Wirecard-Prozess: Was in der Anklageschrift steht
Der milliardenschwere Zusammenbruch des Zahlungsdienstleisters Wirecard im Juni 2020 steht ab 8. Dezember 2022 auf dem Spielplan des Landgerichts München I. 100 Verhandlungstage sind anberaumt.
Dem langjährigen Wirecard-Chef Markus Braun, seinem ehemaligen stellvertretenden Finanzvorstand Stephan E. und Oliver B., früher Wirecard-Vertreter in Dubai, wird Marktmanipulation, Bilanzfälschung schwere Untreue und gewerbsmäßiger Bandenbetrug vorgeworfen. Braun und B. sitzen in U-Haft.
Die Anklage umfasst 474 Seiten. „Den Beschuldigten war spätestens ab Ende 2015 klar, dass die Wirecard AG mit dem tatsächlichen realen Geschäft nur Verluste erwirtschaftete, was letztlich in einer Insolvenz münden würde“, schreibt die Staatsanwaltschaft. „Mit der Veröffentlichung der erheblich geschönten Zahlen wollten die Beteiligten gegenüber Anlegern den Eindruck erwecken, dass es sich bei der Wirecard AG um ein geschäftlich erfolgreiches und zahlungskräftiges Unternehmen handelt.“
Die Manipulation der Bilanzkennzahlen und deren Veröffentlichung sei „ein gewollter Zwischenschritt für die Erlangung von Finanzmitteln“ gewesen. Die Anklage wirft dem Trio 26 Fälle von Marktmanipulation vor. Markus Braun soll die Höhe der veröffentlichten Zahlen und Daten bestimmt haben, E. und B. sollen die „Vorgaben entsprechend umgesetzt haben“. „Hierzu erfanden sie angeblich äußerst ertragreiche Geschäfte vor allem in Asien“, heißt es weiter. Für das Asien-Geschäft verantwortlich war der flüchtige Ex-Vorstand Jan Marsalek.
Luftgeschäfte
So gab der Konzern aus Aschheim vor, aus Kreditkarten-Zahlungsgeschäften, die an ausländische Partner ausgelagert wurden, Millionen-Provisionen als Vermittler zu lukrieren. Diese Geschäfte sollen aufgrund fehlender Lizenzen und hochriskanter Branchen (Porno, Glücksspiel) eben über Drittpartner abgewickelt worden sein. Haupt-Drittpartner waren drei Gesellschaften in Dubai, auf den Philippinen und in Singapur.
„Die Erlöse wurden entweder als direkte Forderung gegen die Drittpartner oder als Guthaben auf Treuhandkonten in Singapur verbucht und in die Wirecard-Bilanz aufgenommen“, so die Anklage. „Das angeblich durch die Treuhandfirma C. in Singapur verwaltete Guthaben von zuletzt fast einer Milliarde Euro gab es zu keinem Zeitpunkt.“
Nachsatz: „Die entsprechenden Saldenbestätigungen wurden durch den angeblichen Treuhänder oder durch den Beschuldigten B. nach Vorgaben des Beschuldigten E. gefälscht.“ Auch soll Wirecard Händler mit einer Art Betriebsmittelkredit vorfinanziert haben. Die Rückführung sollte derart erfolgen, „dass von den abgewickelten Kreditkartenzahlungen Anteile einbehalten würden“.
Geldkreislauf
Doch die Wirecard-Manager sollen sich dabei selbst bedient haben. Ein Beispiel: Zu den Drittgesellschaften zählte die Ocap, die sich eigentlich mit Öltransporten beschäftigte. Sie erhielt einmal 110 Millionen Euro Darlehen und später weitere 100 Millionen Euro, die Tage später auf ein Konto in Litauen flossen.
Von dort gingen 35 Millionen Euro angeblich auf ein Konto von Jan Marsalek und der soll mit diesem Betrag ein Darlehen, das ihm Markus Brauns Vermögensverwaltung gewährte, zurückgezahlt haben. Braun soll seinerseits damit ein Darlehen bei der Wirecard Bank getilgt haben.
Fakt ist: Zum Schluss fehlten 1,9 Milliarden Euro, die in den Büchern standen.
„In der irrigen Annahme“, so die Anklage, es handle sich bei Wirecard um ein prosperierendes DAX-Unternehmen, zahlten Banken vier Kredite in Höhe von 1,7 Milliarden Euro aus und legten zugleich zwei Schuldverschreibungen in Höhe von 1,4 Milliarden Euro auf. Markus Braun bestreitet die Vorwürfe. Der Finanzvorstand Stephan E. soll bisher keine Angaben gemacht haben und Oliver B. gilt als Kronzeuge, er belastet Braun.
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