Wien-Holding-Arena: Österreichs größte Eventhalle wird geschrumpft
Ein „Leuchtturmprojekt für Europa“, eine „Landmark für Wien“, schwärmte Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ), als er im Jänner 2019 die Pläne für Österreichs größte Eventhalle in Neu Marx vorstellte. 20.000 Besucher sollte die Wien-Holding-Arena fassen, auf jenem Gelände, das einst für den Neubau des ORF vorgesehen war.
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Die denkmalgeschützte Stadthalle ist für Großkonzerte zu klein und technisch längst veraltet. Die neue Superhalle soll Superstars anlocken, die derzeit einen Bogen um Wien machen. Eine Multifunktionsarena für Konzert, Show, Entertainment und Sportveranstaltungen.
Doch das Prestigeprojekt lief von Beginn an unrund und hätte die Stadt im Worst Case mehr als eine Milliarde Euro kosten können. Vergleiche mit dem Baudesaster um das Krankenhaus Nord drängten sich auf. Aus der WH Arena Projektentwicklung GmbH verabschiedeten sich Aufsichtsräte wie der Wirtschaftsanwalt Robin Lumsden und der ORF-Manager Pius Strobl. Kritische Wortmeldungen waren in dem vom Rathaus-nahen Medienunternehmer und ehemaligen Chef der Vereinigten Bühnen, Rudolf Klausnitzer, geleiteten Gremium nicht sehr erwünscht, hört man im Rathaus.
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Hanke zog die Notbremse und die Holding suchte nach einem privaten Partner. Um Planung, Errichtung, Betrieb und Finanzierung zu übernehmen, also praktisch alles.
Vor einem Monat gab das Rathaus erfreut den Bestbieter bekannt. Den Zuschlag erhielt wie berichtet die OVG Bristol mit Sitz in London, die zum US-Konzern Oak View Group gehört. Der weltweit größte Entwickler und Betreiber von Entertainment- und Sportarenen will die Halle samt allem drum und dran um 384 Millionen Euro hinstellen.
Einsprüche
Umgehend wurden beim Wiener Verwaltungsgericht zwei Anträge auf Nachprüfung und Untersagung des Vertragsabschlusses eingebracht. Die Absender sind keine Jausengegner. Beeinsprucht hat die CTS Eventim, deren erfolgsgewohnter Chef, Deutschlands Ticket-König Klaus-Peter Schulenberg „lädt gerade die Kanonen“, hört man in Veranstalterkreisen. CTS wurde bei der Fußball-WM 2006 in Deutschland vorgeworfen, 52.000 Tickets auf den Schwarzmarkt verschoben zu haben. Das Verfahren wurde 2015 gegen eine Geldzahlung eingestellt.
Hinter dem zweiten Einspruch steht der börsenotierte Baukonzern Porr, CEO Karl-Heinz Strauss soll ebenfalls auf Pulshöhe 180 sein. Porr wurde im Gewinnerkonsortium gegen die Grazer Granitbau ausgetauscht. Diese arbeitet derzeit maßgeblich an der Generalsanierung des zu den Vereinigten Bühnen gehörenden „Theater an der Wien“ mit. Das Budget von 60 Millionen Euro dürfte aufgrund von Baukostensteigerungen und zusätzlichen Anforderungen deutlich überschritten werden. Aber auch Porr baute bereits für die Wien Holding.
Die große Frage ist, wie kann OVG das Projekt um beinahe den halben Preis aufstellen? „Nur mit Downsizing und weniger Funktionalität“, meint ein Experte. Im Referenzprojekt der Projektgesellschaft, das Basis für den Architektenwettbewerb und die Ausschreibung war, ist eine Hallengröße von rund 108.000 Quadratmeter vorgegeben.
Beim Quadratmeterpreis von 4500 Euro liegen die beiden Letztbieter OVG und CTS in etwa gleich auf. Doch OVG will die Halle auf rund 60 Prozent verkleinern, auf 64.000 Quadratmeter Gesamtfläche.
CTS ging mit mehr als 92.000 Quadratmeter ins Rennen und Investitionen unter 800 Millionen Euro.
