Den Schlagabtausch mit Konsumgüterriesen wie Mars hat der Rewe-Vorstandschef noch lange nicht abgeschlossen. Warum er an das Kaufmann-Modell und den Siegeszug der Billigmarken glaubt, verrät er im KURIER-Gespräch.
KURIER: Die Tierschützer vom Verein gegen Tierfabriken (VGT) haben erneut miserable Zustände in einem Geflügelbetrieb aufgedeckt. Ein Schaden für die AMA, aber auch für alle anderen Tierwohlprogramme – wie Ihr "Fair zum Tier", oder?
Marcel Haraszti: Eines vorweg: Dieser AMA-Betrieb hat uns nicht beliefert. Alle müssen jetzt von der AMA strengere Kontrollen einfordern. Es kann ja nicht sein, dass sich ein Betrieb bei den Kontrollen durchschwindeln kann. Das ist ein klares Versagen des Kontrollsystems. Unsere Vorgaben gehen übrigens viel weiter als jene der AMA.
Reichen die gesetzlichen Bestimmungen nicht aus?
Dass die Politik das Aus der Vollspaltenböden für 2039 beschlossen hat, ist ein einziger Witz. Viel zu langsam, viel zu gemütlich. Auch dass man den Tieren zehn Prozent mehr Platz im AMA-Stall gibt, ist doch ein Pflanz der Konsumenten. Unter unserem Label gibt es keine Schweineställe mit Vollspaltenböden und die Tiere haben 100 Prozent mehr Platz.
Konventionelle Bauernvertreter würden jetzt sagen, dass da der Kunde aber leider nicht bereit ist, den Mehrpreis zu bezahlen.
Auch diese Bauernvertreter müssen umdenken, genauso wie die AMA. Tierwohl ist kein Nischenthema mehr. Wir verkaufen 62 Prozent des Geflügels unter einem Tierwohlsiegel. An der Fleischtheke gibt es bei uns nur noch Fleisch aus Tierwohlprogrammen. Das ist keine Spielerei, das ist der Kundenwunsch.
Weil man den Kunden an der Theke den Preisaufschlag besser erklären kann?
Natürlich kann man den Unterschied dort besser rüberbringen. Klar ist aber auch, dass der Kunde die Wahlfreiheit braucht. Nicht nur bei Fleisch, generell.
Die Preise steigen, die Haushaltsbudgets sinken. Wie spiegelt sich das im Einkaufswagen wider?
Die Kunden greifen zu günstigeren Produkten. Unsere Preiseinstiegsmarke Clever hat aktuell zweistellige Zuwachsraten. Auch Aktionen werden mehr angenommen als früher. Der Aktionsanteil liegt bei 40 Prozent.
Ist das nicht ein Widerspruch dazu, dass angeblich jetzt alle auf die Qualität schauen?
Nein, der Markt ist nur differenzierter. Unser Biosegment wächst heuer trotz Krise um sechs Prozent. Regionale Ware boomt weiter.
Wie laufen die Preisverhandlungen mit Konzernen wie Mars oder Haribo? Stehen Sie kurz vor einer Einigung oder Auslistung?
Wir sind in beiden Fällen noch in Verhandlung, bei Mars geht es um das Tierfuttersortiment (z. B. Whiskas).
Könnte es zu leeren Tierfutter-Regalen kommen?
Wir haben noch viel von Mars auf Lager. Und außerdem unsere Eigenmarken, die dann verstärkt ins Regal kommen. Wenn die Kunden diese ausprobieren, werden sie schnell erkennen, wie gut das Preis-Leistungs-Verhältnis ist.
Jeder sieht in den Bilanzen der Konsumgüterriesen, dass sie zwischen zehn und 15 Prozent Gewinn schreiben. Da dürfen wir schon erwarten, dass sie auch einen Beitrag leisten. Würden wir jeden Wunsch nach einer Preiserhöhung durchwinken, hätten wir eine doppelt so hohe Inflation.
Wenn Händler so schlechte Margen haben, warum sollte sich da jemand entscheiden, Billa-Kaufmann zu werden? Heuer haben die ersten drei gestartet, bis 2026 sollen es nach Ihrem Plan 100 sein …
Wir glauben an das Kaufmann-Modell, auch weil die Kaufleute im Ort verankert sind und durch regionale Angebote ein höheres Umsatz- und Margenpotenzial haben.
Rewe Austria
Zur 100-Prozent-Tochter der Kölner Rewe International gehören knapp 2.600 Standorte in Österreich (Billa, Billa Plus, bipa, Adeg, Penny). Der Konzern beschäftigt insgesamt rund 46.000 Mitarbeiter sowie 2.000 Lehrlinge. Der Umsatz der Gruppe wurde zuletzt mit 9,21 Milliarden Euro brutto beziffert
Marcel Haraszti
Der 47-Jährige ist seit 2016 Vorstand der Rewe International AG. Er begann seine Laufbahn in der REWE Group 2001, war unter anderem in der Geschäftsleitung von Billa Ukraine und Billa Rumänien
Umsatz ist aber nicht Gewinn.
Der durchschnittliche Umsatz eines Marktes liegt bei sechs bis sieben Millionen Euro. Da kann man auch bei ein paar Prozent Marge ganz gut leben.
Sind die Zeiten, in denen an jedem Kreisverkehr ein Supermarkt einen Markt in Form einer Schuhschachtel samt Parkplatz gebaut hat, vorbei?
Es waren auch die Bürgermeister, die diese Märkte in ihrer Gemeinde haben wollten. Jetzt wollen sie vielerorts, dass wir wieder in die Stadtzentren ziehen und diese beleben.
Mit mäßigem Erfolg. Die Leerstandsquote liegt angeblich bei 20 Prozent.
Wir brauchen die passenden Flächen plus Zufahrtsmöglichkeiten für Kunden, sonst macht das für uns keinen Sinn.
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