Zu schwache Netze: Gewessler will für mehr Hochspannung sorgen

Hochspannungsübertragungsnetze und die dafür notwendigen Masten sind für Bürger selten eine Augenweide, auch wenn künstlerisch immer wieder versucht wurde, mehr Sympathien für die riesigen Stahlskelette zu bekommen.
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Die Summe der Hochspannungsmasten bilden aber das Rückgrat nicht nur der Stromversorgung, sondern nun auch der Klima- und Energiewende. Das haben zuletzt all jene bemerken müssen, die ihre PV-Anlage ans Netz anschließen lassen wollten – allzu oft mussten das die Netzbetreiber wegen fehlender Kapazitäten verneinen.
Am Freitag stellte Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) mit dem integrierten Netzentwicklungsplan ÖNIP gestern ein Novum vor: Erstmals gibt es ein übergeordnetes Planungsinstrument, das ein sektorübergreifendes Bild aller notwendigen Übertragungsleitungen des zukünftigen Energiesystems liefert. Vor allem ist es aber ein Appell (oder die Rute im Fenster) für die Bundesländer, die dank dem Föderalismus über den Erfolg der Stromwende entscheiden.

Netz folgt Grünstrom
Energiewende heißt, dass früher oder später alle Erdgaskraftwerke vom Netz gehen werden (einige davon werden immer als Reserve für den Notfall bereitstehen). Schon in sechseinhalb Jahren soll Österreichs Strom fast nur durch erneuerbare Kraftwerke erzeugt werden. Und da diese Stromerzeuger dort gebaut werden müssen, wo es ausreichend Wind, Sonne oder Wasser gibt, muss auch das Übertragungsnetz dorthin gebaut werden. Es ist irrig zu glauben, dass bei der Energiewende einfach die kalorischen Kraftwerke ab – und die grünen Kraftwerke angedreht werden können.
Durch den bisher schleppenden Ausbau geht derzeit überschüssiger Strom aus Erneuerbaren in Produktionsspitzenzeiten teilweise verloren, klären Experten auf. Der Grund: Die Netzinfrastruktur fehlt oder ist zu schwach, um den Strom zu verteilen. So gingen im Mai etwa 18.320 Megawattstunden an potenzieller Speicherkapazität durch zu schwache Netze verloren, berichtet der zentrale Netzbetreiber APG.
Sektorübergreifend ist der ÖNIP, weil auch Österreichs Gas- und Wärmeinfrastruktur behandelt wird, denn auch diese Netze müssen aus- und dann umgebaut werden. Die fossilen Gasnetze sollen nach 2030 für ein klimaneutrales Wasserstoffnetz adaptiert werden. Die Umsetzung liegt auch hier bei den Bundesländern.
Eines der großen Probleme sind die Leitungen von West- nach Ostösterreich, sagt Thomas Kienberger von der Montanuniversität Leoben, der den ÖNIP mitentwickelt hat.
Nun haben alle Beteiligten bis September Zeit, ihre Stellungnahmen zum ÖNIP-Entwurf abzugeben.
"Unerlässlicher Schritt Richtung Zukunft"
„Oesterreichs Energie“, der Dachverband der Stromerzeuger, begrüßt Gewesslers Plan als „unerlässlichen Schritt in Richtung Energiezukunft“, für die Industriellenvereinigung wäre ein „starkes Übertragungsnetz essenziell, um die Verbindung zwischen regional stark unterschiedlichen Erneuerbaren-Potenzialen, Speichern und der energieintensiven Industrie zu gewährleisten“.
Auch der WWF „begrüßt den Entwurf, fordert aber mehr Naturverträglichkeit und volle Transparenz bei Grundlagenstudie“. Und der Dachverband der Photovoltaik-Branche sieht „unmissverständlich den Handlungsauftrag der Bundesländer“ beim Netzausbau.
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