Verkleinerung
Das Gewinnerprojekt sieht wesentlich mehr Platz für VIP-Logen und Premium-Sitze vor, die Veranstaltern höhere Preise bringen, aber deutlich weniger Raum für Produktion und Technik. Aus den Verfahrungsunterlagen geht hervor, dass im Referenzprojekt knapp 8000 Quadratmeter für Produktion eingeplant waren, OVG aber mit 4542 Quadratmeter kalkuliert. Für die Technik sind statt mehr als 12.000 nur 7173 Quadratmeter vorgesehen. Der Zweiplatzierte hatte für die Technik mehr als 20.500 Quadratmeter eingeplant.
„Aufgrund des Vergabeverfahrens ist es gelungen, die Errichtungskosten der Arena im Vergleich zum Konsolidierungsprojekt bei Beibehaltung der Qualität und Umsetzung einer Must-Play-Arena in Europa zu reduzieren“, erklärt dazu Wolfgang Gatschnegg, Sprecher der Wien Holding. Das sei vor allem durch die den Bietern überlassene freie Gestaltung des Innenraums erreicht worden. Die Funktionalität sei nicht eingeschränkt. OVG könne das Geforderte eben auf weniger Raum bieten und übernimmt auch die bisher aufgelaufenen Vorkosten von rund 27 Millionen Euro.
Die Wien Holding werde sich an der Projektgesellschaft der OVG nicht beteiligen, stellt Gatschnegg gegenüber dem KURIER klar, „insbesondere auch um eine klare Risikoabgrenzung sicherzustellen“. Das Grundstück in Neu Marx bleibe im Eigentum der Stadt, für das Gebäude werde ein Baurecht gewährt. Die Wien Holding werde am wirtschaftlichen Erfolg der Arena beteiligt. Die Ausgestaltung wird nicht verraten. Das Rathaus wird „nur“ 55 Millionen Euro investieren, Nachschusspflichten gibt es nicht.
1-Pfund-Gesellschaft
Interessant ist die Konstruktion der OVG Bristol. Diese wurde im Mai 2021 ( Firmennummer 13405650) als Limited-Gesellschaft gegründet – mit einem Pfund Grundkapital. Auch wenn der Konzern dahintersteht, gibt es doch formalrechtliche Verpflichtungen und Haftungen. Scheint aber kein Problem zu sein. Der präsumtive Zuschlagsempfänger erfülle aus Sicht der Wien Holding „alle formalrechtlichen Verpflichtungen aus dem Vergabeverfahren“, argumentiert der Holding-Sprecher.
Die Bieter forderten übrigens eine zweijährige Breakoff-Klausel und erhielten diese auch zugestanden. OVG könnte also innerhalb dieser Frist wieder aussteigen, unter Begleichung aller angefallenen Kosten. Dann hieße es für die Stadt „zurück an den Start“.
Francesca Bodie, bei OVG Direktorin für Business Development und Verhandlungsführerin, streut der Stadt Wien jedenfalls enthusiastisch Rosen und spart dabei nicht mit Eigenlob. Man habe eine riesige Bewunderung für die Stadt Wien für ihre Vision, Kontinentaleuropas beste Arena zu liefern und einen Partner gefunden zu haben, der nachweislich hervorragende neue Arenen liefere, die Kosten der Steuerzahler minimiere und Innovation und Nachhaltigkeit priorisiere, heißt es nach dem Zuschlag in einer Aussendung. Man darf gespannt sein.
Die Vorgeschichte
Ursprünglich wollte die Wien Holding die Arena selbst bauen, 2024 sollte Eröffnung gefeiert werden. Im Dezember 2020 gewinnen Kronaus, Mitterer und Gallister den Architektenwettbewerb. Hanke nannte 250 Millionen Euro als Kosten, aber nur für den Rohbau. Der Stadtrechnungshof kam auf Gesamtkosten von 742 Millionen Euro, Schwankungsbreite plus/minus 30 Prozent. Im Jänner 2022 startete die Stadt das Vergabeverfahren, um doch einen privaten Partner an Bord zu holen. Jetzt ist der Baubeginn für 2025 geplant, die Fertigstellung für Ende 2029
hodoschek.andrea@gmail.com
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