Österreich-Aufschlag: Kocher für Abschaffung

OeNB-Gouverneur Martin Kocher
Zusammenfassung
- OeNB-Gouverneur Kocher spricht sich für die Abschaffung des Österreich-Zuschlags bei Lebensmitteln aus und setzt auf nachhaltige Maßnahmen gegen Inflation statt direkter Preiseingriffe.
- Bargeld bleibt für die OeNB ein zentrales Thema, das Projekt zur Aufstellung von Bankomaten in ländlichen Regionen wird fortgesetzt, und die Wahlfreiheit im Zahlungsverkehr wird betont.
- Der digitale Euro wird als wichtiges Projekt für Europas Souveränität im Zahlungsverkehr gesehen, während der Strategieprozess der OeNB bis Jahresende läuft.
Um die in Österreich nach wie vor höhere Inflation zu dämpfen, braucht es laut dem neuen Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Martin Kocher, vor allem nachhaltige Maßnahmen - also solche, die die Teuerung drücken, ohne gleichzeitig die Wirtschaft abzuwürgen.
Zu direkte Eingriffe in die Preise sieht der Gouverneur eher skeptisch. Befürworten würde er aber beispielsweise die Abschaffung des Österreich-Aufschlags in Supermärkten.
Eine Abschaffung dieses Zuschlags auf EU-Ebene würde "nachhaltig auf die Entwicklung der Lebensmittelpreise" wirken, sagte Kocher im Interview mit der APA. Bei dem Aufschlag handelt es sich um territoriale Lieferbeschränkungen, die vor allem für kleine Länder in Europa oft höhere Preise bedeuten. In der Debatte um Lebensmittelpreise werde oft nicht genau zwischen dem Preisniveau und der Entwicklung unterschieden. Das Preisniveau sei in Österreich höher als beispielsweise in Deutschland, während die Steigerungen seit 2019 im Nachbarland und auch in anderen europäischen Ländern aber höher gewesen seien als in Österreich. Auch der Anteil der Lebensmittel am Warenkorb sei geringer als die meisten Menschen denken würden, für den Durchschnittshaushalt würden die Ausgaben aber schon ein große Rolle spielen.
Mehr Transparenz
Beim Niveau könnte mit einer Abschaffung des Österreich-Zuschlags angesetzt werden. Bei der Entwicklung gehe es "um Transparenz und natürlich darum, dass Konsumentinnen und Konsumenten die Chance haben, das Angebot auch wirklich gut zu vergleichen", sagte Kocher. Generell seien mehr Transparenz und ein funktionierender Wettbewerb die entscheidenden Faktoren, um die Teuerung in den Griff zu bekommen. Ein Preisvergleichsrechner für Lebensmittel sei allerdings nicht unproblematisch, da neben dem Preis für viele Konsumenten auch andere Faktoren wie Qualität zählen würden. Die Sorge der heimischen Landwirtschaft, dass billige Produkte aus dem Ausland durch einen Preisvergleichsrechner höherwertige inländische Produkte verdrängen könnten, verstehe Kocher.
Kocher bei direkten Preiseingriffen skeptisch
Auch direkten Preiseingriffen - nicht nur bei Lebensmitteln, sondern beispielsweise auch bei Mieten - steht Kocher skeptisch gegenüber. "Ich glaube, dass direkte Eingriffe oft dazu führen, dass die negativen Nebeneffekte stärker sind, als die positiven Effekte auf den Preis", so Kocher. Ein negativer Effekt eines Preiseingriffs wäre eine Angebotsverknappung. Die Bundesregierung will bei ihrer zweitägigen Regierungsklausur, die am Dienstag startet, mehrere Maßnahmen zur Eindämmung der Teuerung beschließen. Vize-Kanzler Andreas Babler (SPÖ) hat unter anderem schon Eingriffe in die Erhöhung von freien Mieten angekündigt.
