"Preiskrise, keine Versorgungskrise" bei Gas
Seit Anfang April ist der Großhandelspreis für Gas um 300 Prozent gestiegen. Solch einen „anhaltenden Preisanstieg“ habe man „noch nicht gesehen“, sagt Carola Millgram, Leiterin der Abteilung Gas bei der österreichischen Regulierungsbehörde E-Control.
Allerdings, und das ist die gute Nachricht für die Konsumenten, beschreiben diese Zahlen die Entwicklung am sogenannten Spotmarkt, an dem Gas für den jeweiligen Folgetag gehandelt wird. Auf die Endkunden wirken sich die starken Schwankungen nur aus, wenn man sich für einen entsprechenden „Floating-Tarif“ entschieden hat. Der Großteil der österreichischen Konsumenten hat aber Lieferverträge mit längerfristiger Preisgestaltung.
Preise für Konsumenten
Das „Bummerl“ haben also gegebenenfalls die Versorger, die die Preisanstiege nur nach Ankündigung weitergeben dürfen. Um sich abzusichern, planen auch diese ihren Einkauf über das Jahr verteilt. Bei den Konsumenten kommen die Schwankungen deswegen nur verspätet (samt „Ausbrüchen“ nach unten und oben) geglättet an.
Auch die Speicher erhöhen die Flexibilität. Diese wurden letztes Jahr, als die Energiepreise niedrig waren, großteils gefüllt, erklärt Millgram. Dass die Speicherstände heuer europaweit vergleichsweise niedrig sind, liege daran, dass es im Sommer aufgrund der hohen Preise unattraktiv war, sie aufzufüllen. Dass das Gas ausgeht, ist laut der Expertin nicht zu erwarten, denn es handle sich um „keine Versorgungskrise, sondern eine Preiskrise“. In Österreich müssten Gasversorger zudem vergleichsweise strenge Standards einhalten.
Zwar sei es möglich, dass sich einzelne Anbieter aus dem Markt zurückziehen, wie dies etwa in Großbritannien und Deutschland bereits geschieht. In diesen Fällen gebe es aber festgelegte Prozesse, sodass den Konsumenten dadurch keine Versorgungslücke entsteht.
Allerdings ist abzusehen, dass die Endkundenpreise in den kommenden Monaten um 20 bis 30 Prozent steigen könnten. Wird man über eine Tariferhöhung informiert, empfiehlt Millgram, mit dem Tarifkalkulator der E-Control zu prüfen, ob es ein besseres Angebot am Markt gibt.
Mit fallenden Preisen im europäischen Großhandel ist nach Einschätzung der E-Control erst ab dem zweiten Quartal 2022 zu rechnen, wenn die energieintensiven Wintermonate vorbei sind. So werde Gas in der kalten Jahreszeit auch vermehrt zur Stromproduktion und für die Erzeugung von Fernwärme eingesetzt. Eine staatliche Preisregelung für Strom und Gas, wie sie derzeit in mehreren europäischen Ländern diskutiert wird, hält Millgram nicht für wahrscheinlich.
Kommendes Jahr soll außerdem eine allgemeine CO2-Bepreisung eingeführt werden. Für durchschnittliche Haushalte mit Gastherme bedeutet das voraussichtlich Mehrkosten in Höhe von 80 bis 90 Euro pro Jahr.
Globaler Markt
Europa kann seinen Gasbedarf zu etwa 18 Prozent aus eigenen Produktionen decken. Mit etwa zwei Dritteln wird der größte Teil durch Pipelines importiert, der größte Lieferant ist der staatlich kontrollierte russische Konzern Gazprom.
Etwa 15 bis 20 Prozent des Bedarfs wird als Flüssiggas importiert. Dieses ist in der internationalen Preisfindung wichtig, denn es kann in Tanks gelagert und weltweit verschifft werden. Sind die Gaspreise – wie derzeit – in Asien höher als in Europa, wird es vermehrt dorthin verkauft.
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