass das Veto nicht gegen die Rumänen geht, sondern gegen illegale Migration. Die Rumänen sehen das Veto jetzt als persönlichen Angriff."
Das sei fatal, handle es sich doch um einen europäischen Partner, noch dazu Nachbar der Ukraine. Wohin der "aktuelle Shitstorm" führt, könne er noch nicht abschätzen. Pfanner ist in rumänischen Regalen mit seinen Säften gut vertreten. "Kann schon sein, dass es kleinere Händler gibt, die uns jetzt mit dem Verweis auf den Boykott aus dem Regal nehmen."
Für den Sportartikelhändler Hervis ist Rumänien mit 44 Märkten und mehr als 500 Mitarbeitern kein kleiner Markt. Die jüngsten Boykott-Aufrufe seien eine Sache. Die Frage, ob die Bevölkerung ihnen folgt, eine ganz andere, sagt Nicole Berkmann, Sprecherin der Spar-Gruppe, zu der auch Hervis gehört. "Letztlich ist ja auch allen klar, wie viele Arbeitsplätze an Hervis in Rumänien hängen."
XXXLutz-Sprecher Thomas Saliger hält die Boykottaufrufe für "ein Geplänkel". Und zwar auf politischer Ebene, die man klar von der wirtschaftlichen trennen müsse. "Die wirtschaftliche Zusammenarbeit in Rumänien ist sehr professionell. Es wird niemand dort ein Interesse daran haben, Investoren zu verschrecken", glaubt der Möbelhaussprecher, der in Rumänien zwei XXXLutz- sowie zwei Mömax-Märkte betreibt.
Vom Versicherungsunternehmen Uniqa heißt es, dass man am rumänischen Markt "gut und professionell" behandelt wird. "Die Entscheidung, die gestern getroffen wurde, war eine Entscheidung auf politischer Ebene. Uniqa hofft im Sinne Rumäniens und Österreichs, aber auch der gesamten europäischen Union, dass möglichst rasch ein gemeinsamer Fahrplan für Lösungen zu den derzeitigen politischen Problemen gefunden wird", so eine Sprecherin.
Kommentare