Kollektivierung von Konzernen: Deutscher Juso-Chef erntet Kritik
Kevin Kühnert, Chef der deutschen Jungsozialisten (Jusos), hat die Kollektivierung von Großunternehmen gefordert. "Ohne Kollektivierung ist eine Überwindung des Kapitalismus nicht denkbar", sagte Kühnert der Wochenzeitung Die Zeit.
In dem Gespräch ging es unter anderem um die deutschen Konzerne BMW, Siemens und Deutsche Bank sowie die Frage, wie diese „im Sozialismus“ agieren würden. Kühnerts Antwort: Keine Verstaatlichung, aber eine Kollektivierung. „Auch der Sozialismus wird und muss mit Marktmechanismen arbeiten. Das Ziel ist demokratische Kontrolle darüber, wie wir arbeiten, und was wir produzieren“, führt der Juso-Chef aus. Für seine Kollektivierungs-Ideen erntet Kühnert in Deutschland scharfe Kritik, auch von seinen Parteifreunden in der SPD.
Wie genau Kollektivierungen von Konzernen ablaufen sollten, ließ Kühnert offen. "Mir ist weniger wichtig, ob am Ende auf dem Klingelschild von BMW 'staatlicher Automobilbetrieb' steht oder 'genossenschaftlicher Automobilbetrieb', oder ob das Kollektiv entscheidet, dass es BMW in dieser Form nicht mehr braucht", sagte er. Entscheidend sei, dass die Verteilung der Profite demokratisch kontrolliert werde. "Das schließt aus, dass es einen kapitalistischen Eigentümer dieses Betriebs gibt." Die Kollektivierung solle „auf demokratischem Wege“ geschehen.
Kein Einkommen aus Mieten
Kühnert sprach sich grundsätzlich für ein sozialistisches Wirtschaftsmodell aus - etwa mit Hinweis auf den immer teureren deutschen Wohnungsmarkt. "Ich finde nicht, dass es ein legitimes Geschäftsmodell ist, mit dem Wohnraum anderer Menschen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten“, sagte Kühnert. Und weiter: "Konsequent zu Ende gedacht, sollte jeder maximal den Wohnraum besitzen, in dem er selbst wohnt."
Kühnert betonte in dem Interview auch, er distanziere sich von Formen des Staatssozialismus wie in der ehemaligen DDR. In solchen Modellen habe es meist einen "eklatanten Mangel an demokratischer Mitbestimmung" gegeben. Aus seiner Sicht sei dagegen "demokratischer Sozialismus" ein untrennbares Begriffspaar. Sozialismus sei "kein autoritäres Konzept".
Breite Kritik
Kritik kam erwartungsgemäß aus CDU, CSU und FDP. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer von der bayerischen CSU sprach beispielsweise von der „rückwärtsgewandten und verschrobenen Retro-Welt eines verirrten Fantasten“. Doch auch in der SPD herrschte teilweise Ärger über Kühnerts Thesen: Johannes Kahrs, SPD-Bundestagsabgeordneter und Vertreter des konservativen Flügels, twitterte von „grobem Unfug“ und fragte: „Was hat der geraucht?“
Der Parteilinke und stellvertretende SPD-Chef Ralf Stegner verteidigte Kühnert hingegen: „Man muss nun wahrlich nicht alle Positionen teilen, aber mir ist ein Juso-Chef, der links von der SPD steht, allemal lieber als eine Junge Union, die ihre Mutterpartei noch rechts überholt.“ Lob bekam Kühnert auch von der deutschen Linkspartei.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil stellte klar, Kühnert habe "eine gesellschaftliche Utopie" entworfen. "Diese ist nicht meine und auch keine Forderung der SPD." Die deutschen Grünen lehnten die Debatte ab: Staatlichkeit sei die nicht die Antwort auf gesellschaftliche Fragen.
SJ-Chefin: "Wirtschaftssystem nicht demokratisch"
Im KURIER-Interview auf Kühnerts Vorstellungen angesprochen gibt sich Julia Herr, EU-Kandidatin der SPÖ und Chefin der Sozialistischen Jugend (SJ) zurückhaltend, aber grundsätzlich einverstanden: „Ich glaube, das ist eine Forderung, die langfristig ist. Wir werden nicht von heute auf morgen alles verstaatlichen. Es geht grundsätzlich darum, dass wir derzeit in einem Wirtschaftssystem leben, das nicht demokratisch funktioniert. Es arbeiten ganz viele Menschen gemeinsam daran, dass man Wertschöpfung und Gewinne erzielt. Nur diese werden dann nicht auf alle verteilt, sondern die Gewinne landen in den Händen einiger weniger.“
Warum eigentlich, Julia Herr?
Gefragt zum Thema Löhne und Kollektivverträge und einem von der SJ georteten „kapitalistischen Ausbeutungsprozess durch Minderung von Einkommen“ sagte Herr: „Prinzipiell würde ich die Situation so analysieren: Wir leben schon in einem Wirtschaftssystem, das ganz klar die Profite von einigen wenigen über das Interesse der Bevölkerung gestellt werden.“
Trend zur Rekommunalisierung
Bei kommunalen Unternehmen – zuständig etwa für Abfallwirtschaft, Wasser- und Energieversorgung – sind Rückübertragungen von privaten zu öffentlichen Dienstleistern übrigens mittlerweile wieder im Trend, zeigt eine aktuelle Studie. So wurden in den deutschen Städten Hamburg und Dresden die Stromversorger wieder übernommen, und in Spanien sogar 27 Wasserversorger wieder in die Gemeindeverwaltungen eingegliedert, dokumentierte die Österreichischen Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung (ÖGPP) im Auftrag der Wiener Ex-Finanzstadträtin Renate Brauner (SPÖ). Ein Fazit der Studie: Die Versorgungsleistungen von Privaten seien oft nach einer gewissen Zeit schlechter geworden, die Infrastruktur zudem oft verfallen.
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