Wirecard-Prozess: Kronzeuge bestätigt Vorwürfe der Anklage

Wirecard-Prozess: Kronzeuge bestätigt Vorwürfe der Anklage
Anwälte wollen mehr Zeit für Prüfung der Unterlagen. Seit Sommer 2020 sitzt der frühere Wirecard‐Chef Braun in U‐Haft.

Der ehemalige Wirecard‐Chef und Österreicher Markus Braun und seine Anwälte wollen mehr Zeit für die Prüfung der Unterlagen. Sein Verteidiger Alfred Dierlamm kündigte am Montag einen Antrag an, den Betrugsprozess gegen Braun und zwei weitere Ex‐Manager des insolventen Zahlungsdienstleisters auszusetzen. Hintergrund sei „was uns auf den Tisch geschüttet wurde an Akten“, sagte er am zweiten Prozesstag zu Beginn seiner auf etwa zwei Stunden angesetzten Erklärung.

Der Verteidiger hielt der Staatsanwaltschaft vor, die Anklage auf Bellenhaus gestützt und der Verteidigung wesentliche Unterlagen vorenthalten zu haben. „Das Verfahren leidet an einem schweren Geburtsfehler.“ Als letzten Punkt warf Dierlamm der Anklagebehörde vor, kurz vor Beginn der Hauptverhandlung noch immense Mengen an Akten an die Anwälte geschickt zu haben. Allein am 7. November seien es 128 Aktenbände gewesen. „Vier Wochen vor der Hauptverhandlung 44 000 neue Aktenseiten.“

Braun sehe sich deshalb derzeit nicht in der Lage, auszusagen. Der 53‐Jährige Österreicher sitzt seit fast zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft. Die Münchner Staatsanwaltschaft hält Braun laut Anklage für den Kopf einer kriminellen Bande, die über Jahre die Bilanzen des einstigen Börsenlieblings gefälscht und milliardenschwere Scheingeschäfte erfunden habe. Braun bestreitet das und sieht sich selbst als Opfer von Managern um den flüchtigen Ex‐Vorstand Jan Marsalek, die Milliarden beiseite geschafft hätten. Dierlamm sagte, Braun sei seit dem Zusammenbruch von Wirecard im Sommer 2020 vorverurteilt worden wie kein anderer seiner Mandanten in den vergangenen 30 Jahren. „Die Vorverurteilung ist beispiellos wie prägend für dieses Verfahren.“

Braun habe „in der vollen Überzeugung der Werthaltigkeit seines Depots“ an seinen Wirecard‐Aktien festgehalten, sagte der Anwalt. Er habe keine einzige Akte verkauft, sondern seinen Wirecard‐Anteil vielmehr noch mit einem Immobilienkredit (Grundpfandrechten) belastet ‐ für „die Immobilie, in der seine Familie wohnt“. Braun habe selbst eine forensische Untersuchung der Vorgänge bei Wirecard durch KPMG veranlasst. „Eine geradezu absurde und abwegige Vorstellung, dass ein Bandenanführer so handelt“, sagte Dierlamm.

Der Verteidiger des Kronzeugen und Ex-Wirecard-Managers Oliver Bellenhaus bestätigt die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft und weist die Darstellung des ehemaligen Vorstandschefs Markus Braun zurück.

„Die Wirecard als solche war schlichtweg ein Blendwerk“, sagte Florian Eder am Montag im Betrugsprozess gegen drei Wirecard-Manager vor dem Landgericht München I. Bellenhaus, bis zur Pleite von Wirecard der Statthalter des Zahlungsdienstleisters in Dubai, stehe zu seinen Fehlern und stelle sich seiner Verantwortung. „Für Herrn Bellenhaus darf ich mich stellvertretend bei den Geschädigten entschuldigen“, sagte Eder.

Die Darstellung von Brauns Verteidiger Alfred Dierlamm sei völlig hanebüchen und abwegig, sagte der Anwalt. Dieser hatte Bellenhaus als Haupttäter einer Bande bezeichnet, die Gelder aus dem Unternehmen herausgezogen und damit veruntreut habe.

„Das war mir auch neu“, sagte Eder. Schließlich habe Bellenhaus sich selbst den Behörden in München gestellt, um der Aufklärung Vorschub zu leisten. Deshalb sei die Argumentation Dierlamms unplausibel: „Er kommt aus dem Ausland, hat irgendwo Milliarden gebunkert, und kommt nur, um Herrn Dr. Braun in die Pfanne zu hauen.“Die von Dierlamm als Beweis für die Existenz des lukrativen Drittpartner-Geschäfts in Asien genannten Kontobewegungen seien
nicht wesentlich für die Sache, sagte Eder. Brauns Verteidiger könne sich solche Nebelkerzen sparen. Man dürfe sich davon nicht täuschen lassen. „Dr. Braun verstand sich als Visionär. Eine solche Vision braucht auch die Verteidigung von Herrn Dr. Braun“, sagte Bellenhaus' Anwalt.

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