Roboter-Taxi und Drohnen: 7 Thesen zum Verkehr der Zukunft im Check
Wandert der Verkehr in den Untergrund oder hebt er ab? Werden wir überhaupt noch selbst fahren oder ein Auto besitzen? Und wann ist diese Zukunft endlich gekommen?
„Die Zukunft ist schon da. Sie ist nur ungleich verteilt“, sagt Mobilitätsforscherin Katja Schechtner. Als Städteplanerin forscht sie am Massachusetts Institute of Technology (MIT), berät und entwickelt für internationale Metropolen Großprojekte.
Der KURIER hat sieben – mehr und weniger plausible – Thesen aufgestellt und mit der Expertin 30 Jahre in die Zukunft geblickt.
- Wir fahren weiter Auto, aber es wird teurer
Kein anderes Thema ist in Wien so umkämpft, wie das Autofahren. Derzeit plant die Stadt, dass nur noch ausgewählte Personengruppen ohne Beschränkungen einfahren dürfen.
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Wenn auch nicht mehr auf der politischen Agenda, ist für Schechtner die Citymaut ein Zukunftsthema: „Nachdem Parkraum öffentlicher Raum ist, werden die Gebühren angepasst werden müssen und dadurch massiv hinaufgehen. Es wird weniger und teurere Parkplätze geben oder eine Citymaut für den Individualverkehr.“
Städte sind jetzt schon jene Orte, wo es die wenigsten Autos per Einwohner gibt. In Zukunft wird sich das noch einmal massiv verringern
Die Zahl der privaten Autos stieg von 2012 bis 2022 um sieben Prozent. Das heißt, in absoluten Zahlen gibt es mehr Autos. Da die Bevölkerung aber schneller wuchs, als die Zahl der Autos, sank gleichzeitig die Pkw-Dichte: 2012 kamen auf 100 erwachsene Wiener 41 Privatautos, heute sind es 38.
„Städte sind jetzt schon jene Orte, wo es die wenigsten Autos per Einwohner gibt. In Zukunft wird sich das noch einmal massiv verringern“, prophezeit Schechtner.
- Wir fahren nur noch elektrisch
Wasserstoff, Elektro oder Hybridantrieb: Wie wir vorwärtskommen, hängt laut der Expertin nicht nur von der Antriebsform ab. Entscheidend sei auch die Infrastruktur, die nicht alle Formen abdecken wird.
„Derzeit wird das Elektroladenetz aufgebaut, was sehr kostenintensiv ist. Da werden wir nicht zusätzlich ein Wasserstoff-Ladesystem aufbauen. Es wäre eine Verschwendung von Infrastrukturmitteln, wenn mehrere Systeme parallel geschaffen werden.“
E- und Wasserstoff-Fahrzeuge werden bereits bei den Wiener Linien getestet. Bis 2025 schafft man 60 E- und 10 Wasserstoff-Busse an. Ein anderer Wasserstoff-Bus ist schon seit Juni in der ganzen Stadt für ein Langzeit-Forschungsprojekt unterwegs – manchmal mit Passagieren, manchmal mit Sandsäcken.
Dass auf E-Mobilität gesetzt wird, hat für Schechtner gute Gründe: „E-Mobilität ist gut integrierbar. Sie hat neben dem Umweltaspekt Vorteile, über die viel zu selten gesprochen wird: Durch E-Autos wird sich der Lärm in Städten massiv verringern. Es wird leiser, die Luft besser und die Lebensqualität höher. Und da auch die gleiche Menge an Personen in weniger Autos unterwegs ist (siehe unten, Anm.), wird Platz frei, der begrünt wird.“
In Städten wird es mit großer Wahrscheinlichkeit gemeinsam genutzte und automatisierte Roboter-Taxis geben, die regelmäßig Personen abholen
- Künstliche Intelligenz wird uns durch die Gegend kutschieren
Fahrgemeinschaften sind nichts Neues – mit der richtigen Technologie sind sie in Zukunft aber nicht mehr wegzudenken.
„In Städten wird es mit großer Wahrscheinlichkeit gemeinsam genutzte und automatisierte Roboter-Taxis geben, die regelmäßig Personen abholen“, schildert Schechtner.
Einen großen Teil der dafür notwendigen „technologischen Revolution“ bekämen wir nicht mit, weil sie im Hintergrund passiert. Roboter-Taxis, die im echten Verkehr unterwegs sind, werden bereits seit 2015 vom US-Taxidienst „Waymo“ getestet.
„Wir werden nicht alle allein in autonomen Autos sitzen. Es wird ein Chauffeursystem sein, dass man zu zweit oder zu dritt nutzt. Die Route, wer wo abgeholt wird, müssen Sie selbst gar nicht planen. Das erledigt der Algorithmus.“ Solche Fahrgemeinschaften werden bereits in Amerika von Uber angeboten – und das erfolgreich.
Bis es in Wien so weit ist, werde es länger dauern als beispielsweise in Asien. „Dort ist man schneller, da so etwas in neu gebauten Städten gleich mitgedacht wird.“
- Der Verkehr geht in Richtung Himmel
„Eine Passagier-Drohne, die über Wien schwebt, wird es nicht geben“, erteilt Schechtner Science-Fiction-Träumereien eine Absage. In Städten wie Dubai sähen die Möglichkeiten dazu wiederum anders aus.
