Wifo-Chef Aiginger: „Das Bankgeheimnis muss fallen“

Prof. Karl Aiginger , Wifo
Nur noch persönliche Schutzinteressen sollen gelten, ansonsten sei das Bankgeheimnis in der heutigen Form obsolet, sagt WIFO-Chef Aiginger. Finanzministerin Fekter ist strikt gegen die Debatte.

Die neuen Enthüllungen über das weltweite Netz der Steueroasen verschärfen den Druck auf jene Länder in der EU, die noch ein Bankgeheimnis kennen – darunter auch Österreich. Die EU fordert massiv, dass sich auch Österreich endlich dem automatischen Informationsaustausch über Daten von Steuerausländern anschließt. Bisher hebt Österreich nur eine Steuer auf die Zinserträge von Ausländern ein und gibt diese Steuer an die Herkunftsländer weiter. Nicht aber die von der EU gewünschten Daten über die jeweiligen Personen.

Unzufrieden mit dieser Praxis ist auch Karl Aiginger, Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes (WIFO). Österreichs bekanntester Ökonom fordert im KURIER-Gespräch die sofortige Abschaffung des Bankgeheimnisses in seiner heutigen Form und Praxis.

Österreich müsse sich „einen Ruck hin zu mehr Transparenz und Ehrlichkeit geben“. Auch im Kontext der Korruptionsfälle und Skandale der letzten Jahre dürfe Österreich schon aus Imagegründen nicht länger das Bankgeheimnis aufrechterhalten und müsse massiver als in der Vergangenheit gegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche vorgehen.

Aufklärung

Die Praxis des Bankgeheimnisses habe dazu beigetragen, sagt Aiginger, dass Korruptionsfälle wie auch Steuerflucht in den allermeisten Fällen nicht, aber jedenfalls lange nicht aufgedeckt wurden. Bei öffentlichem Interesse im Rahmen etwa eines Korruptions- oder Schwarzgeldverdachts sei das Schutzinteresse des kleinen Sparers schon öfter als Argument für Verzögerungen und Blockaden bei der Auskunftspflicht der Banken benutzt worden. Eine Reform des Bankgeheimnisses für Ausländer müsse den internationalen Regeln entsprechen, das Bankgeheimnis für Inländer – falls es überhaupt unterschiedlich sein soll – müsse schützenswerte Tatbestände definieren. Wo kein begründetes Schutzinteresse vorliege, müsse es auch maximale und rasch durchsetzbare Transparenz geben, so der Experte. Aigingers Schlussfolgerung: „Das Bankgeheimnis in der jetzigen Form muss fallen. Das Schutzinteresse des kleinen Sparers wird benutzt, um große Steuervermeidung und illegale Geldtransfers zu begünstigen.“

Stabilität

Hätten deutsche Banken nicht bei Transfers von und nach Zypern und Griechenland mitgespielt, nennt der Ökonom als Beispiel, wäre das Finanzsystem stabiler und die nötigen Hilfszahlungen viel geringer. Aiginger: „Bei Verdacht auf Steuerhinterziehung, Schwarzgeld oder Korruption hat ein Bankgeheimnis keine Berechtigung.“

Während es bei Steuerausländern ohnehin nur eine Frage der Zeit sei, bis sich die EU mit ihrer Forderung nach dem automatischen Datenaustausch durchsetzen werde, ist die Forderung nach einem „Restart“ für das Bankgeheimnis auch für Inländer völlig neu.

Aiginger will nur noch berechtigte und definierte Ausnahmen auf persönlicher Ebene gelten lassen. Etwa dass der Arbeitgeber keinen Einblick in die Finanzlage seiner Mitarbeiter bekommt. Und: „Niemand soll beim Nachbarn, bei der Großmutter oder dem geschiedenen Partner schnüffeln können.“ Gegenüber der Bank sollte aber generell jede Herkunft der Mitteln angegeben werden und jede Verwendung bei begründetem Verdacht nachvollziehbar sein. In der Praxis ist das Bankgeheimnis für Inländer aber ohnehin schon massiv ausgehöhlt worden, nicht zuletzt durch die Abschaffung der anonymen Sparbücher.

