Territoriale Lieferbeschränkung
Ein Grund für den seit Jahren von Konsumentenschützern kritisierte „Österreich-Aufschlag“ liegt im EU-Recht, das den Lebensmittel-Herstellern erlaubt, ihre Produkte in unterschiedlichen Märkten zu unterschiedlichen Preisen anzubieten. Sie können also ihre Preispolitik selbst gestalten, so lange sie den Wettbewerb nicht behindern. In der Praxis machen Hersteller den Händlern oft Vorgaben, in welchen Ländern sie die Waren anbieten dürfen. Die Händler wiederum müssen bei bestimmten Vertriebsgesellschaften ordern.
Mit diesen „territorialen Lieferbeschränkungen(„Territorial Supply Constraints“, TSC) könnte bald Schluss sein. Die EU-Kommission will den Binnenmarkt weiter stärken und noch bestehende Handelshemmnisse abbauen, kündigte sie Ende Mai an.
14 Mrd. Euro Ersparnis
Allein durch das Aus der Lieferbeschränkungen könnten laut EU-Studie Konsumenten bis zu 14 Mrd. Euro jährlich einsparen. Der Applaus von Konsumentenschützern kam postwendend. „Unsere Preisvergleiche zeigen regelmäßig einen Österreich-Aufschlag. Diese Praxis gehört abgestellt“, sagt Gabriele Zgubic, Leiterin der AK-Konsumentenpolitik. Endlich gebe es sowohl auf EU-Ebene als auch im österreichischen Regierungsprogramm ein Bekenntnis dazu, den Aufschlag abzuschaffen.
Wettbewerbsrechtlich relevant
Die Preisdifferenz hat für die AK auch wettbewerbsrechtliche Relevanz, zumal der heimische Einzelhandel von deutschen Handelsketten dominiert werde. Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) bestätigte die Existenz des „Österreich-Aufschlages“ zuletzt in ihrer Lebensmittel-Studie 2023, die EU-Kommission nahm das Thema im Vorjahr in ihren Länderbericht auf. Vor einem Jahr reisten Vertreter der AK, BWB und des heimischen Lebensmittelhandels gemeinsam nach Brüssel, um über die Nachteile für Österreich zu informieren. Auch Griechenland, Belgien und die Niederlande sehen für ihr Land negative Auswirkungen.
Als „Sieg für Konsumenten und den fairen Wettbewerb“, kommentiert Handelsverbands-Geschäftsführer Rainer Will das geplante Aus für die Lieferbeschränkung. Diese schade den heimischen Handelsunternehmen, die diese Produkte nicht in anderen Ländern zu billigeren Preisen beschaffen dürfen. „Bezahlen müssen die Rechnung letztlich auch die Konsumenten in Form von künstlich hoch gehaltenen Preisen“, so Will auf Linie mit der AK. Besonders betroffen seien Lebensmittel, Kosmetik oder Reinigungsmittel.
Beispiel Haarspray-Einkauf
Will nennt das Beispiel Haarspray: Wenn ein österreichischer Händler bei einem multinationalen Produzenten in Freilassing einkaufen möchte, geht das nur über die nationale Vertriebsgesellschaft des Produzenten. Der Haarspray kostet für den heimischen Händler in der Beschaffung 3,20 Euro, während ein deutscher Händler für denselben Haarspray nur 2 Euro bezahlt.
Marktdifferenzierung
Ganz anders die Reaktion der heimischen Lebensmittelindustrie und des Markenartikelverbandes, der von „legitimen Marktdifferenzierungen“ bei Preis- und Produktgestaltung (Etikettierung, Sprache, Kennzeichnung) spricht. Ein pauschaler Zwang zu identischen Preisen könne lokale Handels- und Produktionsstrukturen schädigen. Die heimischen Produzenten sehen in einer Harmonisierung der Belieferung eine unverhältnismäßige Belastung, die die Wettbewerbsfähigkeit gefährdet. Es wird auf die hohe Konzentration im Lebensmittelhandel verwiesen, wo vier Anbieter 90 Prozent des Marktes beherrschen.
Die Supermarkt-Ketten verteidigen den Preisaufschlag zu Deutschland auch mit der Marktgröße (kleinere Mengen – geringere Rabatte), höheren Umsatzsteuer (20 und 10 statt 19 und 7), topografischen Herausforderungen durch entlegene Regionen, höheren Mauten sowie den höheren Lohnnebenkosten. In Brüssel geht das Lobbying zur Lieferbeschränkung munter weiter, bis zu einer möglichen Umsetzung ist noch ein weiter Weg.
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