Die EU, die USA und ihre westlichen Partner in der G-7 wollen zum Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine am 24. Februar ein mittlerweile zehntes Sanktionspaket schnüren. Die Palette der angedachten Strafmaßnahmen gegen Moskau ist umfangreich und soll Wladimir Putins finanzielle Feuerkraft weiter schwächen. In die Knie zwingen konnte ihn der Wirtschaftskrieg bisher nicht.
Jetzt soll also der Technologiefluss für die russische Rüstungsindustrie weiter beschränkt oder weitere Banken vom internationalen Zahlungssystem Swift ausgeschlossen werden. Auch werden Maßnahmen überlegt, die verhindern sollen, dass bestehende Sanktionen umgangen werden. „Wir reden über rund elf Milliarden Euro“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch im Europäischen Parlament.
Die einzelnen Maßnahmen dürften nicht nur gegen Russland gerichtet sein, sondern auch den Iran. Russland nutze im Iran hergestellte Drohnen für Angriffe in der Ukraine.
Rekordinflation
Ein Jahr Wirtschaftskrieg gegen Russland bedeutet vor allem Rekordinflation in Europa aufgrund der im Vorjahr so massiv gestiegenen Importpreise für Öl und Gas. Dieses Phänomen sollte sich heuer nicht wiederholen, die Teuerung werde sukzessive zurückgehen, sagen Fachleute.
Ein erstes, klares Indiz dafür ist: Die europäischen Gaspreise fallen wieder deutlich und erreichten am Freitag mit knapp unter 50 Euro den tiefsten Stand seit August 2021. Das werde mit Zeitverzögerung auch bei den heimischen Konsumenten ankommen, versprechen die einschlägigen Experten schon länger.
Ein Jahr Wirtschaftskrieg bedeutet natürlich auch für Russland massive Einbußen und Wohlstandsverluste – aber in Wahrheit erst so richtig ab diesem Jahr. Dafür spricht das erst seit Dezember geltende Ölembargo, das Embargo für Ölprodukte wie Diesel, Benzin oder Schmierstoffe ab diesem Februar sowie der Ölpreisdeckel von 60 Dollar für russische Lieferungen an Drittstaaten.
Als direkte Folge ist im Dezember der Durchschnittspreis für russisches Öl bei 50 Dollar pro Barrel gelegen, während der für Europa maßgebliche Preis der Nordseesorte Brent 80 Dollar betrug.
Lange hinausgezögert
Im Rückblick zeigt sich, Europa war lange Zeit nicht bereit, den oft genannten „Preis der Freiheit“ zu zahlen. Schon drei Tage nach Kriegsbeginn hat der Westen zwar 300 Milliarden Dollar an Reserven der russischen Nationalbank eingefroren und bald auch andere scharfe Sanktionen im Finanzbereich verhängt – etwa gegen die größten russischen Institute wie Sberbank und VTB, die auch ihren Betrieb in Europa zum Großteil einstellen mussten. Doch aus Furcht vor einer eigenen schweren Rezession verhallten Forderungen nach Sanktionen auf dem Energiesektor in Brüssel lange ungehört.
So hatte Putin wegen der massiv gestiegenen Energiepreise weiterhin sehr hohe Einnahmen von geschätzten 250 Milliarden Dollar im vergangen Jahr und konnte seinen Krieg, der nie so heißen durfte, relativ locker finanzieren.
Außerdem läuft die russische Rüstungsindustrie im krassen Gegensatz zu der auf Friedenszeiten eingerichteten und über Jahre ausgehungerten westlichen Rüstungsindustrie auf Hochtouren. So kann Moskau auch jetzt noch Waffen etwa an die Militärjunta in Myanmar liefern.
2023 wird schwieriger
Um seine Kriegsmaschinerie jedoch weiter am Laufen zu halten, wird der Kreml jetzt immer öfter den einst prall gefüllten Staatsfonds anzapfen und sich bei heimischen Geldgebern weiter verschulden müssen.
Und die besagten Preisabschläge beim Öl- und Gasverkauf an alternative Abnehmer wie Indien reißen natürlich gröbere Löcher in den laufenden Staatshaushalt. „Das bedeutet, dass es für Putin schwieriger wird, Soldaten anzuheuern, Wagner Geld zu geben und iranische Drohnen zu kaufen. All das ist von Bedeutung“, sagte der renommierte russische Ökonom Sergej Guriew jüngst bei einem Vortrag in Wien.
Frieden oder zumindest Friedensverhandlungen hat das alles nicht gebracht.
Die russische Wirtschaft schlägt sich auch nach wie vor besser als von Experten zunächst erwartet worden war.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) in Washington hat erst Ende Jänner seine Prognosen für 2023 und 2024 deutlich erhöht. Mit Wachstumsraten von 0,3 Prozent in diesem Jahr und 2,1 Prozent im nächsten Jahr dürfte sich die russische Wirtschaft besser schlagen als etwa Deutschland oder Großbritannien. Ein Grund sind die hohen Rüstungsausgaben.
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