Westbahn-Züge aus China bald in Österreich auf Schiene
Das Aufsehen war groß als der KURIER im März 2019 darüber berichtete, dass der private Bahnbetreiber Westbahn künftig mit doppelstöckigen Schnellzügen des chinesischen Herstellers CRRC, dem weltgrößten Zugbauer, unterwegs sein wird. Konkret ist in Fachkreisen nun bekannt, dass die Westbahn vier Züge von CRRC anmieten wird, die aus sechs Wagen mit insgesamt 571 Sitzplätzen bestehen.
Das sind 70 Sitzplätze mehr als in den Doppelstockzügen des Schweizer Herstellers Stadler, mit denen die Westbahn seit Jahren unterwegs ist. Die neuen Züge aus China müssen aber erst nach Europa verschifft werden. „Die vier Züge sind produziert und der erste Zug wird im Laufe des Spätsommers in Europa erwartet und dann beginnt das ganze Testprozedere für die Zulassung“, sagt Westbahn-Sprecherin Ines Volpert zum KURIER. „Wir gehen davon aus, dass die Zulassung im Sommer oder Herbst 2023 erfolgen wird.“
Laut Hersteller-Angaben entsprechen diese Züge dem Standard Technische Spezifikationen für die Interoperabilität (TSI), der für den grenzüberschreitenden Verkehr in Europa erforderlich ist. Die umfangreichen Inbetriebnahme-Testfahrten werden auf der Versuchsstrecke für Eisenbahnfahrzeuge im tschechischen Velim durchgeführt. Dort testet die tschechische Privatbahn Leo Express bereits die elektrischen Sirius-Triebzüge aus dem Hause CRRC, die in Tschechien, der Slowakei, Polen und Deutschland zum Einsatz kommen sollen.
Testfahrring
„In Velim gibt es einen Testfahrring speziell für diese Zwecke. Das ist ein relativ aufwendiges Prozedere, weil man gewisse Testfahrten absolvieren muss. Und irgendwann gehen die auch auf die freie Strecke, wann das sein wird, können wir noch nicht sagen“, sagt Westbahn-Sprecherin Volpert.
„Uns war es aber auch wichtig, dass gewisse europäische Komponenten in den Zügen zur Anwendung kommen.“ So liefert die niederösterreichische Firma IFE aus Kematen an der Ybbs die Zug-Türen.
Sprung nach Europa
Damit schaffen die Chinesen, wie von heimischen Herstellern befürchtet, den Sprung auf den europäischen Markt, sagt Kari Kapsch, Präsident des Verbandes der Österreichischen Bahnindustrie: „Das ist mit Sicherheit ein Türöffner für CRRC.“ Das grundsätzliche Problem sei, dass es sich bei CRRC um ein Staatsunternehmen handle. „China will die Weltmarktführerschaft im Bahnbereich erreichen“, sagt Kapsch zum KURIER.
Die Produkte seien vom Staat quersubventioniert, es handle sich daher um eine komplette Wettbewerbsverzerrung. „Das würden wir nicht nur in Österreich und Europa, sondern auch außerhalb Europas zu spüren bekommen“, sagt Kapsch.
Weiterer Kritikpunkt
Er kritisiert den CRRC-Westbahn-Deal noch aus einem anderen Grund. Wertschöpfung wird durch die Chinesen in Europa derzeit so gut wie keine ausgelöst. Die Züge wurden in China zu dortigen Umweltschutzkriterien und niedrigeren Löhnen gefertigt und dann nach Europa geliefert. „Der -Footprint ist dadurch natürlich wahnsinnig hoch“, sagt Kapsch.
Wenn Züge in China hergestellt werden, hat auch Thomas Scheiber, Obmann des Fachverbandes Schienenbahnen, keine Freude: „Wichtig ist für mich, dass die Wertschöpfung in Europa stattfindet.“ Denn das würde den Markt beleben.
Dennoch sei die Anmietung von Zügen durch die Westbahn grundsätzlich ein zulässiger Vorgang. Ein relativ hoher Prozentsatz der Teile dürfte aus Europa stammen, weshalb die Chinesen auch so rasch die Zulassung bekommen würden. Der Schienenverkehr werde stark von der öffentlichen Hand finanziert. Daher müsse man darauf achten, dass die Gelder in Europa investiert würden.
Der Schweizer Zughersteller Stadler wollte gegenüber dem KURIER „den diesbezüglichen Entscheid der Westbahn nicht kommentieren“.
- 3,1Milliarden Euro
Der Umsatz der heimischen Bahnindustrie liegt bei mehr als drei Milliarden Euro. Österreich ist damit weltweit die siebtgrößte Exportnation von Bahnprodukten
- Land der Erfinder
Die Branche beschäftigt in Österreich direkt knapp 10.000 Mitarbeiter, indirekt sind es mehr als 20.000. In Relation zur Bevölkerung ist Österreich bei den bahnspezifischen Erfindungen weltweit die klare Nummer eins.
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