Nach Milliarden-Investitionen: Flugtaxi-Hersteller in Turbulenzen
Bei den Olympischen Spielen im Sommer in Paris hätten bereits erste Fluggäste mit den Lufttaxis des deutschen Unternehmens Volocopter transportiert werden sollen. Auf fünf Strecken sollten erstmals in Europa zahlende Passagiere mit einem Fluggerät, das senkrecht startet und landet, durch die Stadt befördert werden. Die dafür erforderliche Zulassung ist bisher aber ausgeblieben.
Statt des regulären Flugbetriebs soll es jetzt, wenn überhaupt, nur eine Teststrecke geben. Ob die Lufttaxis des deutschen Herstellers danach überhaupt noch abheben werden, ist alles andere als sicher. Denn Volocopter hat kein Geld mehr.
Der Ruf nach Subventionen und Staatsbürgschaften in Deutschland wurde nicht erhört. Unternehmenschef Dirk Hoke wollte zuletzt auch eine Insolvenz nicht ausschließen. Das sei eine Realität, mit der man sich als Start-up immer beschäftigen müsse, sagte er dem Wirtschaftsmagazin Capital.
"Erhebliche Ausgaben, aber kein Umsatz"
Auch der zweite große deutsche Hoffnungsträger in dem Sektor ist ins Trudeln geraten. Der süddeutsche Hersteller Lilium hat ebenfalls Staatshilfen beantragt. "Wir sind ein Unternehmen, das erhebliche Ausgaben, aber noch keinen Umsatz hat", sagt eine Unternehmenssprecherin zum KURIER. Man gehe davon aus, dass sich nach dem Erstflug der Auftragseingang mit Anzahlungen deutlich erhöhe. Bis dahin müssten aber weitere Finanzierungsmittel eingeworben werden.
Der Erstflug mit dem Lilium-Jet ist Ende des Jahres geplant. Bis die senkrecht startenden Fluggeräte Zulassungen für den kommerziellen Flugbetrieb erhalten werden, dürfte es aber noch etwas länger dauern. Branchenbeobachter gehen davon aus, dass dies zunächst in Asien, im arabischen Raum und in den USA der Fall sein wird. In 12 bis 14 Monaten, heißt es, könnte es soweit sein.
Milliardeninvestitionen
Das Geld, diese Zeit zu überbrücken, haben die deutschen Hoffnungsträger aber nicht mehr. Bei Volocopter wird ein Finanzbedarf von 75 Mio. Euro kolportiert. Eine Anfrage des KURIER bei dem Unternehmen dazu blieb unbeantwortet. Insgesamt sollen Investoren, darunter Mercedes-Benz und der US-Vermögensverwalter Blackrock, bereits 725 Mio. Euro in die Firma gesteckt haben.
Bei Lilium ist seit der Gründung des Unternehmens mit 1,4 Mrd. Dollar fast doppelt so viel Geld in die Entwicklung der Fluggeräte geflossen. Seit 2020 notiert die Aktie des süddeutschen Unternehmens an der US-Technologiebörse Nasdaq. Zuletzt war das Papier, das nach dem Börsenstart auf über 14 Dollar kletterte, kaum mehr als einen Dollar wert.
"Noch keine wirklich benutzbaren Lösungen"
Obwohl viel Geld in die Entwicklung solcher Fluggeräte investiert worden seii, würden bisher noch keine wirklich benutzbaren Lösungen vorliegen, sagt Sebastian Kummer, der das Institut für Transportwirtschaft und Logistik an der WU Wien leitet.
Weltweit arbeiten mittlerweile rund 400 Unternehmen an Lösungen für Flugtaxis. Kummer rechnet nicht damit, dass mehr als 10 von ihnen überleben werden. Der Markt sei kleiner als der Automobilmarkt, auch am Flugzeugmarkt gebe es nur eine Handvoll Anbieter. Es werde sicher zu einer Marktbereinigung kommen.
