Papiergeld weg, Negativzinsen her

Kenneth Rogoff ist Professor in Harvard und ehemaliger IWF-Chefökonom.
US-Ökonom Ken Rogoff will das Papiergeld abschaffen, damit Negativzinsen einfacher möglich werden.

Um die Wirtschaft in Gang zu bringen, greifen die Zentralbanken tief in die Trickkiste: So sollen unkonventionelle Maßnahmen wie Wertpapierankäufe oder Langzeitkredite für Banken als Geldspritzen wirken.

Der Grund für diese nie dagewesene Kreativität: Das klassische Instrument zur Ankurbelung der Kreditvergabe, der Leitzins, kennt faktisch eine Untergrenze. Dieser Zinssatz liegt in der Eurozone und in den USA schon bei oder nahe Null. Und tiefer geht es nicht, denn negative Zinsen sind kaum vorstellbar. Bisher.

Fed wollte minus fünf Prozent Zinsen

Jetzt lässt der bekannte US-Ökonom Kenneth Rogoff von der Eliteuniversität Harvard allerdings mit einem radikalen Vorschlag aufhorchen: Er spricht sich für die Abschaffung von Papiergeld aus. „Die Zentralbanken könnten auf diese Weise leichter Negativzinsen durchsetzen, um so die Wirtschaft anzukurbeln“, sagte er am Dienstagabend bei einer Vorlesung in München. Papiergeld sei dafür das entscheidende Hindernis: „Seine Beseitigung wäre eine sehr einfache und elegante Lösung für dieses Problem.“

Die US-Notenbank habe erwogen, zum Höhepunkt der Finanzkrise zeitweise Negativzinsen von vier oder fünf Prozent einzuführen, um zu verhindern, dass die Menschen das zusätzliche Geld horten.

Papiergeld bzw. physisches Geld steht dem im Weg: Wenn die Zinsen auf dem Bankkonto tatsächlich negativ ausfallen, wäre der Anreiz groß, das Geld schlicht und einfach abzuheben und in den Tresor zu legen. Dann fallen null Zinsen an - immer noch besser als Minuszinsen.

Gegen Steuerflucht und Drogenhandel

Rogoff sieht aber noch weitere Argumente für ein Ende des Papiergeldes. Steuerflucht und Drogenkriminalität könnten besser bekämpft werden. Momentan fließe viel Geld in dunkle Kanäle: Die US-Zentralbank habe etwa 4000 Dollar Papiergeld pro US-Bürger ausgegeben und die EZB 4000 Euro pro Bürger der Eurozone.

Doch der Durchschnittsbürger habe weniger als 100 Dollar oder 100 Euro in seiner Brieftasche. Der Rest liege vermutlich in schwarzen Depots. „Zum Beispiel bei Drogenbaronen. Kürzlich sind bei einer Razzia in Mexiko 250 Millionen US-Dollar gefunden worden. So etwas ließe sich ohne Papiergeld vermeiden“, sagte Rogoff.

Starökonom mit Excel-Fehler

Kenneth Rogoff ist in Wirtschaftskreisen alles andere als unbekannt und gilt als Star der Branche. Von 2001 bis 2003 war er Chefökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Besonderes Aufsehen erregte sein Wirtschaftsbuch "Dieses Mal ist alles anders", in dem er gemeinsam mit seiner Kollegin Carmen Reinhart zahlreiche Finanzkrisen aus mehreren Jahrhunderten analysierte. Daraus stammt die vielzitierte Regel, dass Staaten mit mehr als 90 Prozent Verschuldung weniger stark wachsen. Diese These erhielt freilich einen argen Dämpfer: Ein Student stellte fest, dass sich die Top-Ökonomen Reinhart und Rogoff in ihren Excel-Tabellen bei ein paar Spalten vertan hatten.

Auszeichnung in München

Rogoff sprach an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, wo er eine Auszeichnung vom Center for Economic Studies (CES) erhielt. Dieses ist dem Forschungsinstitut ifo eng verbunden und wird ebenfalls von Hans-Werner Sinn geleitet.

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