Russland-Connection: Die Geschäftsbeziehungen heimischer Unternehmen
Während sich der Russland-Ukraine-Konflikt zuspitzt, verfolgen rund 650 österreichische Unternehmen, die in Russland präsent sind, mit Hochspannung die aktuelle Entwicklung. Unter ihnen sind prominente Namen wie OMV, Doppelmayr, Andritz, Wienerberger, AVL List, Raiffeisen und Kapsch TrafficCom. Oft bestehen auch enge Verbindungen zwischen Top-Managern, wie dem Investor und Multimillionär Siegfried Wolf und dem russischen Oligarchen Oleg Deripaska.
Doch wie stark sind die österreichische und die russische Wirtschaft tatsächlich verwoben und wie ist die Stimmung heimischer Manager in Russland derzeit? „Die Unternehmen sind beunruhigt, niemand wünscht sich eine Eskalation oder einen Konflikt“, sagt Rudolf Lukavsky, österreichischer Wirtschaftsdelegierter in Moskau.
Die meisten würden glauben, dass es sich beim russischen Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze nur um Drohgebärden handle. „Ein militärischer Konflikt wird als eher unwahrscheinlich betrachtet“, sagt Lukavsky.
Angst vor Gegenschlag
Sehr wohl gefürchtet werden aber Sanktionen, die mit Gegensanktionen beantwortet werden könnten. Davon betroffen wären heimische Unternehmen aus allen Branchen, die in Russland tätig sind. Diese kommen u.a. aus den Bereichen Papier und Holzverarbeitung, Baustoffe, Autozulieferung und Verpackung. Dass sich heimische Unternehmen vom russischen Markt zurückziehen müssten oder pleite gehen würden, sei ein Worst-Case-Szenario, wovon derzeit keiner ausgehe, so Lukavsky.
Er erinnert aber daran, dass „die Sanktionen der vergangenen Jahre schon jetzt für viele Unternehmen nicht einfach sind.“ Diese gelten seit 2014, nachdem Russland die ukrainische Halbinsel Krim annektiert hat. „Die österreichischen Unternehmen, die hier in Russland tätig sind, sind aber flexibel und auf eine langfristige Präsenz ausgerichtet“, sagt Lukavsky.
Keine Schikanen
Behandelt werden österreichische Unternehmen in Russland gut: „Von Schikanen kann keine Rede sein“. Die Behörden seien daran interessiert, dass sich ausländische Unternehmen ansiedeln und gefördert werden.
Die österreichischen Exporte nach Russland seien in den vergangenen Jahren dennoch zurückgegangen. Das liege an den Sanktionen, aber auch an der Corona-Pandemie. Umgekehrt hätten sich die russischen Exporte nach Österreich deutlich erhöht. Das komme sowohl von Volums-, als auch an Wertsteigerungen. Ein wichtiger Faktor in der Außenhandelsbilanz sind Öl- und Gaslieferungen aus Russland. In Summe liegt Russland auf dem 16. Platz im Ranking der wichtigsten österreichischen Handelspartner.
Knick nach Krim-Krise
Gesamtwirtschaftlich betrachtet hat der russische Absatzmarkt für österreichische Unternehmen damit also keine große Bedeutung mehr. Vor der Krim-Krise hat man einen Anstieg des Exportanteils auf rund drei Prozent gesehen. Nach der Krim-Krise gab es einen Knick in dieser Entwicklung, weiß Matthias Reith, Ökonom bei Raiffeisen Research: „Die Beziehungen wurden zurückgeschraubt.“
2020 lag der Exportanteil Russlands an den gesamten, globalen Exporten Österreichs bei 1,5 Prozent. „Viele andere osteuropäische Länder sind weitaus wichtiger“, so Reith – etwa Polen. Den Krim-Knick sieht man außerdem bei den österreichischen Direktinvestitionen in Russland und bei den rückläufigen Nächtigungen russischer Gäste in Österreich.
Wichtige Exportartikel
Wichtigste Exportgüter Österreichs nach Russland sind Maschinen und Pharmaartikel. „Daraus kann aber nicht automatisch geschlossen werden, dass diese Unternehmen besonders exponiert sind. Sieht man sich die Maschinenausfuhren gesamt an, dann ist Russland nur für 2,5 Prozent der globalen Maschinenexporte Österreichs verantwortlich. Ähnlich ist es bei Pharma.“
Auswirkungen für Private
Aber: „Es gibt natürlich Branchen und Einzelunternehmen, die sehr stark in Russland exponiert sind“, so Reith. Das ist etwa der Bereich Kaffee, Tee und Gewürze. „Dort steht der russische Markt für 15 Prozent der österreichischen Exporte. In der Gesamtheit fallen aber nur 1,2 Prozent der gesamten österreichischen Exporte nach Russland auf Kaffee, Tee und Gewürze.“
Die Frage ist also nicht, was mit dem Absatz in Russland passiert, sondern mit der „wichtigsten Importkategorie“ – Energie. 80 Prozent der Importe aus Russland entfallen nämlich darauf. „Davon wird abhängen, wie stark die konjunkturellen Auswirkungen sein werden“ – nämlich, ob es zu weiteren Preisanstiegen oder gar zu Mengenreduktionen beim Gas kommen wird.
Produktionshemmnis
Letzteres ist ein Worst-Case-Szenario, hätte aber große Auswirkungen: „Wenn es zu Mengenverlusten kommt, dann wird sich das produktionshemmend auswirken“, so der Ökonom. Immerhin werden in Europa immer noch die privaten Haushalte zuerst versorgt, Kürzungen bekommt zuerst die Industrie zu spüren.
Für Private würden bei der weniger drastischen Auswirkung, nämlich weiteren Preisanstiegen, die Reallohnverluste noch größer ausfallen, so Reith – was die Inflation weiter treiben würde. „Bei einem fortgesetzten Anstieg der Energiepreise ist bestimmt eine vier vor dem Komma.“
Kommentare