"Auf keinen Fall massentauglich"
Flugtaxis seien auf keinen Fall massentauglich, sagt Kummer: "Zumindest auf absehbare Zeit nicht." Auch Verkehrsprobleme würden damit nicht geringer: "Flugtaxis lösen nur Probleme, die reiche Leute mit verstopften Straßen haben."
Zum Einsatz kommen dürften die Fluggeräte zunächst als Ersatz von Helikopterflügen vom Flughafen in die Innenstadt in überfüllten Städten in Asien, im arabischen Raum oder in Nord- und Südamerika. In Europa, wo vielerorts der öffentliche Verkehr gut ausgebaut ist, sei der Beitrag zum Funktionieren der Verkehrssysteme sehr begrenzt, sagt der Verkehrsexperte.
Hoher Energieaufwand
Eignen könnten sie sich aber für Flüge in abgelegenen Regionen, wo es sich nicht lohne, eine aufwändige Verkehrsinfrastruktur zu errichten, sagt Kummer. In schlecht erreichbaren oder dünn besiedelten Gebieten würden auch heute schon Drohnen zur Auslieferung von Gütern zum Einsatz kommen.
Zukunftsmarkt. Auch heimische Firmen setzen auf Flugtaxis. Der oberösterreichische Zulieferer FACC, der mit Leichtbauteilen für Flugzeuge gut im Geschäft ist, hat bereits mit mehreren Herstellern Verträge. FACC ist Fertigungs- und Entwicklungspartner des chinesischen Produzenten Ehang in Europa.
In St. Martin im Innkreis werden auch Fluggeräte getestet. Eine ursprünglich für 2020 geplante Teststrecke in Linz konnte noch nicht realisiert werden. Man warte auf die Zulassung auf europäischer Ebene, sagt ein Sprecher zum KURIER.
Anfang des Jahres hat FACC einen Auftrag von Eve Air Mobility, der Lufttaxi-Tochter des brasilianischen Flugzeugherstellers Embraer an Land gezogen. Auch mit dem US-Hersteller Archer Aviation ist man im Geschäft. In den nächsten 3 Jahren rechnet FACC im Flugtaxi-Bereich mit Umsätzen von 90 Mio. Dollar.
Flugtaxis seien durch das senkrechte Starten und Landen auch energetisch aufwendig: "Der Energieaufwand ist sehr hoch." Wenn es aber gelinge, in der Batterietechnik, etwa mit Feststoffbatterien, große Sprünge zu machen, könnten sie in größerem Umfang eingeführt werden.
"Beihilfen als Technologieförderung gerechtfertigt"
Sind Staatsbeihilfen gerechtfertigt, wenn lediglich Reiche von solchen Lösungen profitieren? "Ich halte es für gerechtfertigt,, in die Technologie zu investieren", sagt Kummer. Zumal sie auch im Gütertransport, im militärischen Bereich oder für Rettungsflüge zum Einsatz kommen könne. Wenn man Verkehrsprobleme lösen wolle, seien Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr aber weit sinnvoller.
Das Argument der Hersteller, dass Flugtaxifirmen auch in anderen Ländern, etwa in China, gefördert werden und dadurch Wettbewerbsvorteile haben, kann er nachvollziehen. "Die Chinesen betreiben in allen Bereichen wahnsinnige Förderung. Das ist kritisch. Um nicht auch in diesem Technologiefeld die Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren, machen Subventionen Sinn."
Grünes Licht für Lilium signalisiert
Zumindest für Lilium scheint sich der Wunsch nach staatlichen Beihilfen zu erfüllen. Die deutsche Förderbank KfW prüft seit Mitte Mai, ob das Geschäftsmodell tragfähig ist. Vom Ausgang der Prüfung hängt es ab, ob der Bund und der Freistaat Bayern für einen 100-Millionen-Euro-Kredit bürgen.
In Gesprächen ist das Unternehmen auch mit der französischen Regierung. Im Gegenzug für die Errichtung einer Fertigungsstätte in Frankreich geht es dabei auch um staatliche Subventionen und Kreditbürgschaften. Man rechne damit, dass die Gespräche in den kommenden Wochen abgeschlossen werden können, heißt es aus dem Unternehmen.
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