Tausende Selbstständige trotz Covid-Hilfen in Existenznot
Johanna Pizzera betreibt ein Sprachinstitut in Wien-Neubau und bietet Deutsch-Kurse für Expats an. Seit der Reisebeschränkungen ist die Nachfrage danach auf beinahe Null gesunken. Um die laufenden Kosten, vor allem die Miete für das Institut in Höhe von 1.500 Euro bezahlen zu können, nahm sie die Soforthilfe aus dem Härtefallfonds in Anspruch und beantragte einen Fixkostenzuschuss.
1.000 Euro hat sie relativ rasch bekommen, die – errechneten – 3.000 Euro Fixkostenzuschuss lassen noch auf sich warten. Mit den Förderungen habe sie sich bisher „übers Jahr geschleppt“, erzählt Pizzera dem KURIER. Weil keine Besserung der Lage in Sicht sei, reichen sie aber nicht aus. „Ich werde trotz der Förderungen meine Sprachschule schließen müssen“, sagt Pizzera. Sie verstehe, dass die Corona-Hilfen nicht jeden retten könnten, verstehe aber nicht ganz, warum sie im Gegensatz zu anderen Branchen keinen Umsatzersatz beantragen könne. Auch die Pauschale von 1.000 Euro erschließe sich ihr nicht. „Meine monatlichen Ausgaben sind ja viel höher.“
Wie Pizzera geht es derzeit Tausenden Selbstständigen in den aktuellen Krisenbranchen Reise, Freizeit, Event oder Kultur. Sabine Jungwirth, Bundessprecherin der Grünen Wirtschaft, spricht von rund 30.000 bis 40.000 Ein-Personen-Unternehmen (EPU), die in den kommenden Monaten „vor dem Nichts“ stehen werden, weil ihnen durch die Pandemie schlicht ihre Geschäftsgrundlage weggebrochen ist.
Auch eine aktuelle Market-Umfrage im Auftrag der Jungen Wirtschaft (WKO) zeigt ein düsteres Bild. Demnach ist für 44 Prozent der befragten heimischen Jungunternehmen, viele davon Einzelkämpfer, die existenzielle Bedrohung durch Covid-19 „sehr groß“ oder „groß“. Nur 17 Prozent stufen sich selbst als „sehr gering“ gefährdet ein. Bei einem Drittel der Jungunternehmen ist die Eigenkapitalausstattung trotz Förderungen kritisch.
„Trotz Covid-Hilfen ist es für einige schwierig durchzuhalten, wenn ihnen die Geschäftsgrundlage wegbricht“, bestätigt Christiane Holzinger, Bundesvorsitzende der Jungen Wirtschaft. Mit einer wirtschaftlichen Besserung rechnen die Jungunternehmer frühestens im zweiten Halbjahr 2021.
Hilfen greifen zu kurz
Laut einer Analyse der KMU Forschung Austria nahmen bis dato 57 Prozent aller EPU Covid-Hilfen in Anspruch. Die meisten erhielten Gelder aus dem von der WKO abgewickelten Härtefallfonds (im Schnitt 1.200 Euro pro Antragssteller) oder beantragten Steuerstundungen, während der Fixkostenzuschuss den EPU kaum nutzt. „Das Problem ist. Die Selbstständigen sind eine total inhomogene Gruppe, die man bei Hilfsleistungen nicht über einen Kamm scheren kann“, sagt Jungwirth.
Arbeitslosengeld zur Überbrückung
Zur besseren sozialen Absicherung fordern die Grünen als Alternative zum Härtefallfonds einen vorübergehenden Bezug des Arbeitslosengeldes. Zwar haben viele Selbstständige Anspruch auf Arbeitslosengeld aus einer früheren Anstellung, jedoch gibt es Zugangshürden und es muss der Gewerbeschein zurückgelegt bzw. ruhend gestellt werden. „Als Arbeitslose hätten die EPU auch einen besseren Zugang zu Schulungen, die sie sich als einzelne oft nicht leisten können“, argumentiert Jungwirth.
Die Unterstützungsleistungen aus dem Härtefallfonds sind wie die Kurzarbeit vorerst bis März dotiert. Die WKO geht von einer Verlängerung aus, um eine Pleitewelle bei den Kleinsten zu vermeiden. Auch der ausgelaufene Covid-Start-up-Hilfsfonds soll erneut aufgelegt werden, bis irgendwann wie geplant private Investoren einspringen.
Holzinger fordert diesbezüglich die rasche Einführung eines Beteiligungsfreibetrages. Private Beteiligungen an Neugründungen oder KMU sollen bis zu einer Höhe von 100.000 Euro als Freibetrag über fünf Jahre absetzbar sein. Die Junge Wirtschaft hat unter www.investieren-in-oe.at eine eigene Kampagne für die Maßnahme gestartet. „Wir wollen damit zeigen, dass es in Österreich große Bereitschaft zum Investieren gibt, wenn die Anreize und Rahmenbedingungen passen“, so Holzinger.
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