Welche Lehren Wien Energie aus ihrem "Black Friday" gezogen hat

Die Fernwärme soll ausgebaut werden. Auf Erdgas, das bisher 60 Prozent der Energie liefert, will Wien Energie bis 2040 verzichten.
Der Regionalversorger hat in Folge der Energiekrise sein Risikomanagement neu aufgestellt, drängt aber auch auf strukturelle Veränderungen durch die Politik.

"Es gibt eine Zeitrechnung bis 2022 und eine Energiewirtschaft nach 2022". So beschrieb Wien-Energie-Chef Michael Strebl am Montag vor Journalisten die Turbulenzen, die der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ausgelöst hat. Dem Unternehmen im mittelbaren Eigentum der Stadt Wien drohte Ende August 2022 sogar die Zahlungsunfähigkeit. In Folge dieses "Black Friday" wurde das Risikomanagement neu aufgestellt.

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"Die Preise werden nicht in Wien gemacht", sagte Aufsichtsratschef Peter Weinelt, "der Gasmarkt ist ein weltweiter Markt". Zwar seien die Großhandelspreise von Strom und Gas wieder deutlich gesunken, sie lägen aber immer noch "beim Doppelten bis Dreifachen" des Vorkrisenniveaus. Und obwohl die Energiekrise weitgehend überstanden zu sein scheint, gebe es nach wie vor Bedarf an strukturellen Reformen.

Das betrifft etwa den Handel an den Energiebörsen. Dieser sollte laut Weinelt bei extremen Kursschwankungen ausgesetzt werden, wie das auch bei anderen Börsen üblich sei. Russland ist nach wie vor ein wichtiger Energielieferant für Europa. Durch Pipelines und als Flüssiggas kamen im dritten Quartal 2023 noch etwa 15 Prozent der europäischen Gasimporte aus Russland.

Welche Lehren Wien Energie aus ihrem "Black Friday" gezogen hat

Michael Strebl, Wien Energie

Damit sich die Ereignisse vom August 2022 nicht wiederholen, hat Wien Energie mit Beratung von KPMG neue Sicherheitsstandards im Großhandel implementiert, die an das Risikomanagement von Banken angelehnt sein sollen. Außerdem wird ein Risikoausschuss im Aufsichtsrat eingerichtet. Über ein Bankenkonsortium hat sich das Unternehmen eine milliardenschwere Kreditlinie gesichert, die es im Notfall abrufen kann. Damit sei "ein Vielfaches des Black Friday verkraftbar".

Versorgungssicherheit

Um die Versorgungssicherheit auch bei einem Ausfall russischer Gaslieferungen sicherzustellen, hat sich Wien Energie Mengen aus dezidiert nicht-russischen Quellen gesichert. Diese machen 30 Prozent des Verbrauchs aus, zusammen mit der Nutzung von Abwärme und Öl (statt Gas), könnte damit der Fernwärmebetrieb aufrecht erhalten werden, sagte Strebl.

Langfristig betrachtet werde aber nur die Dekarbonisierung, also die Abkehr von den fossilen Energieträgern Kohle, Öl und Gas neue, stabile Bedingungen schaffen. Dazu setzt Wien Energie auf den Ökostromausbau sowie in der Fernwärme auf die Nutzung von Abwärme, Geothermie, Wärmepumpen und erneuerbare Gase.

Beim Ausbau der Fernwärme, insbesondere im Bestand, sieht Strebl ein Problem bei den Rahmenbedingungen. Gehofft hatte Strebl auf "ein Umstellungsgebot für Öl und Gas" im Zuge des Erneuerbaren-Wärme-Gesetzes. Nach monatelangem Gezerre hat die Regierung stattdessen aber ein "Erneuerbaren-Wärme-Paket" präsentiert, das zwar Förderungen aber kein Verbot für Öl- und Gasheizungen vorsieht.

Endverbraucherpreise

Dass man die gesunkenen Großhandelspreise nur in Form von Rabatten, nicht aber durch Tarifsenkungen weitergegeben habe, erklärt Strebl mit der Vertragsgestaltung. 

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Die meisten Tarife seien an Preisindizes (wie den Österrechischen Strompreisindex ÖSPI, Anm.) gekoppelt und diese hätten keine entsprechende Senkungen hergegeben. Auch hier ortet man bei Wien Energie Reformbedarf: Die Branche brauche eine klare rechtliche Regelung, wie Tarife angepasst werden dürften.

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