Einige der größten Ölkonzerne der Welt sind der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Während staatsnahe Unternehmen wie Saudi Aramco oder "Big Oil"-Unternehmen wie Shell oft in die Kritik geraten, machen diese Firmen lukrative Geschäfte, ungestört von der öffentlichen Wahrnehmung.
Denn ein Gutteil der Rohstoffe, die die Weltwirtschaft braucht - darunter auch Öl - wird weltweit von unabhängigen Händlern gehandelt. Die größten sitzen in der Schweiz und haben Jahresumsätze von teils mehreren Hundert Milliarden Dollar – vergleichbar mit der Wirtschaftsleistung eines Industriestaates. Die Umsätze dieser privaten Händler sind mit dem Anstieg der Ölpreise im Jahr 2022 regelrecht in die Höhe geschossen, die hohen Preisschwankungen am Energiemarkt ermöglichten den Konzernen enorme Margen.
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Dass es diesen Firmen weitgehend gelingt, in der Öffentlichkeit unbekannt zu bleiben, liegt zum einen daran, dass sie kein Endkundengeschäft haben, sondern nur mit anderen Firmen handeln. Zweitens ist mit Glencore nur eine der fünf größten börsennotiert. Typischerweise gehören die Rohstoff-Handelsfirmen ihren Gründern und anteilig dem Management, ähnlich wie etwa bei Anwaltskanzleien, sagt Oliver Classen von der Schweizer NGO Public Eye, die den Sektor schon seit Jahren beobachtet. Ein aggressives Bonussystem und tiefe Margen produzieren dabei Wettbewerbsdruck und einen hohen Risikoappetit, so Classen zum KURIER.
Vom Bohrloch zum Tank
Doch wo schalten sich diese Händler in der Wertschöpfungskette ein? Es handelt sich um „eine der globalisiertesten Branchen“ überhaupt, sagt Classen. Die dominanten Unternehmen haben Standorte auf der ganzen Welt, um Möglichkeiten rechtzeitig wahrzunehmen – also etwa, wenn es darum geht, billig einzukaufen.
Insbesondere in Staaten, in denen es keine großen staatlichen Energiekonzerne gibt, tun sich hier Möglichkeiten auf, etwa in Westafrika, Südostasien oder auch Südamerika.
Die Intransparenz ist dabei ein wichtiger Teil des Geschäftsmodells: Es geht bei dem Handel um einen Kommunikationsvorsprung und auch darum, sich Zugang zu Rohstoffen zu verschaffen. Dabei wurde Korruption bislang oftmals als normaler Vorgang eingepreist, Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden in Kauf genommen, wie mehrere bekannt gewordene Fälle veranschaulichen.
„Die Umsätze dieser Unternehmen sind teilweise größer als die Bruttoinlandsprodukte der Staaten, in denen sie operieren“, beschreibt Classen die Machtfülle der Konzerne. Später wird dann beispielsweise das Rohöl an einen Konzern verkauft, der daraus Konsumgüter wie Treibstoffe raffiniert.
Drehscheibe Schweiz
Neben Information braucht das Geschäft vor allem Zugang zu großen Geldmengen und zu Infrastruktur. Die Unternehmen betreiben etwa über Tochterfirmen Tankerflotten, Lager und Hafeninfrastruktur. „Die Margen sind bei Rohstoffen relativ klein, dafür sind die Volumina riesig“, beschreibt Classen. Der gute Zugang zu spezialisierten Banken ist für den Experten auch einer der Gründe für die Popularität des Standorts Schweiz.
Dazu kämen noch die Handelstradition, das internationale Umfeld und das ausgesprochen „milde Regulierungsklima“. Auch Steuern sparen ließe sich dort mit entsprechenden Firmenkonstrukten optimal. Physisch in die Schweiz importiert werden die Rohstoffe deswegen nicht, man spricht von Transithandel.
Vor dem Ukraine-Krieg war die Schweiz auch die weltweit wichtigste Umschlagstelle für russisches Öl, Schätzungen zu Folge wurde mehr als die Hälfte der Exporte über das kleine Land gehandelt. Mit der Übernahme des EU-Sanktionsregimes durch die Schweiz sei der auf Russland spezialisierte Teil der Szene sehr schnell unübersichtlich geworden, sagt Classen. Kleine, neue Firmen tauchten auf und übernahmen einen Teil der Geschäfte. Das ist insofern beachtlich, als die Ansprüche an Logistik und Finanzierung in der Branche hoch sind.
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Ob via Schweiz auch illegale Geschäfte mit Russland abgewickelt werden, müsste eigentlich von den Behörden kontrolliert werden. Denen fehlen dafür aber die Instrumente und Ressourcen, kritisiert Classen. „Das eigentliche Problem ist aber, dass der politische Wille in Bern fehlt, dieser Hochrisikobranche auf die Finger zu schauen“. Public Eye fordert schon seit Jahren die Schaffung einer „Rohstoffmarktaufsicht“, analog zur Finanzmarktaufsicht.
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