Stadler-Rail-Chef: "Österreich ist Einflugschneise für chinesische Zughersteller"
Das vor mehr als 80 Jahren gegründete Schweizer Unternehmen Stadler Rail zählt mittlerweile zu den weltweit größten Herstellern von Schienenfahrzeugen. Auch in Österreich sind zahlreiche Züge des Herstellers unterwegs. Zuletzt bestellte die ÖBB neben mehr als 100 doppelstöckigen Nah- und Fernverkehrszügen auch Rettungszüge bei dem Unternehmen.
Der KURIER hat mit dem Österreich-Geschäftsführer von Stadler Rail, Christian Diewald, auf der Verkehrstechnikmesse Innotrans in Berlin über das Bahnland Österreich, die europäische Bahnindustrie und die Konkurrenz aus China gesprochen.
KURIER: Sie liefern bald für die ÖBB die ersten Cityjets aus. Wie wichtig ist der Markt für Sie?
Christian Diewald: Der Markt wurde in der Vergangenheit von zwei Mitbewerbern dominiert. Mit dem Doppelstockauftrag bei der ÖBB ist uns der Durchbruch gelungen. Wir sind aber schon sehr lange in Österreich. Man fährt öfter mit Stadler, als man glaubt. In den nächsten drei bis fünf Jahren werden wir mehr als 200 Fahrzeuge ausliefern. Damit ist Österreich für uns einer der wichtigsten Märkte.
Auch chinesische Unternehmen drängen auf den europäischen Markt. Wie gehen Sie mit der Konkurrenz aus China um?
Grundsätzlich liebe ich Konkurrenz. Sie schafft Bewegung. Das wichtigste ist aber, das Ausschreibungen fair verlaufen. Wir dürfen am chinesischen Markt nicht einmal ein Angebot legen. Der chinesische Hersteller darf bei uns anbieten und bekommt dazu vom chinesischen Staat Subventionen, dass einem schwindlig wird. Das ist nicht fair.
Macht Ihnen das Sorgen?
Es ist gerade fünf Minuten vor zwölf. Ich finde es auch bedenklich, dass Österreich eine Einflugschneise für chinesische Hersteller geworden ist. Es gibt unterschiedliche Projekte. Bei einem wurden Züge angeboten. Sie fahren aber bis heute nicht. Aber das wirklich Schlimme ist, wenn sich chinesische Unternehmen europäische Hersteller zu einem Spotpreis sichern. Sie treten dann als europäischer Anbieter auf, liefern aber in Wirklichkeit alles aus China heraus.
Für chinesische E-Autos gibt es Strafzölle. Wäre das auch eine geeignete Maßnahme bei Zügen?
Die Entwicklung, die wir jetzt in der Autoindustrie haben, werden wir zeitnah auch in der Bahnindustrie erleben. Die EU hat zwar reagiert. Hersteller, die Subventionen in einem Drittland bekommen, dürfen an öffentlichen Ausschreibungen nicht mehr teilnehmen. Für einen konkreten Ausschreibungsfall in Österreich kommt das aber zu spät. Die Regelung betrifft auch nur öffentliche Betreiber. Mit der Marktöffnung drängen immer mehr Private auf den Markt.
Für die sind die billigen Züge aus China sehr attraktiv?
Sie müssen eigenwirtschaftlich überleben und ihre Kosten senken. Und da ist nichts schöner, als einen Hersteller zu haben, der sagt: Ich will in den Markt, hilf mir, dass ich eine Zulassung bekomme, und du kriegst einen Preis, der sensationell ist.
Die europäische Industrie gerät an vielen Fronten unter Druck. Auch von einer drohenden Deindustrialisierung ist die Rede. Gerät Europa ins Hintertreffen?
In Europa wird immer so getan, als ob alle glühende Europäer wären. Wenn es aber ums eigene Leiberl geht, dann sind wir sehr national und es interessieren uns nur die eigenen Interessen. Das sieht man auch bei Bahnsicherungssystemen. In den USA aber auch in China ist alles einheitlich. Wenn ich in Europa von Portugal nach Polen fahr, hab ich unterschiedliche Spurweiten und Spannungssysteme. Da müssen wir eine Standardisierung reinkriegen.
Das 1942 im Schweizer Bussnang gegründete Unternehmen stellt u. a. Nah- und Fernverkehrszüge, Trambahnen, Lokomotiven aber auch Zahnradbahnen her.
In Österreich fahren u. a. die Westbahn, die Steiermärkischen Landesbahnen, die Linzer Lokalbahn
und bald auch die ÖBB mit Wagenmaterial des Herstellers.
3,82Mrd. Euro betrug der Umsatz, 193,9 Mio. Euro der Betriebsgewinn 2023. Weltweit zählt Stadler rund 14.000 Mitarbeiter.
Sie setzen stark auf emissionsfreie Antriebstechnologien, von der Batterie-Elektrik bis zu Wasserstoff. Wohin geht die Reise?
Grundsätzlich muss man bei all dem Hype um Elektromobilität und Wasserstoff sagen, dass die Oberleitung die effizienteste Technologie ist. Aber es gibt Anwendungsfälle, bei denen sie keinen Sinn macht. Die Elektrifizierung einer Bahnstrecke kostet pro Kilometer ungefähr 1,5 Millionen Euro. Wenn ich eine gewisse Distanz elektrifizieren muss, kann ich mir schon ein paar Züge mit alternativen Antrieben leisten.
In Wien haben Sie 2023 ein Engineering-Hub gegründet. An welchen Projekten wird dort gearbeitet?
Wir haben für 50 ausgeschriebene Stellen in kürzester Zeit 650 Bewerbungen gehabt. Sie arbeiten an lokalen Projekten und sind auch an internationalen Projekten beteiligt, etwa neue Züge für Saudi Arabien oder den neuen Nachtzug für Norwegen. Und wir haben ein Typentestzentrum in Zwentendorf.
Vom Fachkräftemangel merken Sie nichts?
Man kann hier wirklich gute Leute rekrutieren. Wir werden den Hub auch weiter ausbauen. Österreich hat eine extrem lange Historie, was die Eisenbahn betrifft. Viele Betriebe haben sich hier angesiedelt. Was die Eisenbahntechnik betrifft, ist Österreich nach Deutschland, China und den USA das viertgrößte Exportland.
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