Fekters Njet

Finanzministerin Maria Fekter ist dennoch vehement gegen jede Diskussion über das Bankgeheimnis. Sie sagte zum KURIER: „Das Bankgeheimnis wird nicht angetastet. Auch wenn es da scheinbar gegenteilige Meinungen gibt, das Thema steht überhaupt nicht zur Debatte.“ Fekters Nachsatz: „Ich werde für den Erhalt des Bankgeheimnisses kämpfen.“

Ebenso ist Fekter für den Schutz bis 100.000 Euro, was die Einlagensicherung der Sparer anbelangt. Am Rande eines Treffens in Brüssel sagte die Ministerin, „es gibt einen großen politischen Konsens darüber, dass die Einlagensicherung bis 100.000 Euro europaweit gelten soll, aber in jedem Land für sich gesichert sein muss“.

Kritik an Fekter

Der renommierte Steuerrechtsexperte Werner Doralt hat Freitagnacht Kritik an den Argumenten von VP-Finanzministerin Maria Fekter zur Notwendigkeit der Bewahrung des Bankgeheimnisses in Österreich geübt. Das Bankgeheimnis diene dem Bankenplatz und nicht den Konsumenten, erklärte Doralt in der ZiB 24 und fügte hinzu: "Weiß sie es nicht besser, ist es schlimm, weiß sie es aber schon besser, sagt es aber nicht, ist es auch schlimm". Hinsichtlich des Bankgeheimnisses könne Österreich durchaus als "Steueroase" bezeichnet werden, so Doralt: "Was ist denn eine Steueroase? Ein Land, das durch ein starkes Bankgeheimnis Ausländern ermöglicht, ihr erspartes Geld unversteuert zu bunkern und es dem ausländischen Fiskus vorzuenthalten."

Auch aus den Reihen der SPÖ kommt - wenig überraschend - Kritik: Oberösterreichs LH-Stellvertreter und SP-Chef Josef Ackerl hat Finanzministerin Fekter Untätigkeit gegenüber Steuersündern vorgeworfen. Anstatt der systematischen Steuerhinterziehung samt Schwarzgeldverschub endlich einen Riegel vorzuschieben, sehe sich die Finanzministerin als "Schutzbefohlene von Steuerdieben" und gefährde so den sozialen Frieden und die Stabilität in ganz Europa, empörte sich Ackerl in einer Presseaussendung am Samstag. "Es wird an der Sozialdemokratie liegen, Frau Fekter zum Handeln zu bringen."

Sie stelle sich auf die Seite jener, die den Sozialstaat demontieren wollen. Wer zulasse, dass Gelder ins Ausland verschoben werden, nehme in Kauf, dass die Finanzierung von Gesundheits-, Pensions- und Infrastrukturleistungen immer schwieriger werde. Anstatt gegen Arbeitslosigkeit und Armut vorzugehen, mauere Fekter und verfolge stur ihren Kurs für Banken und Kapitalmärkte, so Ackerl. Würde sie sich für die Menschen interessieren, würde sie sich gemeinsam mit der SPÖ für einen Steuerpatriotismus einsetzen. Die ÖVP stelle sich lieber hinter Kriminelle als hinter aufrichtige Steuerzahler, die mit ihren ehrlichen Beiträgen die Stützen des Wohlstandes und des sozialen Friedens in Österreich seien.

Rauch verteidigt Fekter

VP-Generalsekretär Hannes Rauch hat Fekter am Samstag in Schutz genommen. Die SPÖ wolle permanent in den Taschen der Österreicher schnüffeln, Fekter stehe dagegen hinter den Sparern in Österreich, erklärte er in einer Aussendung. Mit der Vermögenssteuer wollten "die Genossen" Einblick in das Eigentum der Österreicher, "mit der Aufhebung des Bankgeheimnisses wollen sie nun in die Konten schauen", so Rauch. "Am Ende geht es der SPÖ darum, den Menschen möglichst viel Geld abzuknöpfen."

Wichtig sei aber der aktive Kampf gegen Steuerhinterziehung. Österreich sei bei der Geldwäschebekämpfung Vorreiter und setze aktiv Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuerbetrug. "Die ÖVP liegt einmal mehr den Österreichern im Wort, die ihre Daten und die Konten geschützt wissen wollen", betonte er. "Deshalb kommt es nicht infrage, das Bankengeheimnis aufzuheben."

