Oberbank-General Gasselsberger: "Es wird keine Rezession geben"
Seit 40 Jahren arbeitet der gelernte Jurist Franz Gasselsberger bei der oberösterreichischen börsennotierten Oberbank. Seit 20 Jahren ist er dort Vorstandschef und damit einer der Bankchefs in Europa, die am längsten im Chefsessel sitzen. In seiner Freizeit läuft er mit seinen 64 Jahren noch immer den Halb-Marathon und unternimmt Hochgebirgstouren.
In den ersten drei Quartalen erzielte die Bank einen Überschuss nach Steuern von 74,1 Millionen Euro. Das Jahresergebnis 2022 wird demnächst präsentiert. Insgesamt hat die Bank 180 Filialen und rund 2.150 Beschäftigte in Österreich, Deutschland, Tschechien, der Slowakei und Ungarn. Mit Gasselsberger sprach der KURIER über Krieg, Zinsen und Inflation.
KURIER: Seit einem Jahr herrscht Krieg. Kommt jetzt die Rezession?
Franz Gasselsberger: Nein. Es wird keine Rezession geben.
Woher dieser Optimismus?
Die Lage ist viel besser als die Stimmung. Wir haben schon im November bei unseren tausend wichtigsten Kunden gemerkt, dass die Auftragslage und die Ertragserwartungen weitaus besser sind als die allgemeine Stimmung. Das hat sich nun bestätigt.
Also keine Krise?
Das Lieferketten-Problem scheint behoben. Die befürchtete Gas- und Energiekrise über den Winter hat nicht stattgefunden.
Sind die Sanktionen richtig?
Sie sind alternativlos.
70 Prozent der österreichischen Gas-Importe kommen noch immer aus Russland.
Das überrascht mich. Die Lieferungen scheinen also nach wie vor aufrecht zu sein. Aber man versucht, neue Quellen zu erschließen. Das sieht man auch am zunehmend sinkenden Gaspreis.
Dafür bleibt die Inflation hoch.
Nach meiner Einschätzung wird sie zum Jahresende zwischen vier und fünf Prozent liegen.
Muss die Europäische Zentralbank den Leitzinssatz von aktuell drei Prozent weiter erhöhen?
Jetzt sollte man einmal abwarten, weil die bisherigen Zinserhöhungen sechs bis zwölf Monate benötigen, um zu wirken. Versäumnisse aus der Vergangenheit sollte man jetzt nicht mit übertriebener Hektik wettmachen.
Die Banken können ihr Geld jetzt zu hohen Zinsen bei der Zentralbank anlegen und damit ihren Ertrag steigern. Sind die Banken die Gewinner der Krise?
Ich sehe das differenziert. Ja: steigende Zinsen helfen den Banken beim Zinsergebnis, weil wir auf der Einlagenseite wieder etwas verdienen. Nach zehn Jahren normalisiert sich die Lage also wieder. Dass wir in diesem Bereich wieder Geld verdienen, ist nicht unanständig.
Die kleinen Sparer merken von höheren Zinsen oft nicht viel.
Noch nie hat es eine so große Breite an Anlagemöglichkeiten gegeben. Selbst für kurzfristige Bindung gibt es wieder Zinsen. Vor allem Anleihen sind wieder besonders attraktiv. Bei einer Laufzeit von fünf bis acht Jahren kann man je nach Bonität 3,5 bis 4,5 Prozent Rendite erzielen.
Das ist aber unter der Inflation.
Die wird aber in diesem Zeitraum weiter sinken und den Realwertverlust langfristig abmildern.
Sie kritisieren immer wieder, dass die staatlichen Hilfen mit der Gießkanne verteilt wurden.
Man hätte nicht die gesamte Bevölkerung für hilfsbedürftig erklären müssen. Und schauen Sie: Die KV-Abschlüsse sind gut, die Sozialleistungen wurden an die Inflation gekoppelt, die kalte Progression wurde abgeschafft. Das sind alles Maßnahmen, die auch umgekehrt wieder viel Geld kosten.
Apropos KV-Abschlüsse. Die Gewerkschaft fordert für die rund 60.000 Angestellten im heimischen Bankensektor eine Erhöhung der Gehälter um 10,6 Prozent und eine 36 Stunden-Woche.
Ich weiß nicht, wer auf die Idee mit den 36 Stunden gekommen ist. Dagegen wehren wir uns. Und zu den 10,6 Prozent: In Österreich wurden wie in keinem anderen Land in Europa Unterstützungsmaßnahmen gesetzt. Das wird gerne überhört und sollte auch von der Seite der Arbeitgeber stärker betont werden. Denn doppelt und dreifach kann man nicht kassieren.
Zur Oberbank. Wie läuft es in Deutschland?
Wir sind dort mittlerweile in zehn Bundesländern mit rund 50 Filialen vertreten. Deutschland ist unser Expansionsmarkt.
Sie eröffnen noch richtig Filialen. Warum?
Ein guter Banker ist nicht der, der viele Kredite vergibt, sondern der, dem die Kunden vertrauen. Zuerst die Einlagen, dann der Kredit. Einlagen holt man über Filialen ab. Und außerdem ist die Beratung komplexer geworden. Das wollen die Kunden nach wie vor persönlich.
Die EU plant, dass Anlageberatung in den Banken für die Kunden nicht mehr gratis sein soll.
Das lehne ich klar ab.
In Ungarn hat die Regierung zuletzt Übergewinnsteuern und Obergrenzen für Kreditzinsen eingeführt, die nur nicht-ungarische Unternehmen treffen.
Das freut mich nicht. Das kostet uns dort einen einstelligen Millionenbetrag. Aber unser Engagement in Ungarn steht außer Frage.
Die seit August geltenden strengeren Regeln für die Vergabe von Wohnbaukrediten werden mit 1. April etwas gelockert. Bestehende Eigenheime und Zuschüsse der öffentlichen Hand können künftig wieder weitgehend als Eigenmittel angerechnet werden. Das hilft etwa Jung-Familien, die noch in einer kleineren Wohnung leben und eine Zwischenfinanzierung für den Kauf einer künftig größeren Wohnung oder für den Bau eines Hauses brauchen.
Derzeit dürfen sie sich den geschätzten Verkaufserlös der Wohnung, den sie erst beim Auszug bekommen, nicht anrechnen lassen – ab 1. April schon, nämlich zu 80 Prozent. An den grundsätzlichen Parametern wird nicht gerüttelt: Wohnbaukredite dürfen nicht mehr länger als 35 Jahre laufen, der Eigenmittelanteil muss mindestens 20 Prozent betragen, die Rückzahlungsrate darf maximal 40 Prozent des verfügbaren Nettoeinkommens ausmachen.
Bankenvertreter haben immer wieder kritisiert, dass dies zu einem Einbruch des privaten Wohnbaus geführt habe. Bei der Oberbank ist die Neuvergabe von Wohnbaukrediten seit August um 50 Prozent eingebrochen wie Franz Gasselsberger sagt. Die Gründe dafür sind für ihn aber vielfältig. "Der Rückgang im Wohnbaugeschäft ergibt sich einfach durch die schlechte Stimmung, die gestiegenen Zinsen, die hohen Immobilienpreise und die höheren Lebenshaltungskosten." Er ist aber optimistisch, "dass wir im zweiten Quartal wieder ein Wachstum bei den Wohnbaufinanzierungen sehen." Die Menschen hätten nicht aufgehört, sich Häuser oder eine Wohnung zu wünschen.
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