Turm, Motor, Wanne. In diese drei Teile getrennt liegt der Schützenpanzer Ulan in der großen Halle in Wien-Simmering. 30 Tonnen Stahl und Elektronik, die auf eine Frischzellenkur warten. Anfang des Jahres beauftragte das Verteidigungsministerium das Unternehmen General Dynamics European Land Systems-Steyr (GDELS-Steyr) damit, alle 112 Schützenpanzer Ulan zu überholen und ihre Nutzungsdauer zu verlängern.
Alte Freunde
Der erste wird gerade zerlegt – von jemandem, der ihn vor mehr als 20 Jahren zusammengebaut hat: „Es ist, als würde man einen alten Freund wiedersehen“, lacht Panzermonteur Roman Scherhaufer.
Als das Unternehmen noch Steyr Daimler Puch Spezialfahrzeuge GmbH + Co KG hieß, war er für die Türme der damals frisch bestellten Schützenpanzer zuständig. Vor dem viereinhalb Tonnen schweren Turm ist die Panzerwanne aufgebockt, die Ketten sind bereits abmontiert. Scherhaufer führt hinein.
Neben der Besatzung von drei Mann finden dort im Einsatz bis zu acht Soldaten Platz – jetzt wird alles ausgebaut, was nicht niet- und nagelfest ist. „Wenn das erledigt ist, werden wir die Wanne auf Risse überprüfen und diese im Fall des Falles beheben“, sagt Scherhaufer.
Für die Rissprüfung wird eine spezielle Flüssigkeit auf die Oberflächen aufgetragen. „Bleiben davon Rückstände, ist der Riss gefunden.“ Bis 2029 sollen alle 112 Ulan modernisiert sein. Bis dahin gibt es viel zu tun: Jedes Fahrzeug besteht aus mehr als 10.000 Einzelteilen, in die es zerlegt werden muss.
370-Millionen-Paket
Rund 370 Millionen Euro umfasst der Auftrag des Verteidigungsministeriums, das dafür einen Qualitätsprüfer direkt im Simmeringer Werk abgestellt hat. Nachdem sie gänzlich demontiert und überprüft sind, werden die Wannen zu einer Partnerfirma in Waidhofen an der Ybbs gebracht, wo sie sandgestrahlt und neu lackiert werden.
Es ist eine von vielen heimischen Firmen, die an diesem Projekt beteiligt sind. Mit den Partnerfirmen hat das Unternehmen bereits Erfahrung: Seit einigen Jahren produziert GDELS-Steyr den Radpanzer „Pandur EVO“ für das österreichische Bundesheer. Derzeit beläuft sich der Auftrag auf 100 Stück – es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass weitere bestellt werden. Eine gute Planbarkeit für das Unternehmen ist damit gegeben.
Die Partnerfirmen werden auch vom Ulan-Auftrag profitieren: 70 Prozent macht die heimische Wertschöpfung bei der Produktion des „Pandur EVO“ aus, beim Ulan soll ein ähnlicher Wert erreicht werden. Doch parallel zur Fertigung der Radpanzer die 112 Ulan zu erneuern, stellt das Unternehmen vor eine Herausforderung: „Wir benötigen zumindest 30 weitere Fachkräfte wie Schlosser, Monteure oder Logistiker“, sagt Martin Reischer, Geschäftsführer von GDELS-Steyr, zum KURIER.
Das Projekt umfasst die Grundüberholung und Bereinigung obsoleter Systeme, speziell in den Bereichen der Optronik – also etwa neue Wärmebildkameras – und der Elektronik. Auch ein neues Feuerleitsystem wird integriert.
Vereinfacht zusammengefasst soll der Ulan ein neues Nervensystem erhalten und bestmöglich für die zukünftige Nutzung vorbereitet werden. Die Anforderung ist vergleichbar mit jener an die 58 Leopard II A4, die noch heuer an das in München ansässige Rüstungsunternehmen Krauss-Maffei Wegmann übergeben und modernisiert werden sollen. Mit dem Unterschied, dass der Ulan in Wien gebaut wurde – und auch in Wien erneuert wird.
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