Staat oder privat: Wer kann’s besser?

Staat oder privat: Wer kann’s besser?
Privatisierungen sind meist erfolgreich. In manchen Fällen ist der Staat gefragt.

26. Februar 1987: In Berndorf (NÖ) protestiert die Gewerkschaft gegen den Sparkurs beim bankrotten Industrieunternehmen gleichen Namens. Sie weiß Politik und Öffentlichkeit auf ihrer Seite. Doch in der Nacht liefern sich Polizei und Demonstranten vor dem Opernball in Wien eine Straßenschlacht. Berndorf interessiert niemanden mehr, das Management kann die Sanierung durchziehen.

Ein Jahr später wird Berndorf – die Palette der traditionellen Metallwarenfabrik reichte vom bekannten Markenbesteck bis hin zu Stahlsaiten für Geigen, später kommt ein breite Palette an Hochtechnologie etwa für die Autoindustrie dazu, bis hin zu Dieseleinspritzpumpen – an Norbert Zimmermann und neun weitere Manager verkauft. Und gilt heute als Paradebeispiel einer gelungenen Privatisierung (unten).

Faktum ist: 1986 schrieb Berndorf bei 50 Millionen Euro Umsatz einen Verlust von sieben Millionen Euro. 2017 betrug der Umsatz 661 Millionen Euro und das Ergebnis (EBT) knapp 37 Millionen Euro. Und zwar Plus. Ist die Privatisierung also die Lösung aller Probleme?

Enteignungsfantasien

In Deutschland wird derzeit der umgekehrte Weg diskutiert. Bürgerinitiativen fordern wegen explodierender Mietpreise die Enteignung großer Immofirmen. Der Chef der Jung-SPD, Kevin Kühnert, will Großkonzerne wie BMW verstaatlichen.

Und in Österreich hätte die Sozialistische Jugend, deren Chefin Julia Herr für das EU-Parlament kandidiert, nichts gegen die sofortige Verstaatlichung der Banken, weil die gemeinhin als Verursacher der Finanzkrise gelten.

Clemens Wallner, wirtschaftspolitischer Koordinator der Industriellenvereinigung (IV), zieht diese These in Zweifel. Gerade Banken in öffentlichem Eigentum wie die Hypo Alpe Adria, die Kommunalkredit oder zahlreiche deutsche Landesbanken hätten durch „den Missbrauch der politischen Macht“ die Krise erst so richtig befeuert.

Überproduktion und Krise

In Österreich zeige die Vergangenheit, dass der Staat nicht unbedingt der bessere Eigentümer sei. Dazu folgende Fakten: Mitte der 1960er erzielte die verstaatlichte Industrie 18 Prozent des Umsatzes der Gesamtwirtschaft. 18 Prozent der Beschäftigten arbeiteten dort und auch 18 Prozent aller Investitionen wurden in der Verstaatlichten getätigt.

Mitte der 1970er lag der Umsatzanteil noch stabil bei 18 Prozent. Die Zahl der Beschäftigten war aber inzwischen auf zwölf Prozent gesunken, die Investitionen betrugen nur noch elf Prozent. Die Politik als Eigentümer bekam die Strukturkrise nicht in den Griff.

Wallner: „Die Verstaatlichte hatte billig Rohstoffe wie Stahl für den Markt zu produzieren. Nach dem Krieg machte das Sinn; nach Ende der Wiederaufbaujahre führte das aber weltweit zu Überproduktion und zur Stahlkrise.“

Heute an der Weltspitze

Mitte der 1980er krachte die Verstaatlichte. Aus ihr gingen Erfolgsunternehmen, wie eben Berndorf oder die voestalpine hervor. „Viele dieser Unternehmen sind heute in Nischen weltweit an der Spitze. Ein Staat hätte nie eine flexible Strategie zu Wege gebracht“, analysiert Wallner.

 

Über die Kosten der Verstaatlichten-Pleite herrschen unterschiedliche Ansichten. Faktum ist, dass die Schulden 2003/’04 noch immer 6,3 Milliarden Euro betrugen, die aus Erlösen der Privatisierungen abgestottert wurden.

