Die Welt braucht 80 Millionen Kilometer neue Stromnetze

Arbeiten an einer Hochspannungsleitung
Die Investitionen sollten nach Einschätzung der Internationalen Energieagentur verdoppelt werden.

Das Stromnetz könnte zum schwächsten Glied der Energiewende werden warnt die Internationale Energieagentur (IEA). Um das zu vermeiden müssten laut der ersten weltweiten Erhebung über die bestehenden Netze bis 2040 weltweit 80 Millionen Kilometer Netz neu gebaut oder renoviert werden. Das entspricht grob den bisher funktionalen Stromnetzen. Die Investitionen müssten dafür in etwa auf 600 Milliarden Dollar (569 Mrd. Euro) verdoppelt werden.

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Die Studie der IEA ergibt, dass die Netze nicht mit den Anforderungen mithalten, die die neuen Technologien wie E-Mobilität und der vermehrte Einsatz von Wärmepumpen sowie der Ausbau von Windkraft und Photovoiltak an sie stellen. Probleme gibt es bereits jetzt: So könnten etwa neue Windparks nicht gebaut bzw. nicht angeschlossen werden. Hier bahnt sich ein Flaschenhals für die Energiewende an, warnt die IEA.

"Die jüngsten Fortschritte bei sauberer Energie, die wir in vielen Ländern gesehen haben, sind beispiellos und geben Anlass zu Optimismus", sagte IEA-Chef Fatih Birol. "Sie könnten jedoch gefährdet werden", wenn Regierungen und Unternehmen nicht zusammenarbeiten, um auch den entsprechenden Netzausbau sicherzustellen.

KENYA-CLIMATE-SUMMIT

IEA-Chef Fatih Birol

Die schrittweise Abkehr von Öl und Gas bedeutet höhere Anforderungen an das Stromnetz. Zum einen, weil mehr Strom verbraucht wird (etwa für E-Autos, Wärmepumpen), zum anderen aber auch, weil erneuerbare Energieträger wie Windkraft und Photovoltak volatiler sind als kalorische Kraftwerke. Auch diese Schwankungen in der Produktion müssen im Netz ausgeglichen werden.

Dabei kann auch die Digitalisierung helfen, weil "intelligente Stromnetze" resilienter und flexibler sind. Derzeit entstehen laut der IEA durch Stromausfälle weltweit jedes Jahr Kosten von etwa 100 Milliarden Dollar (95 Mrd. Euro).

Eine Schwierigkeit dabei ist, dass Stromnetze oft deutlich länger in Planung und Umsetzung dauern als etwa neue Ökostromanlagen. In Österreich wird der Netzausbau auch immer wieder durch den Widerstand von Anrainern und Bürgerinitiativen gebremst. Aktuell ist etwa der Bau einer Hochspannungsleitung in Oberösterreich umstritten, die eine wichtige Rolle bei der teilweisen Abkehr des Stahlkonzerns voestalpine vom Energieträger Kohle spielen soll.

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Bleibt der Netzausbau hinter den Anforderungen zurück, führt das zu höheren CO2-Emissionen - das 1,5-Grad-Ziel könnte dann nicht eingehalten werden, warnt die IEA. Regierungen müssen den Netzausbau deswegen unterstützen bzw. mit entsprechenden legalen Rahmenbedingungen ermöglichen.

Die Internationale Energieagentur (IEA) ist eine Kooperationsplattform der Industriestaaten zu Energiefragen. Sie wurde im Jahr 1974 als Reaktion auf die Ölkrise ins Leben gerufen, Österreich gehörte zu den Gründungsmitgliedern. Neben den inzwischen 31 Mitgliedern, haben elf weitere Volkswirtschaften, darunter China und Indien, den Status eines assoziierten Landes. Der Sitz der IEA ist in Paris, Exekutivdirektor ist seit 2015 der türkische Wirtschaftswissenschaftler Fatih Birol.

Entwicklungsländer

Geht es nach der IEA, hört die Verantwortung der wohlhabenden Staaten dabei aber nicht an den eigenen Grenzen auf. "Sicherzustellen, dass Entwicklungsländer die notwendigen Ressourcen für den Ausbau und die Modernisierung der Stromnetze haben ist eine wesentliche Aufgabe der internationalen Gemeinschaft", sagte Birol. Hier mit Finanzierung und Know-how zu helfen würde nicht nur die Lebensqualität vor Ort, sondern auch die weltweiten Risiken des Klimawandels reduzieren.

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