Einkaufen im Supermarkt ohne Kassa
Auf den ersten Blick sieht dieser Supermarkt in London aus wie jeder andere. Die Rede ist vom Lebensmittelmarkt "Amazon fresh". Die Waren reihen sich in gewohnter Manier aneinander: Frisches Obst und Gemüse, gefolgt von Backwaren, einem Kühlregal mit Milchprodukten und Fertiggerichten, Gängen mit Tee, Kaffee, Haushaltswaren und Süßigkeiten. Egal in welchem Geschäft – zum Schluss mündet jeder Einkauf an der Kassa. Nur hier nicht, denn die Hauptattraktion ist das kassenlose Einkaufserlebnis.
Sensible Technologie
Das funktioniert mit feinfühliger Technologie. Eintritt gibt es mit der Amazon fresh-App. Ein persönlicher QR-Code, beim Schranken gescannt, gewährt Eintritt. Dutzende Kameras erfassen gemeinsam mit Gewichtssensoren in den Regalen jede Bewegung. Wird ein Produkt aus dem Regal genommen, landet es direkt auf dem digitalen Kassenzettel in der App. Wird das Produkt zurück gelegt verschwindet es in wenigen Sekunden auch wieder. Eine Technologie, die es auch bei selbstfahrenden Autos gibt.
Das Licht wirkt greller und es ist unheimlich leise. Beim Besuch des KURIER sehen gerade zwei Mitarbeitende nach dem Rechten. Wenn es ein Produkt nicht gibt, ist auf einem Schild im Regal "So gut, dass es weg ist!" zu lesen. Einkaufende huschen schnell durch die Gänge und nehmen nicht mehr als zwei oder drei Sachen mit. Den Wocheneinkauf macht hier niemand.
Ist das die Zukunft des Einkaufens?
"Das Experimentieren ist typisch für Händler. Es wird viel ausprobiert und es ist atemberaubend, wie viel kommt und geht", sagt der Handelsforscher Christoph Teller von der Johannes Kepler Universität Linz. Seiner Meinung nach werde Technologie nie der Hauptdarsteller im Handel sein, sondern immer im Hintergrund Regie führen und Probleme lösen, so Teller.
Amazon wirbt mit dem schnellen Einkauf ohne Wartezeit. Ein Problem, dass Handelsexperten in Großbritanniens gar nicht sehen. Vor mehr als einem Jahr eröffnete der US-Konzern den ersten dieser technologischen Stores in Europa – inzwischen gibt es 19. Der ambitionierte Plan, bis 2025 dort 260 Läden zu eröffnen, wurde auf Eis gelegt. Grund sind nicht zufriedenstellende Absatzzahlen und die Lebenshaltungskostenkrise in Großbritannien setzt Amazon unter Druck.
Dennoch implementieren andere das Konzept. Mitte Dezember hat der deutsche Handelskonzern Rewe (Billa) solch einen Supermarkt in München eröffnet. Auf 300 Quadratmetern lassen 400 Kameras keinen Zentimeter unbeobachtet. Laut Rewe ist es ihr erster vollautonomer Markt. Personal spare Rewe in München nicht, heißt es. Unter anderem, weil der Einräumvorgang aufwendiger ist.
In Österreich ist kein Supermarkt dieser Art geplant, so ein Rewe-Sprecher. Aber mit dem autonomen Einkaufen experimentieren manche sehr wohl – die linzer Unimarkt-Gruppe etwa.
Probleme lösen
Sie haben mit ihrer Unibox einen Selbstbediener-Supermarkt entwickelt. In einer Größe von 36 bis 80 m2 kann die Box in ein bestehendes Geschäftslokal eingebaut oder im Freien aufgestellt werden. "Das Problem, das damit in Angriff genommen wird, ist die Lebensmittelversorgung von unterversorgten Orten", so Teller, der das Projekt wissenschaftlich begleitete.
Eine permanente Verkaufskraft wird in der Regel nicht gebraucht. Je nach Frequenz muss sie aber mehrmals am Tag betreut werden. Mittlerweile gibt es in Österreich fast 15 Stück. "Laut unseren Studien schafft das Konzept Arbeitsplätze, wo keine sind und sie bringen Frequenz und einen sozialen Effekt. Ausgestorbene Orte erleben eine Art Mini-Renaissance", erklärt Teller. An das Öffnungszeitengesetz muss sich aber auch eine Unibox halten, obwohl Mitarbeitenden nicht immer vor Ort sein müssen.
Bezahlt wird am Kassenterminal
Bezahlt wird in der Box an einem Kassenterminal. Anders als bei Rewe oder Amazon, wo sich das Bezahlen fast wie ein Ladendiebstahl anfühlt. Der Preis wird nach Verlassen des Geschäfts per App abgebucht. Ungewohnt ist auch, sich nicht zu verabschieden. Verstohlen nicke ich dem Mitarbeiter in London, der nach dem Rechten schaut, beim Gehen aber doch zu.
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