Bei Lufttaxis klingt die Expertenmeinung schon etwas optimistischer. Außerhalb von Paris entsteht beispielsweise der erste „Vertiport“, um Testläufe zu absolvieren. Hierzulande will die Firma FACC Lufttaxis in Linz testen.
Zumindest in Wien werde es aber keine Flug-Korridore für Lufttaxis geben. „Wir können uns alles Mögliche vorstellen und davon wird es punktuell auch alles geben. Aber nicht in jeder Stadt und jeder Kultur, sondern eben nur dort, wo es Sinn macht“, sagt Schechtner.
Was es aber eher nicht geben wird: Post-Drohnen, die Pakete auf einer Plattform vor dem Fenster abliefern. Diese würden sich in der Realität schlicht nicht rentieren – und wären viel zu laut.
Die Fluggeräte können aber als Postbote für besondere Fälle dienen. „Der Einsatz von Drohnen wird in Städten immer nur besonderen Zwecken vorbehalten sein, wie einem schnellen Medikamenten- oder Blutprobentransport. In Zürich gibt es bereits zwischen zwei Krankenhäusern routinemäßige Drohnenflüge.“
Es gibt durch die Geschichte hinweg eine Konstante: Menschen verbringen pro Tag 60 bis 75 Minuten damit, Wegstrecken zurückzulegen; ob damals zu Fuß oder heute mit dem Auto
- Wir werden mehr, statt weniger Zeit im Auto verbringen
Auch wenn wir in Zukunft schneller unterwegs sind (siehe unten), bedeute das nicht, dass wir täglich weniger Zeit im Verkehrsgeschehen sind. „Es gibt durch die Geschichte hinweg eine Konstante: Menschen verbringen pro Tag 60 bis 75 Minuten damit, Wegstrecken zurückzulegen. Ob damals zu Fuß in die Kirche oder heute wesentlich weitere Strecken, aber dafür mit dem Auto.“
Was wir in dieser Zeit machen, könne aber vielfältiger werden. „Weil man nicht mehr selbst fährt, wird es komfortabler. Sie müssen sich nicht mehr auf den Verkehr konzentrieren, über Radfahrer, Fußgänger oder andere Autofahrer ärgern.“
- Wir werden schneller unterwegs sein
Das Gedankenexperiment eines Hyperloops, der Passagiere zum Flughafen Schwechat bringt, lässt die Expertin lachen: „Ich mag Wien wirklich gerne, aber im Prinzip ist das ein kleiner Regionalflughafen. Wien ist lebendig, aber nicht groß.“
Viel mehr Sinn würde in Europa ein Bahnnetz für Hochgeschwindigkeitszüge machen. Auf einem solchen sind in Frankreich Züge mit mehr als 300 km/h unterwegs. „Das Bahnsystem wird selbstverständlich automatisiert und auch schneller fahren.“
Die erste fahrerlose U-Bahn bekommt Wien bis 2026 mit der U5. Was für manchen immer noch schwer vorstellbar scheint, ist für Schechtner nur logisch: „Das ist eine Selbstverständlichkeit. Auch die restlichen U-Bahnen wird man nachrüsten, damit sie fahrerlos unterwegs sind.“
Das Bahnsystem wird automatisiert und schneller, U-Bahnen werden fahrerlos unterwegs sein
- Die Straßen werden dem Fuß- und Radverkehr vorbehalten sein
An der Oberfläche findet nur noch das Gehen und Fahrradfahren statt, andere Transportarten werden auf unterirdischen Ebenen abgewickelt.
„Solche Pläne gibt es“, bestätigt Schechtner. „In Wien werden wir das aber nicht sehen. Europäische Städte sind auf alten Städten aufgebaut, wir können sie nicht einfach untertunneln. Das wäre viel zu teuer.“
- Modal Split gibt an, wie sich die Mobilität in einer Stadt aufteilt. In Wien werden die Daten im Auftrag der Wiener Linien mittels repräsentativer Umfragen erhoben
- Das Vehikel: Mit Stand 2022 werden 35 Prozent aller Wege zu Fuß zurückgelegt, 30 Prozent mit den Öffis und 26 Prozent mit dem Pkw. Aufs Fahrradfahren entfallen nur neun Prozent
- 48 Millionen Euro investiert die Stadt in emissionsfreie Busse sowie Schnellladestationen. Um weitere 40 Millionen Euro wird ein E-Kompetenzzentrum errichtet. Ziel der Maßnahmen: Die Klimaneutralität bis 2040
Zusammengefasst: Von der Straße verschwinden wird der Verkehr nicht und auch nicht in die Luft verlegt. „Aber es wird weniger Verkehr zu sehen sein, weil der Lieferverkehr optimiert und es dadurch weniger Leerfahrten geben wird.“
Der Umbruch passiert bereits, aber nicht von heute auf morgen: „Es gibt eine ständige und schrittweise Veränderung. Es passiert nicht schlagartig. Die Fahrgeräte müssen entwickelt werden, und es braucht die Infrastruktur. Ob es nun Lade- oder Landestationen sind."
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