Der Vorstandschef des Baukonzerns verrät seine Ansichten über leistungsorientierte Asiaten, legale Migration, die Lohnforderungen der Metallergewerkschaft und die Russland-Sanktionen.
KURIER:Herr Strauss, Sie würden gerne den Fachkräftemangel mit Personal aus Indien lösen. Wieso gerade mit Indern?
Karl-Heinz Strauss: Wir sprechen eigentlich von einem generellen Arbeitskräftemangel. Beim U-Bahnbau und beim Bau des Al Wakrah-Stadions in Katar haben wir mit Kolleginnen und Kollegen aus Asien, speziell aus Indien, gute Erfahrungen gemacht. Die haben uns gefragt, ob sie nicht für die Porr in Europa arbeiten könnten. Wir haben die Inder gut ausgebildet und die kennen und schätzen die Porr sehr und aus diesem Grund bin ich auf die Inder gekommen. Das Gleiche gilt aber auch für Kollegen und Kolleginnen von den Philippinen, aus Vietnam, Nepal oder Sri Lanka.
Sie sprechen sich also für eine gezielte Migration aus?
Ohne gezielte Migration werden wir in Europa mittelfristig große Probleme bekommen. Und da haben wir zwei Themen. Wir haben auf der einen Seite das Innenministerium, das eine illegale Migration bekämpfen muss. Und andererseits das Arbeitsministerium, das gezielte Migration fördert. Aufgrund eines Gastkommentars im KURIER von mir haben wir schon einen Termin mit den Ministern Kocher und Karner, wo wir versuchen werden, Argumente zu finden, wie man gezielte Einwanderung nach Europa oder insbesondere Österreich möglich machen kann.
Die Inder sind die drittgrößte Gruppe von Migranten, die in Österreich illegal einreist.
Wir sind natürlich gegen illegale Migration. Ich bin aber der Meinung, dass man Asylanten, die sich bei uns einleben wollen, die sich bei uns integrieren möchten, nicht einfach per se nach Hause schickt, sondern versucht, doch in einen Arbeitsprozess zu integrieren. Aber das ist natürlich ein Spagat, den man hier macht. Man will die illegale Migration nicht weiter fördern. Wenn dann am Ende der illegalen Migration ein Arbeitsplatz winkt, ist das sehr schwierig.
Der Lebenslauf
Der gebürtige Kärntner Karl-Heinz Strauss hat eine HTL für Tiefbau absolviert, studierte an Harvard University und an der Management Business School in St. Gallen. Er hat einen Master of Business Administration. Seit September 2010 ist er CEO der Porr AG
Der Konzern
Die börsennotierte Porr AG beschäftigte im ersten Halbjahr 2022 rund 20.180 Mitarbeiter. Der Auftragsbestand beträgt mehr als acht Milliarden Euro. In den ersten sechs Monaten 2022 stieg der Umsatz um 13,4 Prozent auf 2,596 Milliarden Euro. Die Produktionsleistung betrug 2021 5,72 Mrd. Euro
Der Markt
Die Porr ist in Österreich, Deutschland, der Schweiz, Polen, Rumänien, in Tschechien, der Slowakei und in Norwegen sowie in Katar tätig
Inder haben kaum Chancen auf Asyl, weil sie aus einem sicheren Drittstaat kommen.
Man könnte die Leute aber mittels einer Rot-weiß-Rot-Karte für die Bauindustrie ins Land holen, so wie damals für die IT-Branche. Wenn die legale Möglichkeit besteht, Arbeitsplätze zu bekommen, dann hört die illegale Migration demnächst auf. Davon bin ich fest davon überzeugt. Wir haben wirklich gute Erfahrungen mit den Leuten aus Asien gemacht, die sehr leistungsorientiert sind.
Gut, aber die Inder sind ja keine Fachkräfte, sondern Hilfskräfte?
