Weniger SB-Kassen im Supermarkt? Nicht in Österreich
In Großbritannien und den USA werden zunehmend Selbstbedienungskassen in Supermärkten dichtgemacht. In Österreich geht der Trend in die entgegengesetzte Richtung.
Im November kündigte die britische Supermarktkette Booth an, Selbstbedienungskassen in 26 seiner 28 Filialen einzustellen. Auch in den USA rücken Handelskonzerne zunehmend von den Kassen ab, an denen Kunden ihre Waren selbst einscannen müssen. Die Ketten Walmart, ShopRite und Wegmans machten in vielen Läden ihre SB-Kassen dicht.
Neben der fehlenden persönlichen Interaktion, die vor allem bei älteren Kunden nicht gut ankommt, wird auch die Zunahme von Inventarverlusten, entweder durch Fehler beim Einscannen oder durch Ladendiebstahl, von den Handelskonzernen als Grund für das Abgehen vom Self-Checkout genannt. Wie sieht es im österreichischen Handel aus?
Von einem Zurückfahren der SB-Kassen kann keine Rede sein. „Im Gegenteil“, sagt eine Billa-Sprecherin: Man werde solche Systeme in den nächsten Jahren verstärkt installieren. 567 SB-Kassen sind österreichweit in rund 135 Billa-Märkten im Einsatz, die erste wurde 2014 in der Wiener Mariahilfer Straße eröffnet. 30 Prozent der Einkäufe werden über sie abgewickelt, vorwiegend solche mit weniger Artikeln, etwa beim Jausen-Einkauf.
Bei Spar verhält es sich ähnlich. In 60 Filialen mit hoher Frequenz hat die Kette im Durchschnitt vier SB–Kassen im Einsatz. Sie werden vor allem von jüngeren Leuten genutzt, heißt es aus dem Unternehmen.
Zu Personaleinsparungen habe die Technologie nicht geführt, da für die Aufsicht, die Freischaltung von Rabatten und altersbeschränkten Produkten weiterhin Personal notwendig sei. Die Abwicklung habe sich aber beschleunigt. Auch bei Billa und beim Möbelhändler Ikea sagt man, dass sich durch die SB-Kassen die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht verringert habe.
Bei Ikea sind es nach Angaben des Unternehmens sogar 80 Prozent der Kunden, die den Self-Checkout nutzen, der in Österreich seit 2011 angeboten wird. In der Filiale am Wiener Westbahnhof gibt es gar keine anderen Kassen mehr. „Die Wartezeiten werden drastisch reduziert und gleichzeitig können mehr Kassen zur Verfügung gestellt werden“, sagt ein Unternehmenssprecher.
„Für ältere Leute ist das persönliche Gespräch an der Kassa ein wichtiger Punkt des Einkaufserlebnisses“
von Cordula Cerha
Handelsforscherin, Institut für Retailing und Data Science, WU Wien
Inventarverluste nicht größer
Ist der Warenverlust durch die SB-Kassen größer geworden? Das sei nicht der Fall, heißt es bei Billa. Um Ladendiebstähle zu verhindern, habe man Mitarbeiter vor Ort im Kassenbereich. Belastbare Studien dazu gebe es nicht, sagt die Handelsforscherin Cordula Cerha vom Institut für Retailing und Data Science an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien. Letztlich sei es eine Frage des Kontrollaufwands. „Je schärfer das Kontrollsystem, desto weniger Ladendiebstahl gibt es. Desto personalintensiver ist es aber auch, die Kassen zu betreiben.“
Dass in Großbritannien und den USA Selbstbedienungskassen wieder abgebaut würden, liege auch daran, dass die Automatisierung dort viel früher begonnen habe, heißt es aus Handelskreisen. In Österreich sei bei der Automatisierung des Handels hinten nach.
Dort, wo es eine hohe Kundenfrequenz mit kleineren Einkäufen gebe, funktioniere der Self-Checkout gut. Bei Großeinkäufen sei es auch für Konsumenten nicht so bequem, meint Handelsforscherin Cerha.
Man dürfe in Zeiten der Digitalisierung und Technologie auch nicht vergessen, dass viele Leute soziale Bedürfnisse beim Einkaufen befriedigen. „Für ältere Leute ist das kurze Gespräch an der Kassa ein wichtiger Punkt des Einkaufserlebnisses.“
Studien hätten etwa gezeigt, dass es für viele der einzige Kontakt gewesen sei, den sie mit anderen Leuten gehabt hätten. Auch bei Spar ist man sich dessen bewusst. In ausgewählten Geschäften, werde es auch weiterhin keine SB–Kassen geben, sagt ein Firmensprecher: „Der persönliche Kontakt gehört zum Einkaufserlebnis dazu und ist durch Technik auch nicht ersetzbar.“
Auf dem Weg zum kassenlosen Supermarkt
Auch in Großbritannien und den USA bedeuten weniger Selbstbedienungskassen nicht zwangsläufig weniger Automatisierung. Es gibt auch einen gegenläufigen Trend, nämlich den kassenlosen Supermarkt. Amazon hat etwa in den USA, aber auch in London, bereits solche Geschäfte eröffnet. Auch Aldi oder Tesco verfügen im Vereinigten Königreich bereits über einige solcher Läden, in denen Einkäufe mit Kamera- und Sensortechnologie erfasst und beim Verlassen des Marktes abgerechnet werden.
Das sei mit erheblichem Aufwand und großen Investitionen verbunden, sagt Handelsforscherin Cordula Cerha von der WU Wien. „Es sind immer noch Prestigeprojekte.“ Wirklich funktionieren würde das System auch nur in kleineren Geschäften, bei größeren Verkaufsflächen gebe es Schwierigkeiten. Diese Erfahrung habe auch Amazon machen müssen.
Ihrer persönlichen Erfahrung nach sei die Einkaufsatmosphäre in solchen Go-Stores in den USA mitunter auch ein bisschen schmuddelig. „Wenn es kein Personal gibt, ist auch niemand da, der sauber macht.“
Umgekehrt könnten aber auch überlange Warteschlangen vor der Kassa Kunden abschrecken. „Der Kassiervorgang ist ein kritischer Moment“, sagt Cerha: „Wenn ich warten muss und mich ärgere, kann es das Einkaufserlebnis verderben.“ Wenn es problemlos funktioniere, könnten kassalose Märkte auch ein positives Erlebnis bieten, räumt Cerha ein. Als Beispiel nennt sie Filialen der japanischen Bekleidungskette Uniqlo, in denen Funkchips in den Etiketten an in den Kassierkörben erkennen, was sich darin befindet. Beim Verlassen des Geschäfts müssten Kunden ihre Einkäufe lediglich in den Korb legen und ihre Kreditkarte hinhalten.
Billa-Mutter in Deutschland mit ersten kassenlosen Märkten
Im österreichischen Handel dürfte noch einige Zeit bis zum kassalosen Markt vergehen. „Das ist aktuell nicht angedacht“, sagt ein Ikea-Sprecher. Man beschäftige sich mit dem Thema, heißt es bei Billa. Tests mit Billa Boxen am Land, die auf etwas mehr als zehn Quadratmetern in kleinen Gemeinden ohne Nahversorger vorwiegend Produkte von lokalen Herstellern anbieten, die über das Smartphone bezahlt werden, und einen mitarbeiterlosen Markt in Mariazell gebe es schon heute.
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