Öl oder öko: Ist unsere Zukunft schwarz oder grün?
Es sind vielleicht keine Champagnerflaschen, die an diesem Mittwoch in der saudischen Hauptstadt Riad geöffnet wurden, das Land ist bekanntlich streng muslimisch.
Zu feiern gab es dennoch so einiges: Mit einem Knopfdruck ging die größte Erdölfördergesellschaft der Welt, Saudi Aramco, an die Börse.
Fast zeitgleich tritt in Madrid die 16-jährige Klimaaktivistin Greta Thunberg vor unzählige Mikrofone. Der brasilianische Rechtsaußen-Präsident Jair Bolsonaro hat das Mädchen gerade „pirralha“ genannt, was nur ungenügend mit „Göre“ oder „Rotzlöffel“ übersetzt werden kann. Thunberg, die Millionen von Schülern weltweit protestierend auf die Straße gebracht hat und von profil in Österreich und dem Time-Magazin in den USA zur Person des Jahres gekürt wurde, spricht bei der UN-Klimakonferenz mit ruhiger Stimme.
Von der Leyen präsentiert den „Grünen Deal“ für Europa
Vor neuem Jahrzehnt
Das Jahrzehnt, das in nur drei Wochen beginne, „wird unsere Zukunft definieren“, warnt sie. Die Menschen bräuchten jetzt unbedingt ein Zeichen der Hoffnung. „Aber es gibt Hoffnung, ich habe es gesehen – sie kommt nicht von Regierungen und Konzernen, sondern vom Volk.“
Als wäre das ihr Stichwort, lächelt kurz nach 13 Uhr die neue deutsche EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in die Kameras im Brüsseler Pressezentrum und präsentiert den „Grünen Deal“ für Europa: Sie will in den nächsten Jahren insgesamt 1.000 Milliarden Euro an Investitionen zum Schutz der Umwelt mobilisieren.
„Das ist Europas ,Mann auf dem Mond‘-Moment“, sagt sie. Ein radikaler Wandel soll es werden, die europäischen Volkswirtschaften, die, wie alle Industrienationen der Welt, in höchstem Maß von fossilen Energieträgern wie Öl und Gas abhängig sind, sollen umgebaut werden. Von der Leyen spricht von „Kreislaufwirtschaft“ statt des bisherigen Systems der linearen Wirtschaft (Rohstoff-Abbau, Produktion, Nutzung, Müllhalde). Und von Nachhaltigkeit, im Energiebereich, im Verkehrsbereich, in der Produktion. „Wir haben noch nicht alle Antworten“, sagt von der Leyen. Europa arbeite aber an den Lösungen.
50 Milliarden Tonnen Öl im Jahr
Szenenwechsel. 127 Barrel (Fässer) Öl, das sind etwas mehr als 20.000 Liter, produziert Saudi Aramco pro Sekunde, elf Millionen Barrel pro Tag, vier Milliarden Fass pro Jahr. Wird Rohöl in Heizöl raffiniert und dann verbrannt, ergibt das pro Liter rund 3,2 Kilo. Dass genau das geschieht, davon zeugen die Länderberichte zur „Inventur der Treibhausgas-Bilanz“. Über 50 Milliarden Tonnen werden es weltweit aus der Nutzung der fossilen Brennstoffe, vor allem aus Erdöl, auch 2019 sein.
Erdöl ist seit fast 100 Jahren - und wohl noch viele Jahre länger - der verlässlichste Treibstoff der Welt. Es gibt zwar in Europa kaum mehr reine Ölkraftwerke, doch der überwiegende Teil der 308 Millionen Fahrzeuge auf Europas Straßen fährt mit Erdöl, mit Benzin oder Diesel.
Faktor Mobilität
Aber es wird weniger. Noch bevor ein einziges Gesetz des Grünen Deals der EU-Kommission vorliegt, geht Europas Erdölverbrauch zurück. Um etwa 1,2 Prozent pro Jahr sinkt der europäische Ölbedarf, lautet die Prognose der OPEC. Und das wird so weitergehen. Doch bis der Anteil des Öls am Energieverbrauch wirklich auf null geht, wie es die EU-Kommission bis 2050 will, werden wohl noch Jahrzehnte vergehen. Noch hängt viel zu viel der Mobilität am Erdöl.
Und das Transportwesen ist nicht nur in Europa, sondern weltweit der Treiber der Ölnachfrage. Knapp mehr als 60 Prozent des weltweit geförderten Erdöls landen in der Benzin-, Diesel- oder Kerosinproduktion. Und auch wenn die Nachfrage in Europa schwächer wird, in Asien – allen voran in Indien und China – steigt der Ölbedarf weiter kräftig. Fazit: Mit größter Wahrscheinlichkeit wird Öl auch 2040 noch einen beträchtlichen Teil der Mobilität der Welt steuern.
Hoffnungsträger
Dennoch liegt die Hoffnung auf den aufstrebenden Ländern in Asien und Lateinamerika. Sie sind zwar große Ölverbraucher, sie sind aber auch die weltweit größten Erbauer von Ökostromanlagen. China dominiert seit Jahren den globalen Ausbau der Windenergie. Mexiko, Chile, aber auch nordafrikanische Staaten steigen bei der Errichtung von Solarkraftanlagen aufs Gas. Die Stromerzeugung wird denn auch von der OPEC als jener Sektor gesehen, dessen Ölverbrauch bis 2040 stetig sinken wird.
Beim Verkehr sehen die Prognosen viel trister aus. Die Anzahl der Elektroautos wächst zwar, und das ganz besonders stark in China, doch der Anteil ist nach wie vor sehr gering. Und so kann die OPEC ebenso wie die Internationale Energie Agentur in Paris mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass auch 2040 noch mehr als 60 Prozent des globalen Ölverbrauchs vom Verkehr – Straße, Flug und Schiff – stammen wird.
Für die Welt und unser Klima ist das wohl keine gute Botschaft, wohl aber für die ölreichen Staaten, allen voran Saudi-Arabien.
Kronprinz Mohammed bin Salman hat mit dem Ölkonzern Aramco durchaus einen Trumpf in der Hand. Wenn auch weltweit der Trend weg vom Öl geht und die Nachfrage sowie der Ölpreis sinkt, wird Aramco wohl überleben. Kein Ölkonzern kann so billig produzieren wie Aramco. Und so könnte der Gigant zu den letzten Anbietern im zu Ende gehenden Öl-Zeitalter gehören.
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