Wirecard-Chef chattete mit BVT-Mann noch Wochen nach der Flucht
Seit Juni 2020 ist Jan Marsalek auf der Flucht. Der ehemalige Vorstand des Wirecard-Konzerns wird in Russland vermutet. In die Flucht verwickelt sein soll, wie seit längerer Zeit bekannt, Martin W., früherer Abteilungsleiter im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Nun haben Ermittler in der Causa durch Zufall brisantes Material auf dem Handy von Egisto Ott, ebenfalls ein früherer BVT-Mitarbeiter, gefunden. Darüber berichtet die Süddeutsche Zeitung (SZ).
Martin W. hatte ihm die Chats nach Erkenntnissen der Ermittler unter dem Decknamen John Green am 19. September 2020 weitergeleitet, zwei Monate nach Marsaleks Flucht. Offenbar chattete W. noch Wochen, nachdem der ehemalige Wirecard-Vorstand abgetaucht war, mit Marsalek.
Daraus lässt sich auch genauer schließen, wie Marsalek die Stunden vor seiner Flucht verbrachte. Am 18. Juni 2020 traf er sich mit W. und einer Freundin in einem italienischen Restaurant in der Münchener Innenstadt. Einen Tag später flog er am Abend vom Flugplatz Bad Vöslau nach Minsk und reiste später vermutlich nach Moskau weiter. Dann verliert sich seine Spur.
Ratschläge
Verwicklungen in die Flucht bestritt W. stets. Die Ermittler gehen laut SZ davon aus, dass es tatsächlich Marsalek war, mit dem W. dann später chattete. W. erhielt Ratschläge, wie er sich bei einer Journalisten-Anfrage verhalten solle: „Ich würde die Projekte nicht konkretisieren.“ Weil sonst Unangenehmes herausgekommen wäre: „Damit hättest Du indirekt Geld von Wirecard bekommen – juristisch legal, aber medial nicht gut.“
Auch für eine mögliche Aussage bei der Staatsanwaltschaft bezüglich des Treffens am Vorabend soll Marsalek Martin W. instruiert haben. Aus den Chats ergibt sich der Verdacht, dass Marsalek die zuvor bei der Staatsanwaltschaft getätigten Aussagen der Freundin bereits gekannt haben könnte. Woher auch immer. Martin W. war für die SZ nicht erreichbar.
Die Ermittler wollen zudem wissen, wo Egisto Ott sich am Tag der Flucht aufhielt. Seinem Chef im Innenministerium schrieb er über WhatsApp: „Müsste mir heute freinehmen, da es meiner Mutter (87) nicht gut geht.“ Das war aber wohl ein Vorwand: Bei einer Durchsuchung fand man handschriftliche Notizen – offenbar hatte Schellenbacher am Nachmittag des 19. Juni mehrere Autokennzeichen notiert. Ausschließlich von Wagen der Marke Skoda, wie sie die Polizei oft nutzt, dazu auch Uhrzeit und Beschreibungen der Fahrer. Zu diesem Zeitpunkt soll er sich auf der Autobahn bei Salzburg befunden haben. Saß er etwa mit Marsalek im Auto und hielt Ausschau nach Zivilpolizisten?, fragt sich die Süddeutsche.
An Marsaleks Flucht soll auch Ex-FPÖ-Abgeordneter Thomas Schellenbacher als mutmaßlicher Helfer beteiligt gewesen sein. Der in einer anderen Causa Inhaftierte soll die Cessna bestellt haben, mit der Marsalek abhob. Zuvor kundschaftete er laut Ermittlern noch am Tag der Flucht den Flughafen Bad Vöslau aus und fotografierte die Polizeistation. Dabei habe er Marsalek den Flughafen nur „zeigen und Werbung für den Standort Bad Vöslau“ machen wollen, gab er später an. Und die Fotos habe er nur dafür gebraucht.
Die Genannten bestreiten dem Vernehmen nach die Vorwürfe.
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