Van der Bellen bedauert Österreichs Schengen-Veto "außerordentlich"

Van der Bellen bedauert Österreichs Schengen-Veto "außerordentlich"
Das Veto Österreichs werde "zwangsläufig Konsequenzen" für die bilateralen Beziehungen haben, hieß es aus Bukarest. Aber auch innerhalb Österreichs sorgt die Entscheidung für Verstimmung.

"Unmoralisch und unargumentiert", sei das Veto. Offenkundig auf "niederträchtige" Politspielchen und Wahlkampfmanöver zurückzuführen. Die Reaktionen auf Österreichs Blockade gegen den Schengen-Beitritt Rumäniens fielen am Donnerstag richtiggehend entrüstet aus. Nicht nur der Chef des mitregierenden Ungarnverbands (UDMR), Kelemen Hunor, nahm sich kein Blatt vor den Mund.

Rumäniens Regierungschef Nicolae Ciuca (Liberale Partei/PNL) stellte am Donnerstag in einer ersten Reaktion fest, "die Inflexibilität der österreichischen Bundesregierung beim besten Willen nicht nachvollziehen zu können". Wien habe mit "komplett falschen Zahlen" argumentiert. Bulgarien wertete das Votum als "politisch motiviert".

Auch in Österreich sorgt das Veto für massive Kritik - so meldete sich am Freitag auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen via Twitter zu Wort: Er bedauert die Entscheidung der Bundesregierung "außerordentlich". 

Bei einer Pressekonferenz bei einem Besuch in Slowenien erklärte er zudem: Österreich befinde sich wegen des Zustroms von Flüchtlingen und Migranten zwar in einer äußerst schwierigen Situation, "aber die Verbindung, die Verknüpfung dieses Problems mit dem Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens, muss ich leider gestehen, die sehe ich nicht". 

"Ich sehe nicht, wie diese Blockade des Schengen-Beitritts Rumäniens irgendetwas ändert an der Situation in Österreich", betonte der Bundespräsident. "Ich sehe nur, dass wir uns eine Menge Unwillen zugezogen haben auf europäischer Ebene", fügte er hinzu.

Van der Bellen rechnet damit, dass die österreichische Wirtschaft wegen dieser Entscheidung einen Preis zu zahlen haben werde. Die Entwicklung dürfte einerseits das inländische Tourismus treffen, wenn weniger Touristen aus Rumänien ankommen. Anderseits hob der Präsident hervor, dass Österreich mit erheblichen Direktinvestitionen in Rumänien aktiv ist. "Wir werden sehen, wie die rumänischen Konsumenten auf diese Entwicklung reagieren", sagte er. "Ein wirtschaftlicher Preis ist in meinen Augen unvermeidlich", betonte Van der Bellen.

Kritik auch vom Koalitionspartner

Auch der grüne Koalitionspartner steht nicht hinter der Entscheidung des türkisen Innenministers: "Der Vizekanzler hat es auch bereits klargestellt, dass wir da Veto Österreichs nicht unterstützt haben", sagte Justizministerin Alma Zadić (Grüne) am Freitag in Brüssel.

"Uns geht es vor allem um eine europäische Lösung, der erste Schritt zu dieser europäischen Lösung ist natürlich der Beitritt Kroatiens, und Bulgarien und Rumänien gehören zu europäischen Familie dazu und innerhalb der europäischen Familie ist die Freizügigkeit groß geschrieben", so Zadic. Sie zeigte sich zuversichtlich, dass "wir da sehr bald sehr rasche europäische Lösung finden werden".

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hatte Österreichs Nein zum Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens mit der hohen Zahl irregulärer Grenzübertritte verteidigt. "Es ist falsch, wenn ein System, das an vielen Stellen nicht funktioniert, noch vergrößert wird", so Karner beim Treffen der EU-Innenminister am Donnerstag. 

Es habe heuer mehr als 100.000 illegale Grenzübertritte nach Österreich gegeben, davon seien 75.000 nicht registriert gewesen, so der Innenminister, der sich für eine Verschiebung der Abstimmung ausgesprochen hatte. 

EVP-Kritik am Österreich-Veto

Protestnote aus Bukarest

In Bukarest zeigte man sich davon unbeeindruckt. Am Donnerstagabend bestellte Rumäniens Außenminister Bogdan Aurescu die österreichische Botschafterin in Bukarest, Adelheid Folie, ein, um ihr eine Protestnote der rumänischen Regierung wegen der "ungerechtfertigten und unfreundlichen Haltung Österreichs" in puncto Rumäniens Schengen-Beitritt zu überreichen.

