Warum wir das beste Trinkwasser haben und trotzdem damit das Klo spülen
Die Wasserversorgung in Österreich birgt mehr Überraschungen, als man glauben würde. Der KURIER hat sich gemeinsam mit dem Experten Roman Neunteufel von der Universität für Bodenkultur Wien in die Tiefen der Wasserspeicher begeben.
Wie viel Wasser verbraucht ein Mensch pro Tag?
Rund 135 Liter direkt, also für Trinken, Kochen, Duschen, für die Toilette, die Waschmaschine, den Geschirrspüler etc. Indirekt sind es 4.700 Liter – das ist das Wasser, das in den Produkten steckt, die wir konsumieren. Drei Viertel davon gehen in die Erzeugung, vor allem in das Pflanzenwachstum für unsere Lebensmittel. Vor 30 Jahren lag der direkte Verbrauch bei 150 Litern. Der Rückgang ist auf effizientere Haushaltsgeräte und bewussteren Umgang zurückzuführen. Der Klimawandel wird den Verbrauch laut Schätzungen in den kommenden 30 bis 40 Jahren um zwei bis sechs Prozent steigern.
Wofür wird täglich am meisten Wasser verbraucht?
Für das WC (34 Liter), die Dusche (25 Liter) und die Waschmaschine (14 Liter). Der Geschirrspüler schlägt mit drei bis vier Litern relativ harmlos zu Buche. Rechnet man den Regen nicht mit, so verbraucht die Industrie am meisten technisch zur Verfügung gestelltes Wasser (70 Prozent). Danach kommt die Wasserversorgung für die Haushalte sowie das Gewerbe (24 Prozent) und die Landwirtschaft (vier Prozent).
Wie viel kostet ein Glas Leitungswasser und wer verdient daran?
Ein Kubikmeter oder 1.000 Liter Wasser kosten circa zwei Euro. Damit kommt ein Liter Leitungswasser auf 0,2 Cent, ein Viertel-Liter-Glas also auf 0,05 Cent. Geld verdient mit dem heimischen Trinkwasser niemand. Das Wasser selber ist ein öffentliches Gut und kostet nichts, die Infrastruktur wurde großteils vor mehr als 100 Jahren und in den 50er- bis 70er-Jahren errichtet. Die Wasserversorgung ist kostendeckend ausgelegt, die Einnahmen werden für die Instandhaltung der Infrastruktur verwendet.
Gibt es in Wien tatsächlich nur Hochgebirgswasser oder ist auch Grundwasser aus dem Tullner- oder Marchfeld dabei, wie manche behaupten?
Das Wiener Wasser ist fast ausschließlich Hochquellwasser aus den steirischen und niederösterreichischen Alpen. Andere Quellen werden nur zu Spitzenzeiten genutzt, als Reserve gibt es Zusatzquellen im Wiener Becken und in der Lobau. Diese werden auch genutzt, wenn die Hochquellwasserleitungen gewartet werden. Der Vorteil des Hochquellwassers: Es kostet nichts. Es fließt auf ständigem Gefälle in die Stadt, das Reservewasser muss gepumpt werden.
Ist die Qualität wirklich so gut, wie behauptet wird?
Es weist eine perfekte Wasserqualität auf. Nur bei starkem Regen kann es leichte Trübstoffe beinhalten, die ausgefiltert werden. Grundwasser hat dagegen eine gleichmäßige Qualität, aber mehr Härte, sprich Kalk.
In Wien werden die Toiletten mit Hochquellwasser gespült. Ist das vertretbar?
Ja. Würde man Gebrauchswasser verwenden, wären die Kosten doppelt so hoch und die Wasserqualität schlechter. Man müsste die Infrastruktur ausbauen und eine zweite Leitung bis in jeden Haushalt legen. Der Nutzen läge bei null. Die Verwendung von Trinkwasser hat sogar Vorteile: Der Durchsatz – also das Wasser, das durch die Leitungen rinnt – wird dadurch höher, wodurch das Wasser frischer bleibt.
Kann es in Wien passieren, dass plötzlich kein Tropfen mehr aus der Leitung kommt?
Nein. Wien hat große Speicher, sie reichen für drei bis vier Tage. Es gibt 130 Behälter – von sehr kleinen bis sehr großen –, die auf die ganze Stadt verteilt sind.
Und wie sieht es mit dem Rest Österreichs aus?
Grundsätzlich ist die Wasserversorgung in Österreich sehr sicher. Durch die sehr kleinstrukturierte Wasserversorgung kann das aber nicht für das gesamte Bundesgebiet garantiert werden. Gibt es beispielsweise Stromausfälle, die länger andauern, kann es mitunter vorkommen, dass auch die Wasserversorgung ausfällt. In solchen Fällen wird aber schnell reagiert.
Woher kommt das Trinkwasser in Österreich?
Zu 100 Prozent aus dem Grundwasser, das aus Quellen und Brunnen gewonnen wird. Das Grund- und auch Quellwasser entsteht in erster Linie durch Niederschläge im Frühjahr und Winter, Regen und Schnee.
Wo wird das Trinkwasser aus dem Grundwasser bezogen?
Das ist verteilt über ganz Österreich, es gibt mehr als hundert großflächige und viele kleine Grundwasserkörper. 30 Prozent des Regenwassers versickern ins Grundwasser, der Rest fließt über die Flüsse ab. Vom Grundwasser können wiederum nur 30 Prozent entnommen werden, um eine nachhaltige Nutzung zu erreichen – andernfalls könnten Flüsse austrocknen (die sich zum Teil auch aus dem Grundwasser speisen), wodurch es zu einem Fischsterben kommen könnte. Versiegen kann das Trinkwasser in Österreich so gut wie praktisch nie. Notfalls könnte Donauwasser aufbereitet werden.
Können neue Quellen erschlossen werden?
Ja. Dafür braucht es eine wasserrechtliche Bewilligung. Für Hausbrunnen am eigenen Grund braucht es keine Bewilligung.
Bedroht der Klimawandel die Wasserversorgung?
Laut der aktuellen Studie „Wasserschatz Österreich“ könnten die verfügbaren Ressourcen des Grundwassers hierzulande bis 2050 um fast ein Viertel, konkret 23 Prozent, abnehmen. Derzeit sind es 5,1 Milliarden Kubikmeter, 2050 könnten es somit nur mehr 3,9 Milliarden Kubikmeter sein. Insgesamt werden jährlich rund 750 Millionen Kubikmeter in Österreichs Haushalten verbraucht.
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