Wirecard: Von Anfang an ein Schwindel

Wirecard: Von Anfang an ein Schwindel
Im Wirecard-Prozess belastet der angeklagte Kronzeuge Oliver Bellenhaus den früheren Wirecard-Chef Markus Braun schwer. Der ehemalige Dax-Konzern soll eine große Fälscherwerkstatt gewesen sein.

Im Strafprozess um den mutmaßlichen Milliardenbetrug beim Ex-Zahlungsdienstleister Wirecard ging es gestern, Montag, ans Eingemachte. Kronzeuge Oliver Bellenhaus sagte am dritten Prozesstag als erster der drei Angeklagten aus. Der 49-Jährige belastete den früheren Wirecard-Chef Markus Braun schwer. „Wirecard war ein Krebsgeschwür, das lange unentdeckt wucherte“, sagte Bellenhaus vor dem Landgericht München. „Es gab ein System des organisierten Betrugs.“ Er bezeichnete das Unternehmen als System der Unterwürfigkeit. Braun habe als „absolutistischer“ Vorstandschef fungiert. Er sei der Kern gewesen, auf den alles zugeschnitten gewesen sei.  

„Wenn Braun etwas sagte, wurde es so gemacht“, sagte der Kronzeuge. Er sprach aber auch von „Hasardeuren, Kriminellen und Verrätern“.  „Ich schließe mich dem bewusst an. Eine blinde Loyalität gegenüber Braun und Marsalek hat mich ins Gefängnis gebracht“, sagte der Angeklagte. Wirecard sei 20 Jahre lang seine Identität gewesen: „Kleine Lügen wurden zu großen Lügen, große Lügen werden bestraft.“ Das System Wirecard  sei, so der  Beschuldigte, „von Anfang an ein Schwindel gewesen“.

Der Fälscher

Braun und Bellenhaus sitzen seit zweieinhalb Jahren in U-Haft, dritter Angeklagter ist der frühere Wirecard-Chefbuchhalter.
Bellenhaus entschuldigte sich zu Beginn seiner Aussage. Es falle nicht leicht, die Verantwortung zu übernehmen, sagte er. Er bedauere die Vorwürfe, nicht nur wegen der Konsequenzen für ihn und seine Familie, sondern auch wegen der Geschädigten. „Ich bin erschrocken über mein eigenes Wesen“, so der Angeklagte. Bellenhaus war Statthalter von Wirecard in Dubai und steuerte  von der Tochterfirma Cardsystems Middle East aus großteils das angebliche Drittpartnergeschäft in Asien in Milliardenhöhe.  Drittpartner waren Firmen, die für Wirecard Zahlungen abwickelten.  Dieses Geschäft war laut Bellenhaus großteils erfunden.

Er gestand auch, dass er Protokolle und eMails gefälscht habe. Mit Protokollen sei eine Dokumentenlage geschaffen worden, die allein darauf abgezielt habe, den Wirtschaftsprüfern den Eindruck zu vermitteln, dass die Unterlagen geprüft worden seien. Die Protokolle seien genutzt worden, um Fehler vor allem zum Jahresende zu korrigieren. Prognosen seien nicht zu Jahresbeginn erstellt, sondern zum Jahresende hin angepasst worden.

Der Getriebe

Braun sei davon getrieben gewesen, die Umsatzzahlen ins Unermessliche steigen zu lassen, sein Gradmesser sei der Aktienkurs gewesen. Dabei habe er unwahrscheinliches Glück gehabt. Braun und dem flüchtigen Co-Vorstand Jan Marsalek sei angeblich alles gelungen. Sich selbst bezeichnete Bellenhaus als „Rainmaker von Wirecard“.  Damit meint er, dass er jemand war, der sprichwörtlich Geld regnen ließ.
Bellenhaus  hatte sich bereits kurz nach der Pleite von Wirecard Ende Juni 2020 den Münchner Behörden gestellt und gegenüber der Staatsanwaltschaft umfassend ausgesagt. Wirecard hatte zuvor einräumen müssen, dass Guthaben auf angeblichen Treuhandkonten in Höhe von 1,9 Milliarden nicht existierten.

Der Strafnachlass

Die Staatsanwaltschaft stützt ihre Anklage unter anderem auf die Geständnisse von Oliver Bellenhaus.

Indes hat Markus Braun  über seine Verteidiger verlautbaren lassen, dass die vermissten Milliarden tatsächlich existierten, aber immense Summen von Bellenhaus und anderen Betrügern wie zum Beispiel durch den flüchtigen Ex-Vorstand Jan Marsalek auf die Seite geschafft worden seien. Brauns Verteidiger Alfred Dierlamm hat Bellenhaus zuvor beschuldigt, er sei als Kronzeuge unglaubwürdig und habe während der Ermittlungen die Veruntreuung von Millionensummen verschwiegen. Hingegen erwartet der Kronzeuge,  dass sein „kooperatives Verhalten zu einem sehr deutlichen Strafnachlass“ führt.

 

Kommentare