Wie Österreich den Wettlauf um Gasinfrastruktur gewinnen könnte

Wasserstoff-Pipeline mit H2 Hydrogen Aufdruck.
Rolle als Transitland für Biogas und Wasserstoff brächte Österreich viele Vorteile. Diesen Plan verfolgen aber auch andere.

Zusammenfassung

  • Österreich könnte durch den Ausbau seiner Gasinfrastruktur eine zentrale Transitrolle für Biogas und Wasserstoff in Europa einnehmen.
  • Bestehende Gasleitungen und Speicher bieten Vorteile, doch es besteht Konkurrenz durch Nachbarländer und Investitionsbedarf von 3,5 Milliarden Euro über 40 Jahre.
  • Für die Umsetzung sind ein rechtlicher Rahmen, ein Finanzierungsmodell und schnelle Entscheidungen notwendig, um die Chancen der Energiewende zu nutzen.

Beim Transport von Erdgas durch Europa hatte Österreich schon immer eine Schlüsselrolle. Als Russland etwa noch große Mengen lieferte, war Österreich wichtigstes Transitland Richtung Deutschland und Italien. Mit der Energiewende hätte Österreich die Chance, sich abermals als Bindeglied zu positionieren. Statt fossilem Erdgas könnte künftig Biogas und Wasserstoff in großen Mengen durch das Land fließen.

"Es ist eine gewisse Eile geboten"

"Eine Transitfunktion ist sehr vorteilhaft", sagt Stefan Wagenhofer, Präsident der Österreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW). Sie würde die Versorgung heimischer Unternehmen sichern. Einnahmen durch Transitgebühren würden zudem einen Teil der Netzkosten decken und Gas somit im Inland günstiger machen. Beim Aufbau eines Wasserstoffnetzes, um diese Transitfunktion zu erfüllen, sollte man aber keine Zeit verlieren: "Es ist eine gewisse Eile geboten, weil andere Länder wollen das auch."

Die Schweiz und Tschechien seien die Hauptkonkurrenten. Auch über diese Länder könnte Wasserstoff künftig in großen Mengen fließen - einmal über die Südroute, einmal über die Ostroute. In Zukunft könnte grüner Wasserstoff nämlich einerseits aus Nordafrika über Italien in das industriereiche Zentraleuropa gelangen, andererseits aus der Ukraine. Beide Regionen eignen sich laut Wagenhofer als großflächige, sonnen- und windreiche Regionen sehr für die Wasserstoffproduktion. Es gebe dort auch schon konkrete politische Absichtsbekundungen und erste Projekte.

In Zukunft soll sich ein ganzer Wirtschaftszweig rund um Wasserstoff entwickeln.

In Zukunft soll sich ein ganzer Wirtschaftszweig rund um Wasserstoff entwickeln.

Südroute ist besonders interessant

Für Österreich besonders interessant sei das Projekt "South H2 Corridor". Wasserstoff könnte dabei von Tunesien über Italien und Österreich nach Deutschland fließen. Mit TAG (von Kärnten nach Baumgarten östlich von Wien) und WAG (von Baumgarten nach Deutschland) existieren in Österreich bereits notwendige Gasfernleitungen dafür. Einzelne Stränge dieser Leitungen könnten mit relativ geringem Aufwand umgewidmet werden.

3,5 Milliarden Euro auf 40 Jahre notwendig

Dass ein leistungsfähiges Transportnetz für Erdgas schon vorhanden ist, sei ein großer Vorteil von Österreich im Wettlauf um Infrastruktur. "Der Wert unserer Leitungen im Boden beträgt mehr als 15 Milliarden Euro. Es ist sinnvoll, das, was schon da ist, systemisch klug zu nutzen", so Wagenhofer. Für Wasserstoff müssten Änderungen an Kompressorstationen vorgenommen werden. Für ein Wasserstoff-Startnetz müsste man in Österreich außerdem rund 300 Kilometer neue Leitungen legen. Auf 40 Jahre gesehen käme man auf eine notwendige Investitionssumme von 3,5 Milliarden Euro.

Zur Finanzierung könnte der Staat Garantien vergeben, die die Kreditvergabe vereinfachen und Zinsen reduzieren. Wagenhofer stellt sich ein "Hochlaufkonto" vor, das keinerlei Belastung für das knappe Bundesbudget darstellen würde. Anfänglich geringe Einnahmen aus Wasserstoff-Netzen könnten damit ausgeglichen werden, während höhere Einnahmen durch ein Hochlaufen der Wasserstoffwirtschaft die anfänglichen Mehrausgaben wieder decken könnten. Gasinfrastruktur liege jahrzehntelang im Boden und sei ein stabiles, langfristiges Investment.

"Alleskönner" Wasserstoff kann man vielfältig nutzen

Dass Wasserstoff im Energiesystem der Zukunft benötigt wird, liegt für Michael Harasek vom Institut für Verfahrenstechnik der TU Wien auf der Hand. "Wasserstoff ist ein wesentlicher Bestandteil." Das Gas sei ein "Alleskönner", das auf verschiedenste Weise eingesetzt werden könne, etwa für Hochtemperaturprozesse in der Industrie, zur Stromerzeugung in Gaskraftwerken und Brennstoffzellen, selbst Gasheizungen ließen sich theoretisch damit betreiben. In vielen Bereichen sei erneuerbarer Strom kein Ersatz für fossiles Erdgas, grüner Wasserstoff und Biogas aber sehr wohl.

Rechtlicher Rahmen am dringendsten notwendig

Österreich befinde sich außerdem in der glücklichen Lage, über große unterirdische Erdgasspeicher zu verfügen, die auch für Wasserstoff genutzt werden könnten: "Andere Länder beneiden uns darum." Die Speicherfähigkeit sei wichtig, um die saisonale Übertragung von Energieüberschüssen vom Sommer in den Winter zu ermöglichen. Für Europa seien Biogas und Wasserstoff enorm wichtig, um mehr Unabhängigkeit zu erlangen, Energiekosten zu senken und damit die industrielle Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

Um eine Schlüsselrolle bei der europäischen Gasversorgung der Zukunft zu erhalten, brauche es unbedingt eien gesamtheitliche Planung, sagt Wagenhofer. Der nächste Schritt sei ein geeigneter rechtlicher Rahmen. Darauf folgen müsse ein Finanzierungsmodell. "Technisch wissen wir, was zu tun ist. Netzbetreiber beschäftigen sich schon seit Jahrzehnten damit. Die wissen, wie das geht."

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