Anklage gegen Ex-Wirecard-Chef Braun erhoben

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Es ist wahrscheinlich, dass es zu einem Prozess kommt. Entscheidung könnte im Sommer kommen.

Die Staatsanwaltschaft München I hat laut einem Bericht im Handelsblatt Anklage gegen Markus Braun, ehemaliger Wirecard-Chef, erhoben. Dem Bericht zufolge beschuldigen ihn die Ermittler auf 480 Seiten wegen des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs, der Veruntreuung von Konzernvermögen, Bilanzfälschung sowie Manipulation des Wirecard-Aktienkurses.

Angeklagt seien auch der damalige Statthalter von Wirecard in Dubai Oliver Bellenhaus und Stephan von Erffa, der ehemalige Chefbuchhalter und Vizefinanzvorstand. Sollte es zu einem Prozess kommen, würde den Angeklagten bis zu zehn Jahre Haft drohen. Die Staatsanwaltschaft und die Verteidiger der Angeschuldigten reagierte auf eine Handelsblatt-Nachfrage  zunächst nicht.

Marsalek noch immer abgetaucht

Ex-Asienvorstand Jan Marsalek, jener Mann, bei dem nach bisherigen Erkenntnissen so gut wie alle Stränge des Milliardenbetrugs zusammenliefen, ist nicht mit angeklagt. Eine Anklage zu einem späteren Zeitpunkt ist aber möglich, bisher sagte 450 Zeugen aus. Marsalek ist am 19. Juni 2020 abgetaucht und befindet sich seither auf der Flucht. Er wird in Russland vermutet.

 

 

 

 

Möglicher Prozessgewinn im Herbst

Die vierten Strafkammer des Landgerichts München I (Zuständig für die weitere Aufarbeitung des Causa) muss entscheiden, ob sie die Anklage zulässt und es damit zum Prozess kommt. Das könnte im Sommer entschieden werden. Dass es zur öffentlichen Hauptverhandlung kommt, ist sicher. Starten dürfte der Prozess im Herbst. Es wird vermutet, dass Braun alle Vorwürfe von sich weisen wird - das hätten die letzten 20 Monate deutlich gemacht. Er will von dem Betrug nichts gewusst haben. 

 

Vom Betrug nichts gewusst

Braun und seine Anwälte pochen sogar darauf, dass der Ex-CEO selbst Opfer sei. Auch der angeklagte Chefbuchhalter von Erffa will von dem Betrug nichts gewusst haben. Er hatte unter anderem mehrfach angewiesen, Millionenbeträge aus dem Wirecard-Vermögen an andere Firmen des Konzerns und Drittpartner zu übertragen, bei denen heute der Verdacht besteht, dass gerade auf diesem Weg Hunderte Millionen aus dem Konzern abgeflossen sein könnten.

Angeklagter und Kronzeuge Bellenhaus

Oliver Bellenhaus, der selbst Millionensummen einstreifte, gesteht die Verwicklung in den Betrug. Er befindet sich seit 6. Juli 2020 in U-Haft. Bellenhaus ist angeklagt und gleichzeitig auch der Kronzeuge der Anklage - der Ausgang des Verfahrens wird maßgeblich von seiner Glaubwürdigkeit abhängen. Seine Aussagen führten dazu, dass Braun und von Erffa in Haft kamen.

Das Geschäftsvolumen der Wirecard-Tochter Card Systems Middle East - das Bellenhaus führte - verdoppelte sich zwischen 2016 bis 2018 nahezu auf dem Papier. Die sogenannten Drittpartnergeschäfte (das Zentrum des Betrugs) liefen bei ihm zusammen. Die Staatsanwaltschaft und Insolvenzverwalter Jaffé gehen heute davon aus, dass es nahezu kein nennenswertes Drittpartnergeschäft gab.

Gegenüber den Ermittlern berichtete Bellenhaus, über Jahre hinweg Zahlen gefälscht zu haben, von bis zu 200 Millionen Datensätzen ist die Rede. Das Ganze lief offenbar mithilfe umfassender technischer Ausstattung ab, Bellenhaus soll dabei eine Art kleines Rechenzentrum aufgebaut haben, mit dessen Hilfe es gelang, Transaktionen und Umsätze zu erfinden und nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch die immer misstrauischer werdenden Wirtschaftsprüfer zu täuschen.

Dutzende Beschuldigte

Marsalek soll Bellenhaus dabei gesteuert haben. Doch auch Braun und von Erffa sollen von dem Betrug gewusst haben. Die derzeit Angeklagten sollen nicht die Einzigen gewesen sein, die vom Betrug wussten. Dass weitere Anklagen folgen, gilt als wahrscheinlich. Zuletzt führte die Staatsanwaltschaft Dutzende Beschuldigte.

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