Verbund-Chef: "Auch die Energiewende hat einen Preis"
Verbund-Chef Michael Strugl hat in der Vergangenheit vor weiter steigenden Strompreisen gewarnt. Auch jetzt sieht er keine Entlastung auf die Haushalte und Betriebe zukommen, obwohl die Großhandelspreise inzwischen etwas gesunken sind. Dass Strom diesen Winter knapp werden könnte, hält er nicht für wahrscheinlich.
KURIER: Manche befürchten einen Strommangel im Winter. Sehen Sie das Problem in Österreich oder Europa?
Michael Strugl: Wir hatten im Herbst noch einen sehr sorgenvollen Blick auf diesen Winter, aber die Situation hat sich seitdem ein wenig entspannt. In Frankreich gehen die Atomkraftwerke sukzessive wieder ans Netz. In Deutschland wurden sowohl die Kohle- als auch die Gaskraftwerke noch nicht zur Gänze abgerufen, es gibt noch Reserven. In Österreich haben wir nicht nur volle Gasspeicher, sondern auch volle Hydro-Speicher. Und wir hatten bisher einen milden Temperaturverlauf. Wenn jetzt nicht irgendwas passiert, das gravierend die Parameter verändert, dann werden wir in diesem Winter gut durchkommen.
Und wie geht es bei den Strompreisen weiter?
Ich gehe davon aus, dass es noch eine gewisse Zeit dauern wird, bis wir wieder niedrigere Preise sehen werden. Momentan gibt es im Großhandel eine leichte Entspannung, allerdings auf einem relativ hohen Niveau. Die meisten Energieversorger haben sich heuer zu hohen Preisen für 2023 eingedeckt. Die angehobenen Endkundentarife reflektieren diese hohen Beschaffungspreise. An den Terminmärkten sind auch die Preise für das Jahr 2024 noch auf relativ hohem Niveau. Was nach 2024 kommt, ist schwer zu prognostizieren.
Kann die EU-Notverordnung die Energiepreise runterbringen?
Die Ursache liegt im Gasmarkt. Daher muss man sich überlegen, wie kriegt man dort mittelfristig wieder ein Preisniveau zustande, das für den europäischen Wirtschaftsraum verträglich ist. Wenn das gelingt, dann wird sich das auch auf den Strommarkt auswirken. Der Marktkorrekturmechanismus ("Gaspreisdeckel", Anm.) ist dabei nur eine von mehreren Maßnahmen. Auch die gemeinsame Gasbeschaffung soll helfen, diese Preisspitzen zu kappen, die beispielsweise 2022 bei der Gas-Einspeicherung entstanden sind.
Sie meinen die Rekordpreise im vergangenen Sommer?
Das war quasi ein Wettlauf, der die Preise nach oben getrieben hat. Darüber haben sich die Gashändler freuen können. Auch Österreich hat ja seine strategische Reserve relativ teuer beschafft.
Der Großhandelspreis von Gas in Europa ist wieder so hoch wie vor dem Ukraine-Krieg, aber immer noch hoch. Wird das langjährige Preisniveau wieder erreicht?
Ich glaube, allen ist klar, dass es billiges Gas aus Russland, wie wir das über Jahrzehnte hatten, nicht mehr geben wird. Das war eine Grundlage und ein kompetitiver Vorteil für den europäischen Wirtschaftsraum. Die diversifizierte Gasbeschaffung aus unterschiedlichen Quellen wird teurer sein und sie wird auch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Ich glaube, dass man die europäische Gasversorgung innerhalb der nächsten zwei, drei Jahre so weit neu aufgestellt hat, dass die Preise wieder sinken.
Und bis dahin treibt der Gaspreis den Strompreis?
Eine Reform des europäischen Strommarktdesigns würde Jahre dauern. Daher hat die österreichische Strombranche einen zeitlich begrenzten Eingriff in den Großhandelsmarkt durch die Entkoppelung von Gas und Strom vorgeschlagen. Das ist politisch auf europäischer Ebene nicht gelungen. Der Plan B war dann die Abschöpfung von Zufallsgewinnen. Hätte man die Entkoppelung zustande gebracht, dann wären die Gewinne in dieser Höhe gar nicht entstanden. Aber vor allem müssten am Großhandelsmarkt nicht diese hohen Preise weiterhin bezahlt werden, insbesondere von der Industrie, die dann das Geld wieder vom Staat zurückbekommen soll. Wir treiben Europa mit dieser Vorgangsweise in eine Situation, wo es zwischen den Mitgliedstaaten einen Wettbewerb um die Subventionsmodelle gibt. Und das wirkt sich natürlich wettbewerbsverzerrend aus.
Wird der Erneuerbaren-Ausbau zu niedrigeren oder höheren Strompreisen führen?
Man muss ehrlich diskutieren. Auch die Energiewende hat einen Preis. Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, kostet das etwas. Am längeren Ende wird der Erneuerbaren-Ausbau aber tatsächlich günstigere Preise bringen, weil die Gestehungskosten aus Photovoltaik und Wind niedriger sind als beispielsweise aus Atomkraft oder Gas. Aber wir sind jetzt in einem Transformationsprozess, der hohe Investitionen beispielsweise in Netze erfordert.
Geboren wurde Michael Strugl 1963 in Steyr, Oberösterreich. Er studierte Jus in Linz sowie Wirtschaftswissenschaften in Linz und Toronto.
Seit 1995 bekleidete Strugl verschiedene Funktionen in der ÖVP Oberösterreich. Ab 2013 war er Mitglied der Landesregierung, ab 2017 Landeshauptmann-Stellvertreter.
Im Jänner 2019 wechselte Strugl in den Vorstand von Österreichs größtem Stromkonzern Verbund. 2021 folgte er Wolfgang Anzengruber als Vorstandsvorsitzender nach. Strugl ist auch Präsident der Branchenvertretung Oesterreichs Energie. In den ersten drei Quartalen 2022 hat der Verbund einen Gewinn von 1,065 Milliarden Euro verbucht. Das sind um 81 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.
Kommentare