Wallners Fazit: „Für die Politik zählt bei Staatsbetrieben das Prestige und nicht die Schaffung einer Wertschöpfungskette wie in der Privatwirtschaft.“

Weltweit ortet er leichte Tendenzen zu Verstaatlichungen, vor allem im Bankensektor. Oder bei der Wasserversorgung. Wobei Wallner Daseinsvorsorge für eine Aufgabe des Staates hält, ebenso die Infrastruktur.

Frage der Kontrolle

Staat oder privat? Die Debatte werde „sehr platt geführt“, findet Werner Hölzl, Industrieökonom am Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Er sieht das Thema unideologisch-pragmatisch: Wenn die öffentliche Hand Aufgaben an private Firmen auslagert, muss sie richtige Anreize setzen und strikt kontrollieren.

Sonst kann das in Extremfällen dazu führen, dass (wie in Italien) Brücken einstürzen oder (wie in Großbritannien) Bahnnetze verkommen, weil private Betreiber zu wenig investieren. Solch ein Monitoring ist freilich aufwendig.

„Da stellt sich für den Staat irgendwann die Frage: Mache ich es nicht besser doch gleich selber?“, so Hölzl. Wie bei jedem Unternehmen: Es muss entscheiden, was günstiger ist, selber machen oder auslagern. Schließlich seien das Ziel höhere Effizienz und sinkende Preise.

Zauberwort Wettbewerb

Die Liberalisierung der Telekom-Märkte sei so ein Beispiel, wo die Kosten drastisch gefallen sind. Dabei habe freilich der technologische Wandel zum Mobilfunk mitgespielt. Und im grenzüberschreitenden Geschäft wäre Telefonieren ganz ohne die EU-Regulierung (Roaming) wohl auch nicht so viel billiger geworden.

Das Zauberwort heißt somit Wettbewerb. Genau deshalb erweist sich die Privatisierung von Schienen-, Strom- oder Gasnetzen oft als schlechte Idee: „Diese haben immer Monopolcharakter.“ Wenn am Ende aber private Monopolisten die Preise diktieren, ist nichts gewonnen.

Wenn ein Marktversagen vorliegt, habe die öffentliche Hand andere Möglichkeiten. Siehe Berlins Wohnungsnot: „Wenn ich die privaten Immofirmen enteigne, ändert das nur die Bestandverwaltung. Es gibt dadurch aber nicht mehr Wohnungen.“ Sollten tatsächlich Spekulanten das Angebot verknappen, dann lasse sich diesen mit einer Leerstandsbesteuerung der Boden entziehen. Dazu brauche es keine Enteignungen.

Rettungsanker

Dass der Staat in Krisenzeiten oft als Rettungsanker herhalten muss, sieht Hölzl ebenso undogmatisch. Das sei eine Kosten-Nutzen-Rechnung. Hätten die USA General Motors (GM) 2009 fallen gelassen, hätten sie sich „gigantische Probleme“ eingehandelt, weil die gesamte regionale Zulieferkette kollabiert wäre – bis hin zu Einzelhändlern und Gasthäusern.

Deshalb war die Rettung richtig, auch wenn die US-Steuerzahler ihre Kosten von 51 Milliarden Dollar nach dem Verkauf der GM-Anteile im Jahr 2013 nur zu drei Viertel zurückerhalten haben. Eine GM-Pleite hätte nämlich 1,2 Millionen Jobs und 35 Milliarden Dollar gekostet.

Norwegen zeigt es vor

Aber kann man Staatsbetriebe wie Privatunternehmen führen? 22 der 100 größten Unternehmen sind laut OECD derzeit staatlich. Dabei ist die Leistung von Firmen mit hoher Staatsbeteiligung in Norwegen – von Telekom, Energie, Banken, Rohstoffen bis zur Fischzucht – merklich besser als in Frankreich, Italien oder Deutschland.

Der Grund sind klare business-orientierte Prinzipien. Vorrangiges Ziel ist es, die Rendite auf das eingesetzte Kapital zu maximieren. Unternehmen, die soziale Ziele erfüllen sollen, werden transparent ausgewiesen.

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