Langsamer Hochlauf
Wasserstoff wird vorrangig mit Erdgas hergestellt. Laut der Lobbyorganisation „Hydrogen Council“ gibt es weltweit Pläne für die Produktion von 38 Millionen Tonnen grünem Wasserstoff pro Jahr bis 2030. Installiert sind bisher aber lediglich Kapazitäten von 0,8 Millionen Tonnen.
EU-weit sollen 2030 10 Millionen Tonnen grüner Wasserstoff produziert werden. Insbesondere Produktionsüberschüsse aus den stark schwankenden Technologien Wind- und Sonnenenergie könnten dafür genutzt werden. Zur Deckung des Bedarfs würde das aber nicht ausreichen. Weitere 10 Millionen Tonnen müssten also, wie bisher fossile Energieträger, importiert werden.
Anders als bei Erdgas, ist die Verschiffung von Wasserstoff bisher allerdings ein Orchideen-Thema. Denn Wasserstoff muss zur Verflüssigung auf minus 253 Grad gekühlt werden. Das verbraucht wiederum Energie und ist auch technisch aufwendig, bestehende Infrastruktur gibt es dafür im Grunde keine. Manche Akteure, etwa der größte deutsche Stahlkonzern Thyssenkrupp setzen deswegen auf das Wasserstoff-Derivat Ammoniak.
➤ Mehr zum Thema: Wie eine giftige Chemikalie das Klima retten soll
Import aus Nordafrika
Am Grazer Wasserstoff-Forschungszentrum HyCentA sieht man die Lösung woanders und setzt vor allem auf den Import durch Pipelines. Diese müssten zumindest nicht gänzlich neu gebaut werden, weil bestehende Erdgas-Pipelines mit vertretbarem Aufwand umgerüstet werden könnten, sagen Alexander Trattner und Thomas Stöhr vom HyCentA im Gespräch mit dem KURIER. Der Großteil der bestehenden Rohre im Übertragungsnetz könnte demnach verwendet werden, nachrüsten müsste man aber etwa die Kompressorstationen. Der Ausbau findet im Zuge der European Hydrogen Backbone Initiative statt. Insbesondere die Verbindungen, die derzeit Erdgas von Nordafrika nach Europa bringen, könnten bei der Versorgung Europas mit Wasserstoff eine wichtige Rolle spielen.
Bis 2030 soll zudem die Pipeline „H2Med“ durch das Mittelmeer von Barcelona nach Marseille gebaut werden. Von der französischen Hafenstadt aus ist eine Verlängerung nach Mitteleuropa geplant. In Deutschland gibt es Pläne für ein 11.200 Kilometer langes „Wasserstoff-Kernnetz“ bis 2032. In Österreich sollen laut Stöhr je ein Strang der West-Austria-Gasleitung (WAG, von der Ostregion an die bayrische Grenze) und ein Strang der Trans Austria Gasleitung (TAG, von der Ostregion an die italienische Grenze) umgewidmet werden.
„Verglichen mit Lkw oder Schiffen ist die Pipeline unschlagbar effizient“, sagt Stöhr. Wasserstoff sei zwar „nicht die Lösung für alles“, aber insbesondere für die Energiesicherheit wichtig, sagt Trattner. Dabei gehe es darum, die Energiewende mit „möglichst geringem Ressourceneinsatz“ umzusetzen. Ein Solarkraftwerk hat in einem südlicheren Land etwa den zweieinhalbfachen Output wie in Mitteleuropa, rechnet der Experte vor. Selbst wenn bei der Umwandlung in Wasserstoff 30 Prozent der Energie verloren gehen, und beim Transport weitere 15 Prozent, wäre das immer noch effizienter, argumentiert Trattner.
➤ Mehr zum Thema Energie: Was von der Energiekrise geblieben ist
Bei der langfristigen und großvolumigen Speicherung gab es im April einen Schritt nach vorne. Die EVN-Tochter RAG nahm in Oberösterreich den weltweit ersten geologischen Wasserstoff-Speicher in einem ausgeförderten Erdgasfeld in Betrieb.
Kommentare