Zumal Abkommen mit anderen Staaten, wie der Schweiz und Liechtenstein, effizienter seien als große Datenaustauschabkommen, die nur Datenfriedhöfe produzierten. "Maria Fekter steht einmal mehr hinter den Sparern in Österreich", so Rauch.

Will die heimische Justiz wegen Ermittlungen Informationen dazu, wer wo in Österreich ein Konto besitzt, so muss bei den Bankenverbänden dahingehend eine Anfrage gestellt werden - samt Begründung, warum es ein Verfahren gegen die Person gibt. Die Verbände verteilen die Information dann an die Banken. Die Bank ist dann verantwortlich, zu nennen, ob die entsprechende Person ein Konto hat. Erst in einem zweiten Schritt werden die Kontodaten möglicherweise offengelegt.

OECD-Experten forderten zuletzt Anfang Jänner erleichterten Zugang der Justiz zu Bankdaten in Österreich. Auch hatte die Korruptionsstaatsanwaltschaft kritisiert, dass Auskunftsersuchen durch die zahlreichen Berufungsmöglichkeiten der Finanzinstitute verzögert würden. In die selbe Kerbe schlug dann auch die OECD. Die Kreditinstitutsverbände würden gegen Anfragen der Justiz "automatisch" Berufung einlegen, hieß es. Und weiter: "Die routinemäßige Beeinspruchung gerichtlicher Anordnungen" durch die Banken sei ein "ernsthaftes Hindernis" bei der Strafverfolgung.

In Deutschland haben die Behörden hingegen die Möglichkeit, alleine aufgrund eines Verdachtes und ohne Begründung in ein Register einzusehen. Die Nichtregierungsorganisation Attac kritisiert an der heimischen Lösung, dass "durch die Verzögerungen aufgrund der nötigen Anfragen in Österreich Versteckmöglichkeiten Tür und Tor geöffnet" seien, sagte deren Sprecher David Walch am Freitag zur APA.

Der Bankenverband wies schon im Jänner den Vorwurf umgehend zurück, durch routinemäßige Beeinspruchung von Kontoöffnungen Ermittlungen verzögern zu wollen. Demnach hätten die fünf Fachverbände der Banken im Vorjahr zwei Drittel der insgesamt 122 Kontoöffnungsbeschlüsse sofort an die Banken weitergeleitet. Nur in 34 Prozent der Fälle habe es Beschwerden gegeben. Gut der Hälfte der Beschwerden sei vom Gericht stattgegeben worden.

Der 2011 verstorbene Schweizer Playboy Gunter Sachs hat sich gleich mehrerer Steuerparadiese bedient, darunter Panama, Jersey, Britische Jungferninseln, Luxemburg und auch Rarotonga. Die Insel liegt zwischen Neuseeland und Hawaii. Die lange Reise dorthin hat laut Süddeutscher Zeitung sein Berater angetreten. Dieser hat dort sechs Briefkastenfirmen um je 2700 Dollar gegründet, die in eine Scheinkonstruktion eingebettet wurden. Somit blieb der wahre Eigentümer verborgen.

Sachs Nachlassverwalter betonen, dass die Vermögenswerte offengelegt wurden. Die Steuerbehörden meinen, das reiche ohne Nennung der Firmen nicht. Die Erben, seine drei Söhne, durften sich jedenfalls über 470 Mio. Schweizer Franken freuen. Sachs, gebürtiger Deutscher, kam bereits 1976 mit der Finanz in Konflikt. Die deutschen Behörden durchsuchten seine Wohnsitze nach Beweisen, dass sein Hauptwohnsitz nicht in der Schweiz, sondern in Deutschland ist – erfolglos.

Auf der Liste steht auch die älteste Tochter des früheren Diktators der Philippinen, Maria Imelda Marcos. Sie könnte auf den Britischen Jungferninseln einen Teil des außer Landes geschafften Familienvermögens in Milliardenhöhe horten.

Auf den Cook Inseln findet sich eine Gesellschaft der spanischen Kunsthändlerin Carmen Thyssen-Bornemisza, auf den Cayman Inseln wiederum eine Briefkastenfirma von Jean-Jacques Augier, Wahlkampfleiter von Frankreichs Präsident Hollande.

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