Sichere Stromnetze: Was in Österreich zu tun ist
Bei der Versorgungssicherheit mit Strom steht Österreich im internationalen Vergleich gut da. Laut der Regulierungsbehörde E-Control haben die Konsumenten durchschnittlich 39 Unterbrechungsminuten pro Jahr. Manche Ausfälle, etwa durch Sturmschäden, sind dabei schlicht nicht zu verhindern.
Das ungleich größere Risiko betrifft aber die Systemebene, erklärt Christoph Maurer von der Aachener Beratungsfirma Consentec. Denn wenn die Frequenz im Netz nicht stabil bleibt, drohen schlimmstenfalls großflächige Blackouts. Consentec hat im Auftrag von Oesterreichs Energie, der Interessensvertretung der österreichischen E-Wirtschaft, eine Studie erstellt, die der Frage nachgeht, wie das Niveau der Versorgungssicherheit auch zukünftig sichergestellt werden kann.
Dass die europäische Energiewende dabei neue Herausforderungen bringt, zeigt laut Maurer auch das Beispiel der Störung Anfang Jänner, als das europäische Stromnetz zweigeteilt werden musste, um großflächige Ausfälle zu verhindern.
Zwar hätten die erneuerbaren Energien mit der Ursache nichts zu tun, aber “dass das glimpflich abgegangen ist, beruht unter anderem auf Sicherheitsmechanismen, die im Wesentlichen von konventionellen Kraftwerken erbracht werden“, erklärt Maurer im Gespräch mit dem KURIER. Da diese aber in den kommenden Jahren durch erneuerbare Energien ersetzt werden sollen sei fraglich, wie ähnliche unvorhersehbare Ereignisse in Zukunft gehandhabt werden könnten.
Schnelle Reaktion gefragt
Im Problemfall muss in Sekundenschnelle reagiert werden. Das wäre technisch auch mit erneuerbaren Energien möglich, zum Beispiel indem Produzenten entweder dazu verpflichtet oder dafür bezahlt werden, ihre Anlagen ergänzend mit Kurzzeitspeichern auszustatten. Innerhalb von 30 Sekunden müssen dann Reservekapazitäten einspringen, die dafür immer verfügbar gehalten werden.
In Österreich kann das zwar zu einem relativ hohen Grad die Wasserkraft leisten, es gibt aber trotzdem noch Bedarf an flexibel verfügbaren Reservekapazitäten. Bis 2030 kann fossiles Gas diese Lücke schließen. In weiterer Folge ist das realistischste Szenario laut Maurer der Betrieb von Gaskraftwerken mit klimaneutralem Wasserstoff.
Das sei zwar vergleichsweise teuer, Pumpspeicher allein würden aber nicht mal im topographisch dafür begünstigten Österreich ausreichen. Laut dem Experten wäre es deswegen wichtig, dass neue Anlagen mit Wasserstofftechnologie kompatibel oder darauf umrüstbar sind.
Stromnetz
Neben der Verfügbarkeit von Energie spielt aber auch das Netz eine große Rolle für die Versorgungssicherheit. Die Gesamtkosten für den bis 2030 notwendigen Ausbau belaufen sich nach aktuellen Schätzungen auf 18 Milliarden Euro. Das betrifft sowohl die Verteiler-, als auch die Übertragungsnetze.
Auf die Verteilernetze kommen im Zuge der Dekarbonisierung neue Belastungen zu. Erstens, weil der Stromverbrauch mit der Ausweitung von E-Mobilität und dem vermehrten Einsatz von Wärmepumpen ansteigen wird, zweitens, weil die meisten Wind- und Fotovoltaikanlagen auf dieser Ebene einspeisen. Die Leitungen und Umspannwerke müssen also auch die dezentraler produzierte Leistung abtransportieren können.
Da der Strom oft nicht dort gebraucht wird, wo die Produktionsbedingungen günstig sind, kommt auch auf das Hochspannungsnetz, in dem Energie überregional übertragen wird, ein Mehrbelastung zu. Der vermehrte internationale Stromtransport werde oft in einem negativen Licht gesehen, so Maurer. Allerdings biete gerade der weitreichende europäische Verbund mit seiner koordinierten Risikovorsorge eine gewisse Robustheit. “Kontinentaleuropa hat die Chance, sich wechselseitig auszuhelfen“, erklärt der Experte. Das sei insbesondere relevant, wenn in einer Region konzentriert Erzeugungsanlagen ausfallen.
Diese Möglichkeit habe im Februar bei den Stromausfällen in Texas gefehlt. Als in Folge eines massiven Kälteeinbrauchs eine unvorhersehbare Anzahl von Gaskraftwerken ausfiel, konnte das Netz nicht überregional stabilisiert werden, weil Texas seine Leitungen nicht mit dem US-weiten Stromnetz verbunden hat.
Die Frage ob Europa ein vergleichbares Szenario vielleicht besser überstanden hätte, ist für Maurer müßig, denn es gelte stets, die Risiken unter den konkreten Bedingungen abzuwägen. “Wir sollten nicht so arrogant sein, zu behaupten, bei uns kann nichts passieren. Es gibt immer Extrem-Szenarien, auf die man nicht vorbereitet ist. Hundertprozentige Versorgungssicherheit werden wir nicht hinbekommen.“
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