Schweizer Finanzprofessor Stefan Legge: "Es wird weitere Crashs geben"
So lange persönliches Fehlverhalten keine Konsequenzen hat, werde die Finanzwelt nichts aus Krisen lernen, meint der Schweizer Finanzprofessor Stefan Legge.
15 Jahre sind seit dem letzten Finanzcrash 2008 mit fatalen Folgen vergangen. Daraus gelernt habe man wenig bis gar nichts, ist der Schweizer Finanzprofessor Stefan Legge von der Universität St. Gallen überzeugt. Die Einstellung vieler Akteure im Finanzsystem sei nämlich immer noch dieselbe: „Wenn es kracht, dann sind wir doch schon längst weg und der Staat kann sich dann um den Rest kümmern.“
Die staatliche Rettungsaktion für die Credit Suisse (CS) am vergangenen Sonntag kam für Legge daher wenig überraschend. Schon länger war für ihn klar, dass die Skandalbank kaputt sei und irgendwann der Staat als Retter einspringen müsse, sagt er im Interview mit dem KURIER.
Banken-Regulierung unvollständig
Verschärfte Eigenkapitalvorschriften, die nach der Finanzkrise beschlossen wurden, hätten zwar zu einem besseren Kapitalpuffer der Banken geführt, aber fundamentale Probleme keineswegs gelöst. „Es war zum Großteil eine schöne Geschichte, die man uns da erzählt hat“, vermutet Legge. Die Banken-Regulierung sei unvollständig, das mögliche Zinsrisiko bei Staatsanleihen oder das Risiko eines durch Digitalisierung beschleunigten Bankruns sei erst gar nicht thematisiert worden.
Das größte Versäumnis sei aber gewesen, „dass man es nicht geschafft hat, eine andere Kultur in die Bankenwelt zu bringen“, so der Experte. Er prangert damit ein verantwortungsloses und unmoralisches Handeln als systemimmanent an. 2008 und danach wurden die Banker selbst nicht ausreichend zur Rechenschaft gezogen. Von einigen wenigen prominenten Ausnahmen abgesehen sind „alle auf freien Fuß geblieben und haben fröhlich weitergemacht. Sogar ihr Geld haben sie behalten dürfen“.
Das räche sich jetzt bitter und die Geschichte wiederhole sich bei der Credit Suisse. „Jene, die Fehler gemacht haben und für das Desaster verantwortlich sind, gehen jetzt mit viel Geld nach Hause. Sie werden nicht strafrechtlich belangt werden nicht ins Gefängnis gehen und auch nicht ihre vielen Millionen zurückgeben müssen“, erläutert Legge. Im Gegenteil.
Boni-Debatte
Die CS-Manager sollten trotz Rekordverlusts sogar noch 1 Milliarde Franken an Boni für das Vorjahr ausbezahlt bekommen. Die Regierung will die Auszahlung jetzt stoppen und die Vergütungsregeln ändern, muss dafür aber erst ein Notgesetz basteln. Ein Zurückholen früherer Boni, wie von vielen gefordert, hält Legge für aussichtslos. „Die Verantwortlichen werden mit hohem Vermögen aus der Sache rauskommen.“
Aber wie kann das Problem der persönlichen Verantwortung gelöst werden? Der Professor für Finanzwissenschaft, Finanzrecht und Law and Economics an der Uni St. Gallen kann sich eine Änderung der Haftungsregeln in Richtung mehr Privathaftung im Management vorstellen.
So sei bei einer GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) – wie der Name schon sagt – zwar die persönliche Haftung beschränkt, nicht jedoch der persönliche Profit. Das könnte man ändern, so Legge. Ferner könnten die Vergütungsregeln für die Vorstände von den Aktionären mit beschlossen werden. Eine entsprechende Gesetzesinitiative fand in der Schweiz zwar eine Mehrheit, geschehen sei danach aber nichts mehr.
Krise noch lange nicht überstanden
Und wie geht es nun weiter? Der Notverkauf der Credit Suisse hatte Sorgen geschürt, die dadurch ausgelösten Turbulenzen an den Finanzmärkten könnten zu einer neuen Bankenkrise führen. Die akute Ansteckungsgefahr auf andere Institute sei durch die CS-Rettung nun vorerst einmal gebannt, glaubt der Experte, aber die Auswirkungen der Leitzinsanhebungen auf die Bankenwelt seien noch lange nicht überstanden.
„Banken sind von Natur aus recht instabil und damit anfällig für eine Krise“. Die Leitzinsanhebungen der Notenbanken würden weitergehen, um die Inflation einzudämmen. Aber viele Banken könnten die Zinsen nicht so rasch anheben, weil das zu viele Risiken berge. „Es wird daher weitere Crashs geben, weil einfach viel zu viel auf Sand gebaut ist“.
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