Wie das ebenfalls für die Regierungsklausur erwartete Konjunkturpaket in Höhe von kolportiert rund 400 Mio. Euro am besten investiert sei, dazu hielt sich Kocher bedeckt. Aus ökonomischer Sicht gebe es aber zwei Voraussetzungen, um das Wachstum wieder anzukurbeln: Zum ersten müsse die globale Wirtschaftsschwäche überwunden werden. "Die zweite Voraussetzung aus meiner Sicht ist, dass wir eine etwas positivere Zukunftserwartung generieren", sagte Kocher. Dafür brauche es Signale aus der Politik, dass Reformen auch in Angriff genommen würden. Dann hätten Unternehmen auch wieder mehr Zuversicht in den Standort.
Bargeld bleibt wichtig
Abseits der Inflation und der Sicherstellung der Preisstabilität, die das oberste Gebot der Nationalbank ist, bleibt für den neuen Gouverneur das Bargeld ein relevantes Thema. Das unter seinem Vorgänger Robert Holzmann gestartete Projekt, in entlegenen ländlichen Gebieten Bankomaten aufzustellen, bleibt erhalten. In den kommenden Jahren sollen bis zu 120 Geräte in Gemeinden aufgestellt werden, wo die Bewohner sonst weite Wege zum nächsten Geldausgabegerät zurücklegen müssten.
In Gefahr sieht Kocher das Bargeld nicht, die Diskussion sei fehlgeleitet, da im Euroraum niemand das Bargeld anzweifle. "Alle wissen, dass das Bargeld wichtig ist, alle wollen das Bargeld erhalten. Es gibt jede Menge Zusicherungen, dass das passiert", so der Gouverneur. Auch die OeNB setze sich ganz klar für Wahlfreiheit im Zahlungsverkehr ein.
Digitaler Euro wichtiges Projekt
Auch der digitale Euro werde daran nichts ändern. Dessen Einführung und vor allem der Nutzen für die Bevölkerung wird immer wieder hinterfragt. Kocher erklärt den Nutzen des digitalen Euro so: "Man kann in ganz Europa anonym und ohne Kosten bargeldlos zahlen. Das ist im Moment zwar in vielen Bereichen durchaus möglich, aber nicht in dieser Kombination." Europa sei im Zahlungsverkehr immer noch stark von Dienstleistern außerhalb des Kontinents - vor allem aus den USA - abhängig. "Der digitale Euro stellt sicher, dass wir da vollständig souverän sind. Deswegen glaube ich, ist er ein wichtiges Projekt."
Künftig würden auch "Stablecoins" - eine Art Kryptowährung, die an eine andere Anlageform, meist eine klassische Währung wie den US-Dollar, gebunden ist - den digitalen Zahlungsverkehr noch komplexer machen. "Daher ist es wichtig, eine öffentlich 100-prozentig garantierte Form der digitalen Zahlung zu haben, die relativ einfach funktioniert."
Strategieprozess in der OeNB läuft
Innerhalb der Nationalbank läuft derzeit ein Strategieprozess, der bis Ende des Jahres abgeschlossen werden soll. In dem Prozess werden Schwerpunkte für die Arbeit der OeNB gesetzt werden. Die makroökonomische Forschung soll weiter einen hohen Stellenwert haben, ihre Expertise will die OeNB künftig stärker nach außen tragen. Mit Zurufen in die Politik will sich der ehemalige ÖVP-Arbeits- und Wirtschaftsminister aber zurückhalten. "Es gibt gewisse Bereiche, wo wir eine große Rolle spielen, wo es wichtig ist und da werde ich genauso wie bisher immer meine Stimme erheben, wenn ich es für nötig erachte." Aber: "Es ist nicht die Rolle des Gouverneurs, sich dauernd irgendwie einzumischen in wirtschaftspolitische Entscheidungen der Regierung."
Was die internen Strukturen der OeNB betrifft, sieht Kocher derzeit keinen großen Anpassungsbedarf. Auch personell seien derzeit keine großen Umbrüche in Aussicht.
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