Der Großteil der Hilfskräfte wird von uns geschult werden und sie entwickeln sich dadurch zu Fachkräften. Alleine Hilfskräfte sind nicht ausreichend. Wir brauchen eine gute Mischung aus Hilfs- und Fachkräften.
Wie viel Beschäftigte suchen Sie derzeit?
Aktuell 600, davon bis zu 300 in Österreich. Unternehmen, die keine neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, können nicht wachsen. Und wer zu wenige hat, wird schrumpfen.
Aber warum findet man nicht genügend Österreicher für diese Arbeitsplätze?
Das ist eine gute Frage. Wir haben zu wenig Nachschub – Fachkräfte von den Schulen, Technischen Universitäten und Fachhochschulen fehlen. Außerdem brauchen wir Arbeitskräfte auf den Baustellen. Aber wenn die Leute die Möglichkeit haben, im Trockenen zu arbeiten und eine geregelte Arbeitszeit zu haben, dann leiden die Baustellen darunter. Denn im Freien gibt es im Winter und Sommer große Temperaturschwankungen, zum Beispiel bei Straßenasphaltierungen. Und das stellt für uns schon eine große Herausforderung, hierzu Personal zu finden.
Sie bilden aber auch Lehrlinge aus?
Wir haben heuer im Jänner und Februar das erste Mal eine Kampagne mit kurzen Tiktok-Videos für Lehrlinge gemacht. Dadurch hatten wir weit über 1.000 Bewerbungen und konnten 300 aufnehmen. Das ist doppelt so viel wie sonst.
Das Stichwort Gehälter ist gefallen. Was halten Sie von den Lohnforderungen der Metallergewerkschaft?
Es ist natürlich die Aufgabe einer Gewerkschaft, möglichst viel für das eigene Klientel herauszuholen. Und wenn man heute hört, dass die normale Inflation sechs, sieben oder acht Prozent ist, wenn man sieht, dass der Strompreis vervierfacht ist, dass der Gaspreis quasi verhundertfacht ist, dann ist das das Naheliegendste, möglichst viel zu fordern. Das ist reine Interessensvertretung, allerdings mit Scheuklappen. Ich verstehe, dass man fünf, sechs Prozent haben muss, damit man irgendwann Ausgleich findet. Alles andere halte ich für unverhältnismäßig, kurzsichtig und schadet dem Industriestandort Europa. Denn ich bin fest davon überzeugt, dass die Inflation nicht lange und nachhaltig anhalten wird.
Können Sie das erklären?
Ausgelöst durch die Pandemie und verstärkt durch den Ukrainekonflikt werden Rohstoffe und Energie als Waffe oder politisches Instrument eingesetzt. Das wird sich über kurz oder lang wieder glätten, sofern man Kraftwerke nicht abschaltet und funktionierende Systeme nicht außer Kraft setzt. Sowohl der Energiebedarf als auch der Rohstoffbedarf werden sich wieder ausgleichen.
Sie haben in einem Gastkommentar behauptet, dass ihre Lieferanten wie zum Beispiel bei Stahl die Preise künstlich hoch halten. Wie kommen Sie dazu?
Das ist ein uralter Reflex. Jeder nutzt seine Chance. Im Zuge der Pandemie kam es zu Verknappungen und man hat Alternativen gesucht. Früher hätte man Sonderschichten eingeführt und Werke aufgesperrt. Zum Beispiel die italienische Stahlindustrie hat nach Ostern eine Sonderarbeitsreparatur eingelegt. Das passiert normalerweise im August, um Anlagen zu servicieren. Das hat dazu geführt, dass der Stahlpreis weiter gestiegen ist.
Abschließend möchte ich Sie fragen, was Sie von den Russland-Sanktionen halten. Sind sie schädlich oder sinnvoll?
Die Sanktionen sind das richtige Mittel. Ich sehe keine Alternative dazu. Ich finde es richtig, dass man jemanden, der versucht, Land mit militärischen Mitteln zu gewinnen, alles entgegenstellt, was entgegenzustellen ist.
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