Diese Geste Österreichs werde "zwangsläufig Konsequenzen" für die bilateralen Beziehungen haben, stellte das Außenministerium in Bukarest klar. Man habe gegenüber der österreichischen Diplomatin zudem auch Protest eingelegt wegen der jüngsten Behauptungen des österreichischen Bundeskanzlers Karl Nehammer, demzufolge die rumänischen Behörden angesichts des angestrebten Beitritts des Landes zum grenzkontrollfreien Schengenraum Druck auf österreichische, in Rumänien aktive Unternehmen ausgeübt hätten. Derlei Behauptungen seien "schlichtweg untragbar", da sie keineswegs der Realität entsprechen, so das Außenamt in Bukarest.

Kritik - bzw. eine "naive Frage" kommt vom ehemaligen Staatssekretär im österreichischen Außenministerium, Hans Winkler via Twitter: "Hat Ö noch einen Außenminister?", fragt er da. Er habe "irgendwie nichts gehört", jetzt, da die "Beziehungen zu Bulgarien und Rumänien den Bach runtergehen". Winkler vermisst zudem eine Reaktion der Wirtschaftskammer und der Banken. 

"Keine politische Frage"

Außenminister Alexander Schallenberg äußerte sich bis dato zwar nicht persönlich, wohl aber eine Sprecherin seines Ministeriums: Die Botschafterin habe das Gespräch genutzt, "um neuerlich die österreichische Position hinsichtlich der Schengen-Erweiterung darzulegen und zu unterstreichen, dass die Haltung Österreichs keineswegs gegen Rumänien (und Bulgarien) gerichtet ist". So erkenne Österreich auch die "umfassenden Bemühungen Rumäniens explizit an", betonte die Sprecherin.

Zudem sei festzuhalten, dass es sich bei der Schengen-Erweiterung "um keine politische Frage, sondern um eine Frage der Sicherheit Europas und der europäischen Bürgerinnen und Bürger" handle. "Ein funktionierender EU-Außengrenzschutz ist unabdingbare Voraussetzung für eine Erweiterung des Schengenraums."

Dieser sei derzeit offenkundig nicht gegeben, wenn von rund 100.000 Asylanträgen in Österreich rund 75.000 von Personen gestellt werden, die zuvor nirgendwo registriert waren. "Das obwohl sie mehrere Schengen-Mitgliedstaaten oder Schengen-assoziierte Staaten durchquert haben", hieß es aus dem Außenministerium in Wien.

Karner "verärgert"

Innenminister Karner (ÖVP) zeigte sich nach seinem Nein zum Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens über das Vorgehen der EU "verärgert". Er sei "verärgert" über "die Vorgangsweise, dass praktisch über Nacht die Rechtsakte auf den Tisch gelegt wurden", ohne die Bevölkerung darauf vorzubereiten, sagte Karner am Donnerstag dem Standard.

Er "halte es für wesentlich, dass jetzt wirksame Maßnahmen zur Eindämmung von illegaler Migration und Asylmissbrauch in die Umsetzung kommen, beispielsweise, dass in Bulgarien Außengrenzverfahren durchgeführt werden".

Erneut erklärte Karner, gegen eine Aufnahme Bulgariens und Rumäniens gestimmt zu haben, "weil Schengen derzeit nicht funktioniert, sonst hätten wir nicht in Österreich 75.000 unregistrierte Aufgriffe". 

Karas: "Mit Schengen-Erweiterung hat das nichts zu tun"

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson zeigte sich enttäuscht, dass es unter den Mitgliedsländern nicht die nötige Einstimmigkeit für Bulgarien und Rumänien gab. Deren Bürger hätten den seit mehr als einem Jahrzehnt erhofften Beitritt zum Schengen-Raum ebenfalls verdient, sagte Johansson in Brüssel. "Ich bin überzeugt, dass ihre Zeit bald kommt", versuchte der tschechische Innenminister Vit Rakušan zu trösten.

"Das Veto gegen den Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien löst kein Problem - im Gegenteil", twitterte EU-Parlaments-Vizepräsident Othmar Karas (ÖVP). "Ja, Österreich erlebt derzeit eine unverhältnismäßige Belastung. Deshalb brauchen wir endlich ein gemeinsames EU-Asylsystem. Mit der Schengen-Erweiterung hat dies aber nichts zu tun."
 

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